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Ralf Isau: „Die Galerie der Lügen“

Bastei-Lübbe, 2007, 637 Seiten, Taschenbuch, € 8,95.

Nachfolgend eine Rezension von Hans-Bertram Braun:

Warum eine Rezension über einen bei Bastei Lübbe erschienenen Roman (die gebundene Erstausgabe erschien 2005 bei Ehrenwirth), hier bei Wort und Wissen? Noch dazu von einem Autor, der vorwiegend (allerdings nicht bei diesem Buch) Jugendliteratur verfasst? Nun, wahrscheinlich ist dieser Roman einzigartig, zumindest in der deutschsprachigen Literatur. Denn in „Die Galerie der Lügen“ wird nicht nur gut fundierte Evolutionskritik transportiert, verpackt in eine spannende Romanhandlung. Auch die Auseinandersetzung mit dem medizinischen Machbarkeitswahn ist hochaktuell, wenn man an die gegenwärtige Debatte um die Zulassung von Präimplantations-Diagnostik (PID) denkt.

Die Hauptfigur des Romans ist eine vehemente Kritikerin des Naturalismus, die, realistisch gezeichnet, unter der damit einher gehenden Anfeindung und Verunglimpfung leiden muss. Sie erkennt im Verlauf der Handlung, dass sie ironischerweise selber einen mensch­lichen Versuch darstellt, der Evolution auf die Sprünge zu helfen. Sie wurde geklont als Mischwesen zwischen Mann und Frau, als Hermaphrodit. Dies ist neben Evolution vs. Intelligent Design (ID) das zweite Thema, das Ralf Isau im Roman bearbeitet: Wie fühlt ein Mensch, der Frau und Mann zugleich ist? Und der von Menschen „erschaffen“, ausgelesen wurde, mit speziell erwünschten Eigenschaften (siehe PID)?

Der Roman handelt von einer Einbruchsserie in Museen, aus denen weltbekannte Meisterwerke gestohlen werden. Die Hauptperson wird als Verdächtige in den Fall verwickelt. Zusammen mit einem Versicherungsdetektiv versucht sie, das Muster hinter den Einbrüchen zu entschlüsseln, um weitere Diebstähle zu verhindern. Trotz explodierender Autobombe, Entführung, Spannung, Dramatik und einer (jugendfreien :-) Liebesgeschichte ist der Roman kein typischer Thriller. Denn vor allem in den Diskussionen zwischen der Verdächtigen und dem Detektiv werden viele evolutionskritische Inhalte transportiert. Diese Argumente für ID und gegen den Naturalismus, die Ralf Isau seiner Hauptperson in den Mund legt, kommen jemandem, der die Literatur und Medien von Wort und Wissen kennt, sehr bekannt vor. Und tatsächlich sind W+W, Genesisnet und entsprechende einschlägige Literatur (an erster Stelle „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“) auf Ralf Isaus Homepage verlinkt (www.isau.de/werk/luegengalerie.html). Der Autor hat gründlich recherchiert, und er argumentiert, ganz à la W+W, sachlich und genau, wenn er auch nicht hinter einer biblischen Kurzzeit-Perspektive steht. Aber auch die inneren Nöte der Hauptperson, die sich als Hermaphrodit nicht preisgeben will, werden feinfühlig dargestellt, ebenso ihr Seelenzustand, während sie erkennt, dass sie das Resultat eines Experiments ist, und zwar nicht nur als Einzelne, sondern als eine von vielen Klonen. Im Bestreben, die evolutionskritischen Inhalte rüberzubringen, sind die Dialoge vielleicht etwas lang geraten, und auch die Entschlüsselung der versteckten Botschaft mag nicht jedem vollkommen logisch erscheinen. Der Roman ist wirklich Mittel zum Zweck, was auch im Nachwort des Romans und auf der Homepage des Autors deutlich wird: „Die Galerie der Lügen“ stellt Ralf Isaus Versuch dar, Leser zum Nachdenken darüber zu bringen, ob Evolution wirklich die bewiesene, unhinterfragbare Tatsache ist, als die sie uns präsentiert wird. In seinem Nachwort schreibt er: „Albert Einstein sagte: ,Wenn die meisten sich schon armseliger Kleider und Möbel schämen, wie viel mehr sollten wir uns da erst armseliger Ideen und Weltanschauungen schämen.’ Auch um mich vor meinen Kindeskindern nicht schämen zu müssen, habe ich dieses Buch geschrieben … .“

„Die Galerie der Lügen“ ist ein spannendes Buch, ein Roman hinter dessen Werten man stehen kann. Und er kann als Denkanstoß dienen, vor allem für Menschen, die von einem reinen Sachbuch zum Thema nicht angesprochen werden, seien es Erwachsene oder ältere Jugendliche.

Das Buch ist vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.