Reinhard Haupt, Stephan Schmitz (Hrsg.): „Digitalisierung: Datenhype mit Werteverlust?“
Ethische Perspektiven für eine SchlüsseltechnologieHolzgerlingen: SCM Hänssler, 2019, Paperback, 207 Seiten, 30 Abb.
Nachfolgend eine Rezension von Dr.-Ing. Joachim Spitzner:
Digitalisierung – Ideal oder Ideologie? Das ist die Spannweite, zu der sich hier etwa 10 hochkompetente Praktiker und Wissenschaftler auf gut 200 Seiten profund äußern. Es geht ihnen dabei einerseits um die großartigen Erfolge und Möglichkeiten von Big Data und KI in Wirtschaft und Verwaltung, andrerseits um bedenkenswerte Vorbehalte ethischer Art aus der Sicht von Christen.
Das Büchlein ist kein Kompendium für reine Technik-Freaks! Der Inhalt ist richtig spannend, denn es wird in den einzelnen 11 Aufsätzen der Einfluss moderner IT-Technik auf betriebliche Prozesse, auf ökonomische und auf gesellschaftliche Veränderungen beschrieben. Mögliche Zukunftsszenarien werden behandelt – z.B. in den Kapiteln über Autonomes Fahren, über die Digitalisierung der gesamten öffentlichen Verwaltung am Beispiel Estlands, über die „Rückeroberung“ des Dateneigentums durch Genossenschaften. Aber auch Entgleisungen, wie z.B. segnende Roboter oder die „Verschmelzung von Mensch und Maschine“, werden als Ausfluss der zunehmenden Säkularisierung gegeißelt.
Das Büchlein ist ein Kompendium für nachdenkliche Technik- und Menschen-Freunde! Den Herausgebern, Prof. Dr. Reinhard Haupt und Dr. Stephan Schmitz, sei Dank aus mindestens zwei Gründen: Sie haben hier eine weitgefächerte Gruppe von Verfassern zusammengeführt und haben das Ganze durch drei eigene Beiträge bereichert.
Zwei dieser Beiträge bilden die Einleitung und das Schlusskapitel des Büchleins. Daher seien sie hier besonders besprochen.
Die vielfältigen und so weitreichenden Anwendungen der IT sind möglich geworden durch den stürmischen Fortschritt der Hardware. Wie jede technische Errungenschaft haben sie jedoch zwei konträre Seiten – beispielsweise die Horrorvision des „gläsernen Kunden“ und das Idealbild einer höchst effektiven individualisierten Krankenversorgung. Die enorme Steigerung der Effizienz schafft Wohlstand, aber auch Abhängigkeiten und Stress.
Im Schlusskapitel wird Bilanz gezogen hinsichtlich Erfolg und Ethik der Digitalisierung. Für das Wirtschaftsleben gilt eindeutig: (überwiegend) erfolgreich! In der Arbeitswelt jedoch ergibt sich ein „gemischtes bzw. bedingt positives“ Bild für die Mitarbeiter. Dabei ist weniger der Wegfall von Arbeitsplätzen zu befürchten, sondern die radikale Änderung von Beschäftigungsbildern (Flexibilität, ständiges Umlernen). Der Schutz vor unbefugter Nutzung oder zu sorgloser Weitergabe von Daten wird uns weiterhin stark beschäftigen – in Rechtswesen, Verbrechensbekämpfung und Erziehung.
Der dritte Beitrag der beiden Herausgeber stammt allein von Dr. Stephan Schmitz, in leitender Position bei einer großen Aktiengesellschaft: „Christliche Perspektiven zur Führungsverantwortung in einem agilen Umfeld“. Die Art und Aufgabe der Führungsverantwortung ändert sich tiefgreifend: Lernbereitschaft, Teamfähigkeit und soziale Kompetenz werden mehr als bisher gefordert. Und immer häufiger ist „mit entscheidungsrelevanten Variablen zu jonglieren, ohne diese vollumfänglich zu kennen“. Von den Führungskräften muss eine positive, „proaktive“ Einstellung sowie eine visionäre und sinnstiftende Befähigung gefordert werden. Und gerade hierbei haben Christen mit ihrer festen Gründung einen besonderen Startvorteil. Sie kennen das Delegieren von Verantwortung, den Wert von Vertrauen, Verlässlichkeit und Ehrlichkeit. Zitat: „Der Frieden mit Gott ist der Schlüssel für ein erfülltes (Berufs-)Leben“. Christen sind nicht besser, aber sie haben‘s besser!
Das broschierte Büchlein hat handliches Format (13,5 mal 20,5 cm), gut lesbaren Druck auf reinweißem Papier, instruktive Graphiken und überschaubare Literaturverweise. Es kann jedem empfohlen werden, der achtsam die technikbasierten Chancen und Herausforderungen der digitalen Revolution erlebt.