Skip to main content

Mike Gene: „The Design Matrix“

A Consilience of Clues
Arbor Vitae Press, 2007 300 S., 24,95 Euro

Nachfolgend eine Rezension von Reinhard Junker:

Der unter einem Pseudonym schreibende Genetiker Mike Gene hält in „The Design Matrix“ ein starkes Plädoyer für den ID-Ansatz. Allerdings unterscheidet er sich in mancher Hinsicht von der „Mainstream-ID-Bewegung“, vor allem dadurch, dass er Intelligent Design („ID“) nicht als Wissenschaft betrachtet – genauer gesagt: nicht als „science“, was eher Wissenschaft im engeren Sinne von Naturwissenschaft meint. ID ist für ihn bestenfalls eine „aufkeimende Proto-Wissenschaft“ (S. xi). Gene hält Evolution nicht für falsch; sie sollte in öffentlichen Schulen auch nicht kritisiert werden.

Der Grundgedanke seines Buches ist der einer vorprogrammierten Evolution (front-loading). Damit meint er jedoch nicht eine deterministische Evolution; vielmehr sollen bestimmte Ergebnisse des Evolutionsprozesses durch vorprogrammierte Voraussetzungen und vorprogrammierte Mechanismen wahrscheinlicher eintreten als andere. Am Anfang des Lebens standen demnach Einzeller, in denen das Potential zu einer biologischen Evolution angelegt war: Evolution auf der Basis einer ausgeklügelten Planung. Gene diskutiert vier Verdachtsmomente auf intelligentes Design:

  1. Analogien mit Strukturen, die erwiesenermaßen designt sind,
  2. Diskontinuität zu nicht-teleologischen Prozessen (d. h. natürliche Prozesse sind weit davon entfernt, die beobachteten Phänomene hervorzubringen),
  3. Rationalität (eine Analyse der untersuchten Struktur weist einen durchdachten Aufbau nach) und 4. Voraussicht (die untersuchte Struktur ist auch auf Zukunft hin angelegt). Diese vier Kriterien können weitgehend unabhängig geprüft werden und stützen je nach Tendenz der Ergebnisse einen Verdacht auf Planung. Dass dabei subjektive Bewertungen unvermeidlich sind, ist Gene bewusst (S. 272). Er stellt schon im Vorwort klar, dass es um einen Verständnisschlüssel gehe, nicht um Beweise (S. xiii).

Abb. 1: Artefakt oder natürlich: Das „Marsgesicht“. Links Aufnahme von Viking 1976, rechts in höherer Auflösung aus dem Jahr 2001. (NASA)

Das Buch ist in vier Teile aufgebaut. Teil I („The Way“) steigt mit der Frage ein, wie im Rahmen des Design-Paradigmas geforscht werden kann; in Teil II („The Clues“) geht es um Befunde, die deutlich auf Design hinweisen; Thema von Teil III („Challenge“) ist das bereits genannte Konzept des „front-loading“. Hier präsentiert der Autor auch Überlegungen, wie eine Koexistenz der Selektionstheorie und des ID-Ansatzes aussehen könnte. Diese drei Teile liefern die Basis für eine Methode, wie Strukturen auf Design hin überprüft werden können, was in Teil IV ausgeführt wird.

Der Autor beginnt seinen Argumentationsweg in Teil I mit der Lektion, die aus einer geologischen Struktur auf dem Mars gelernt werden kann, die früher bei geringer Auflösung einem Gesicht glich (Abb. 1, links). Wann erkennen wir eine Struktur als designt? Zum einen braucht es eine Vertrautheit, d. h. eine Ähnlichkeit mit einem bekannten, designten Muster. Nur solches Design ist für uns erkennbar, das eine Analogie mit bereits bekanntem Design aufweist. Zum anderen muss es eine Diskontinuität geben, das heißt: die betrachtete

Struktur ist weit von solchen Strukturen entfernt, die ohne Design entstehen können. Dagegen müssen weder die Identität des Designers noch seine Methoden noch der Zeitpunkt seines Wirkens bekannt sein (S. 10). Die teleologische Deutung des Marsgesichtes erwies sich schließlich durch zusätzliche Befunde als falsch: Eine höhere Auflösung zeigte Strukturen, die durch natürliche Prozesse erklärbar waren und die beiden genannten Kennzeichen nicht mehr aufwiesen (Abb. 1, rechts). Ganz anders aber verlief die Entwicklung bei der Erforschung des Inneren der lebenden Zellen. Die „höhere Auflösung“ lässt dort zunehmend diese beiden Kennzeichen von Design hervortreten (S. 17).

Nach diesen ersten Schritten ins Thema hinein folgt mit Teil II das erste Kernstück, in dem Hinweise auf Design in der Molekularbiologie zusammengestellt werden. Die Forschung hat gezeigt, dass die Abläufe und „Maschinen“ im Zellgeschehen viel stärker technologischen Produkten ähneln, als von irgendjemanden je vorhergesagt worden war (S. 39). Dass es sich bei den Begriffen wie „Maschine“, „Programmierung“, „Code“ etc. nicht um irreführende Metaphern handeln kann, belegt Gene durch eindrucksvolle Vergleiche der Häufigkeit der Verwendung der betreffenden teleologischen Begriffe in verschiedenen Disziplinen (S. 48, 58, 60). Es hat sich gezeigt, dass der gene-tische Code in verschiedener Hinsicht optimal ist. Erstaunlich sind auch die Korrekturmechanismen bei der Replikation (= Kopie der DNA) und der Übersetzung der DNA in Proteine (Transkription und Translation). Zudem sind die verwendeten Nukleotide der DNA optimal, um Fehler bei der Replikation zu minimieren. All das sieht nicht nach einem „eingefrorenen Zufall“, sondern viel mehr nach vorausschauender Planung aus.

In Teil III entfaltet Gene das Konzept des front-loadings in der Evolution. Sein Grundgedanke: Die Gene und die Variationsmechanismen, die in den ersten Zellen vorhanden waren, besitzen das Potential zur Evolution von vielzelligen Lebewesen und ihrer ganzen Vielfalt. Das ist allerdings nicht so zu verstehen, als seien die vielfältigen Organe bereits deterministisch angelegt. Vielmehr seien die Gene so beschaffen, dass sie auf unterschiedlichste Weise kombiniert werden und vielfach auf verschiedenste Weise genutzt werden können. Mechanismen wie Genduplikation (= Verdopplung von Genen) und Gen-Tinkering („Basteln“ mit Genen; vgl. Junker & Scherer 2006; III.6.3.8) versteht er als Prozesse, die auf Design zurückgeführt werden können. So werde verstehbar, dass Einzeller bereits viele Gene besitzen, die ihr volles Spektrum an Aufgaben erst in vielzelligen Organismen erfüllen. Er bezieht sich hier auf einen Befund, der die Biologen in den letzten Jahren in wachsendem Maße überrascht hat: Viele Gene, die für die Bildung von Organen vielzelliger Organismen benötigt werden, gibt es schon in Einzellern, die diese Organe natürlich gar nicht besitzen. Und diese Gene erfüllen bei den Vielzellern gleichzeitig ganz unterschiedliche Aufgaben (beispielsweise spielt das Linsencrystallin auch eine Rolle im Zellstoffwechsel). „The multi-functional nature of many proteins can be unlocked across time“ (S. 163), die Proteine sind „designed to redesign“ (S. 164). Hier knüpft Gene teilweise an moderne Evolutionsvorstellungen an, wie sie vor allem von Evo-Devo-Forschern entwickelt wurden. Deren Begrifflichkeit suggeriert in der Tat häufig ein dahinterstehendes Design (Junker 2007).

Im abschließenden Teil IV geht es um die „Matrix“. Die vier eingangs bereits genannten Kriterien können genutzt werden, um den Verdacht auf Design zu begründen bzw. zu erhärten: Analogie mit bekanntermaßen designten Dingen, Diskontinuität zu nicht-teleologischen Prozessen, Rationalität der Strukturen bzw. Abläufe sowie Anzeichen einer Vorausschau. Diese vier Kriterien bilden als „Design-Matrix“ zum einen eine Methode, um Design zu entdecken (oder wahrscheinlich zu machen), zum anderen eine Anleitung zur Forschung. Denn die Design-Matrix leitet zu gezieltem Fragen an die Natur und zur Entwicklung testbarer Hypothesen an (Tab. 10-1, S. 270). Jedem Kriterium ordnet Gene eine Bewertungsskala von –5 bis +5 zu; aus den Werten aller vier Kriterien ergibt sich ein Durchschnittswert, der die Wahrscheinlichkeit für Design angibt. Beispielsweise haben Pseudogene den Wert –4, der genetische Code +2,5 und ein Auto den Wert +4. Die Anwendung der Design-Matrix ist zwar unvermeidlich zu einem gewissen Grad subjektiv (so halte ich den Wert 0 für das Linsenauge für deutlich zu wenig), aber ein Test ist dennoch möglich. Dies zeigt sich auch daran, dass ID-Kritiker zu zeigen versuchen, dass die vier Kriterien keine Hinweise auf Design geben, z. B. indem sie versuchen, behauptete Analogien zurückzuweisen, eine Kontinuität von verschiedenen Strukturen nachzuweisen oder die Rationalität zu bestreiten.

Kommentar: Mike Gene präsentiert mit dem Konzept eines front-loading zweifellos eine originelle Deutung der Evolution, deren Realität er nicht in Frage stellt. Dafür, dass es intelligentes Design in der Biologie gibt, vor allem was die Ausstattung der Zellen betrifft (genetischer Code, Fehlerkontrolle, Maschinencharakter usw.), legt der Autor starke Indizien vor. Ob das front-loading-Konzept schlüssig ist, wird die weitere Forschung zeigen müssen. Gene kann manche Einwände gegen seine Sicht mindestens mildern. Es könnte durchaus auch sein, dass sich durch weitere Forschung enge Grenzen für evolutive Änderungen zeigen werden. Die Design-Argumente blieben davon unberührt, denn sie finden auch im Rahmen der Grundtypenbiologie eine sinnvolle Deutung und sie sind genauso prüfbar, wenn man vom Konzept polyvalenter und flexibler Stammformen ausgeht (vgl. Junker & Scherer 2006; VII.16.4). Das hieße nämlich: Front-loading von Grundtypen, die als polyvalente Stammformen mit einer potentiellen Komplexität ausgestattet sind. Die Anwendbarkeit der Design-Matrix auf das Konzept polyvalenter Grundtypen ist für die drei Kennzeichen Analogie, Diskontinuität und Rationalität sofort einzusehen, gilt aber auch für das Kennzeichen der Vorausschau. Im Rahmen der Grundtypenbiologie wäre die Vorausschau allerdings wesentlich kürzer als im Evolutionskonzept. Vorausschau würde hier nur Mechanismen der Anpassung und Flexibilität in sich wandelnden Umwelten beinhalten, nicht aber ein Blick in eine ferne Zukunft.

Wie immer man über Evolution, Schöpfung und ID denkt: Die Lektüre des Buches lohnt sich unbedingt für jeden, der ernsthaft am ID-Ansatz interessiert ist.

Literatur