Skip to main content

Francis S. Collins: „Gott und die Gene. Ein Naturwissenschaftler begründet seinen Glauben.“

Was ist dran an Collins' Thesen?
Gütersloh. 240 S.


Nachfolgend eine Rezension von Reinhard Junker:

Collins ist Humangenetiker. Er möchte zeigen, dass es „keinen Konflikt“ gibt „zwischen einem ernsthaften Wissenschaftler und jemandem, der an einem Gott glaubt, welcher an jedem von uns interessiert ist“. So weit, so gut. Doch in seinem Buch „Gott und die Gene“ plädiert Collins auch für eine theistische (also „göttliche“) Evolution, die davon ausgeht, dass Gott die Evolution genutzt hat, um Leben auf dieser Erde zu entwickeln.

Über das menschliche Genom

Collins argumentiert mit molekularen Ähnlichkeiten, also mit Vergleichen der Bausteine des menschlichen Erbguts mit dem Erbgut anderer Organismen. Übereinstimmungen von Gen-Ähnlichkeiten mit Stammbäumen, die auf Fossilien und dem Körperbau beruhen, seien eine deutliche Unterstützung für Darwins Evolutionstheorie. Collins diskutiert allerdings nicht, dass es genau in dieser Frage zahlreiche unpassende Befunde gibt. Molekulare Daten über Gen-Ähnlichkeiten stellen sehr oft bisherige Verwandtschaftsvorstellungen in Frage und passen oft auch nicht zu den Daten aus dem Fossilbefund. Aus einem Beleg für Evolution wird so ein Problemfall.

Collins weist in seinem Buch auch darauf hin, dass „Genmutationen, die keine Funktion betreffen (zum Beispiel die ‘Junk-DNA’), sich über die Zeit stetig ansammeln“. Dies bestätige ebenfalls Darwins Theorie. Jedes Gen eines Lebewesens wird für eine bestimmte Aufgabe des Körpers benötigt. Bei der so genannten „Junk-DNA“ („DNA-Abfall“) handelt es sich dagegen um Teile des Erbguts, die keine speziellen Funktionen haben sollen. Wissenschaftler wie Collins argumentieren, dass sich dadurch in der Junk-DNA schädliche Mutationen ansammeln konnten. Hätte die Evolution nicht stattgefunden, so das Argument, gäbe es auch keinen „DNA-Abfall“. Neuere Forschungen zeigen jedoch, dass die für überflüssig gehaltenen Bereiche oftmals eine Funktion bei der Genregulation haben. Dass in verschiedenen Organismen verschieden viel „Junk-DNA“ gefunden wird, ist zunächst lediglich ein Befund. Erst im Rahmen der Evolutionstheorie kann man von „Ansammeln“ sprechen. Dann ist aber genau dies kein Hinweis für Evolution, da diese bereits als Voraussetzung fungiert. Außerdem ist die „Junk-DNA“ durchaus mikroevolutiv erklärbar. Das bedeutet, es handelt sich um Änderungen der DNA-Bausteine ohne Erwerb grundlegend neuer Funktionen.

Außerdem vertritt Collins die Ansicht, dass Unterschiede zwischen Mikroevolution und Makroevolution künstlich seien. Dieses Argument erläutert er aber nur mit dem Beispiel unterschiedlicher Panzerungen der Stichlinge. Collins meint, dass diese Fischart durch Evolution neue Strukturen erworben habe. Es ist jedoch ist wesentlich einfacher, anhand dieses Beispiels zu zeigen, dass die verschiedenen Panzerungen durch eine Mikroevolution von einem vielseitigen Grundtyp (geschaffene Art) ausgehend entstanden sind. Eine Makroevolution, die davon ausgeht, dass auch ganz neue Konstruktionen durch natürliche Prozesse entstanden sind, muss gerade hier nicht angenommen werden. Im Gegenteil, man kann dieses Beispiel als „Polyvalenz“ geschaffener Arten deuten. Polyvalenz bedeutet Flexibilität und programmierte Variabilität des Erbguts. Gemeint sind damit auch vorprogrammierte Anpassungsmöglichkeiten, die zum Teil durch Umweltreize ausgelöst werden.

Besonders stark für Evolution sprechen laut Collins vererbte Fehler im Erbgut. Er erläutert dies am Beispiel eines Gens, das bei Maus und Mensch in gleicher Weise verstümmelt sei. Das deute stark darauf hin, dass der betreffende Gen-Defekt vor der „Aufzweigung“ von Mensch und Maus im Rahmen der Evolution geschehen sein soll. Wenn aber die gemeinsame Abstammung nicht die Ursache für den vorliegenden Befund ist, stellt sich hier die Frage, wie der gemeinsame Fehler dann auf unabhängigen Wegen (in Maus und Mensch getrennt) entstanden ist. Dabei handelt es sich tatsächlich um ein starkes Indiz für Evolution. Es müsste allerdings untersucht werden, ob auch andere Tiere aus dem Abstammungskreis um Maus und Mensch dieses fehlerhafte Gen tragen, bevor ein eindeutiger Befund pro Evolution ausgesprochen wird. Jedenfalls sind für Collins Befunde wie diese Widerlegungen einer Erschaffung des Menschen und der Maus ex nihilo, „aus dem Nichts“. Es wird sich zeigen müssen, ob als alternative Erklärung gemeinsame Mechanismen für das Auftreten von Fehlern in Frage kommen und ob damit auch gemeinsame Fehler unabhängig voneinander entstanden sein könnten. Denkbar ist auch, dass es sich gar nicht um Fehler handelt, sondern dass die betreffenden Gene bislang noch unentdeckte Funktionen haben. Für diejenigen, die von einer getrennten Erschaffung von Grundtypen ausgehen, besteht hier Klärungsbedarf.

Anmerkungen zum Kapitel „BioLogos“

Collins plädiert für eine „theistische Evolution“, mag aber diesen Begriff nicht und spricht lieber von „BioLogos“. Während er den Mechanismus der Entstehung des Lebens als „unbekannt“ bezeichnet, hält Collins einen übernatürlichen Eingriff nicht für nötig, nachdem die biologische Evolution begonnen hatte. Obwohl Mensch und Affen gemeinsame biologische Wurzeln haben, seien die Menschen „in einer Weise einzigartig, für die es keine evolutive Erklärung gibt und die so auf unsere geistige Natur verweist“. Collins’ Ansatz läuft letztlich auf eine Art „vorprogrammierte Evolution“ aller Lebewesen hinaus. Er benennt zwar das (theologische) Gegenargument, dass die in der Evolution benutzte Methode „offensichtlich zufällig, potentiell mitleidlos und ineffizient“ ist, ohne jedoch darauf eine befriedigende Antwort zu geben. Seine Antwort, „die Evolution könnte für uns nach einem zufälligen Prozess aussehen, aber aus Gottes Perspektive wäre es ein Prozess mit einem genau definierten Ergebnis“, erscheint mir willkürlich; sie stellt sich dem aufgeworfenen Problem nicht. Collins ist es vielmehr wichtig aufzuzeigen, dass durch den Evolutionsprozess Menschen entstanden sind, die einen freien Willen besaßen. „Er (Gott) wusste außerdem, dass diese Kreaturen sich schließlich frei dem Sittengesetz unterordnen würden.“ Sätze wie dieser stehen in seinen Ausführungen irgendwie freischwebend im Raum.

Wie fast alle Christen, die für eine „theistische Evolution“ plädieren, befasst sich Collins nicht mit dem heilsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen Adam und Sündenfall einerseits und Jesus Christus und seiner rettenden Tat andererseits. Der Tod kommt durch die Sünde Adams und ist nicht ein Mechanismus der Evolution (Römer 5,12ff.); die Sünde ist Ungehorsam und nicht Resultat der Evolution; Jesus und Paulus bestätigen die Herkunft aller Menschen von einem ersten Menschenpaar (Matthäus 19,3ff.; Apostelgeschichte 17,26). Viele zentrale Aussagen des Neuen Testaments hängen mit den Schilderungen der biblischen Urgeschichte zusammen. Dass all diese grundlegenden Fragen nicht einmal angesprochen werden, ist ein immer wieder erstaunlicher Mangel, denn genau an dieser Stelle liegen die wichtigsten und schwierigsten Fragen bezüglich einer Synthese von Evolution und Schöpfung – ein Mangel, der auch durchgängig allen neueren kirchlichen Stellungnahmen zum „Kreationismus“ anhaftet.

Collins’ Buch ist dennoch insofern erfreulich, als es beispielhaft belegt, dass man als Spitzenwissenschaftler in der Biologie sehr wohl an Gott als Schöpfer glauben kann und dass ein Atheismus nicht aus der Naturwissenschaft folgt, sondern andere Wurzeln hat. Wie immer man zur „theistischen Evolution“ steht: Viele Teile von Collins’ Apologetik sind für alle hilfreich, die mit den üblichen Standardargumenten gegen die Existenz Gottes konfrontiert werden.