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Wissenschaftstheorie & Philosophie

16.04.10 Naturwissenschaft und Naturgeschichte

Hat die Erforschung der Naturgeschichte eine Sonderstellung gegenüber Naturwissenschaft? Haben schöpfungstheoretische Ansätze einen legitimen Platz in der Wissenschaft? Beides wird häufig bestritten und damit Schöpfungshypothesen und grundsätzliche Kritik an Evolutionstheorien per se als unwissenschaftlich disqualifiziert.

Bei der Verhältnisbestimmung von „Schöpfung” und „Naturwissenschaft” geht es um Ursprungsfragen. Ursprungsforschung benötigt zwar die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung, ist aber dort, wo sie unvoreingenommen geschieht, mehr als klassische Naturwissenschaft. Denn für die Beantwortung der Frage, welchen Ursprung das Leben hatte, ist die Einengung auf ‚natürliche Faktoren’ nicht zu rechtfertigen, wenn ergebnisoffen vorgegangen wird. Schöpfung ist willentliche, zielorientierte Handlung, sie lässt sich nicht oder wenigstens nicht ausschließlich mit Naturgesetzen verstehen oder aus Naturgesetzen plus Randbedingungen ableiten. Eine ergebnisoffene Forschung darf die Möglichkeit von „Schöpfung” nicht vornherein ausschließen.

Martin Neukamm bestreitet in einem Beitrag des Sammelbandes „Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus” die Sonderstellung naturhistorischer Forschung, sie sei nicht anders als andere Naturwissenschaft. Seine Kritik begründet er wie folgt:

  1. Sowohl Naturwissenschaft als auch Geschichtswissenschaft haben keinen direkten Zugang zu ihrem Forschungsgegenstand.
  2. Historische Evolutionstheorien erlauben gleichermaßen Vorhersagen wie solche Theorien, die gegenwärtige Prozesse beschreiben.
  3. In den Naturwissenschaften fallen „Wie”-Fragen und „Woher-Fragen” im Falle von Ursprungsfragen zusammen.

In einem Artikel von Thomas Jahn, Reinhard Junker und Markus Widenmeyer, der bei „Wort und Wissen” veröffentlicht wurde, wird Neukamms Argumentation erläutert und kritisch analysiert. Es wird gezeigt, dass seine Argumentation in vielerlei Hinsicht fehlerhaft ist. Neukamm gleicht die Naturwissenschaft unsachgemäß der Geschichtswissenschaft an (nicht umgekehrt) und vermischt zwei Gründe bzw. Begriffe für „Nichtbeobachtbarkeit” (bestimmte Entitäten oder Prozesse sind nicht direkt beobachtbar, weil sie nicht direkt zugänglich sind oder aber diese Entitäten und Prozesse existieren gar nicht). Der Rückgriff auf mutmaßliche „verborgene Gesetzmäßigkeiten” ist nur ein Eingeständnis, dass man die Phänomene mit den bekannten Gesetzen derzeit nicht erklären kann. Weiter wird gezeigt, dass zwischen Retrodiktionen historischer Theorien und echten Prognosen naturwissenschaftlicher Theorien trotz mancher formaler Gemeinsamkeiten große Unterschiede bestehen. Und Neukamms Beispiele, die zeigen sollen, dass Wie- und Woher-Fragen zusammenfallen, sind allesamt untauglich, da es sich bei ihnen um bloße Gesetzmäßigkeiten handelt, die mit einmaligen historischen Prozessen nicht vergleichbar sind. Diese und weitere Kritikpunkte werden ausführlich erläutert und begründet. Der Artikel kann hier heruntergeladen werden: https://www.wort-und-wissen.org/wp-content/uploads/fadenkreuz-wissenschaftstheorie.pdf (PDF, 11 Seiten, 205 KB).

 

Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen

 

© 2010, http://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/n146.php

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19.06.09 Evolution und Geist

Benötigt man das Evolutionsparadigma, um naturwissenschaftliche Forschung betreiben zu können? Im Newsbeitrag „Nur Sinn im Licht der Evolution?“, https://www.genesisnet.info/index.php?News=124 wurde dies mit wissenschaftstheoretischen Gründen verneint. Dass diese Einschätzung zutrifft, macht ein Nature-Artikel deutlich, der sich der Frage widmet „Can evolution explain how mind works?“ (Kann Evolution erklären, wie Geist / Verstand funktioniert?) (Bolhuis & Wynne 2009). Die Autoren beginnen mit der Feststellung, dass gar nicht klar sei, welche Zusammenhänge zwischen der Theorie Darwins und der Erforschung des Erkenntnisvermögens bestünden. Arten gleicher Abstammung sollten ähnliche Fähigkeiten ihres Erkenntnisapparats besitzen; auch Charles Darwin habe sich dieses Arguments bedient.1 Doch die Realität sehe nicht so einfach aus.

Vielmehr zeige sich, dass viele kognitive Fähigkeiten konvergent entstanden sein müssen, wenn man Evolution voraussetzt. Das heißt: Es zeigen sich Ähnlichkeiten im Verhalten nicht näher verwandter Arten, so dass eine mehrfach unabhängige Entstehung angenommen werden muss.2

So berichten Bolhius und Wynne, dass Vögel zu Leistungen fähig sind, die die Fähigkeiten von Affen übertreffen. Beispielsweise reiben Krähen ihre Schnäbel aneinander, wenn eine von ihnen in einer Auseinandersetzung mit einem anderen Vogel war. Ein vergleichbares Verhalten bei Schimpansen würde man als Tröstung bezeichnen. Außerdem gebe es Hinweise auf Ichbewusstsein bei Vögeln. Kaledonische Krähen übertreffen Affen in ihrer Fähigkeit, schwer zugängliche Nahrung aus einer Röhre zu ergattern.3

Seit Jahrzehnten wird versucht, Affen eine einfache Form der Sprache beizubringen, aber Linguisten seien sich darin einig, dass die Fähigkeiten von Schimpansen und Bonobos nicht als Sprache gelten können (Bolhuis & Wynne 2009). Eine Voraussetzung für Sprache ist die Fähigkeit zur Nachahmung. Während viele Papageien und Singvögel darin Meister sind, zeigen unsere Primaten-Vettern dazu keine Neigung. Darüber hinaus erfolgt das Erlernen des Singens bei Vögeln auf eine ähnliche Weise wie das Erlernen des Sprechens bei Kindern.

Die Autoren ziehen die Schlussfolgerung, dass das unabhängige Auftreten ähnlicher Fähigkeiten in entfernt verwandten Arten zeige, dass kognitive Fähigkeiten nicht in einer Skala evolutionärer Verwandtschaft angeordnet werden können. Evolution ist nicht der Schlüssel zum Verständnis.

Geschichte der kognitiven Fähigkeiten ist nicht erforschbar. Die Autoren stellen auch fest, dass es extrem schwierig wenn nicht unmöglich sei, die Faktoren herauszufinden, die zur Herausbildung der heutigen Fähigkeiten geführt haben. Mehr als Vermutungen anzustellen sei hier nicht möglich.4 Evolutionäre Analysen seien durchgeführt worden, um Fragen in Angriff zu nehmen, für die sie schlecht geeignet seien. „Evolutionäre Untersuchungen können jedoch nicht klären, wie Tiere eine bestimmte Fähigkeit erlangten, weil es sich um Erforschungen der Geschichte handelt.“ Als Beispiel nennen die Autoren das Verhalten mancher Vögel, Nahrung zu bevorraten. Manchmal zeigen nah verwandte Arten hier ein sehr unterschiedliches Verhalten. Es konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Gehirns und dem Verhalten der Nahrungsmittel-Bevorratung nachgewiesen werden.

Fazit. Die Studien über kognitive Fähigkeiten bei Tieren zeigen, dass funktionelle Aspekte zu deren Verständnis genügen, während evolutionäre Zusammenhänge kaum prüfbar sind oder den Erwartungen sogar widersprachen. Etwas überraschend schreiben die Autoren, es gebe bei der Erforschung der Geschichte kognitiver Fähigkeiten keinen Grund, von vornherein anzunehmen, dass das Auftreten von Konvergenzen (s. o.) wichtiger sei als gemeinsame Abstammung oder umgekehrt. Das heißt aber nichts anderes, dass in diesem Fall Ähnlichkeiten in Bezug auf evolutionäre Verwandtschaft kein aussagekräftiges Indiz darstellen – ganz im Gegensatz zur üblichen Gepflogenheit, wonach die neuesten entdeckten Ähnlichkeiten als neueste Belege für gemeinsame Abstammung gewertet werden. Ähnlichkeiten als Ausdruck ähnlicher Erfordernisse ist andererseits aus der Schöpfungsperspektive eine naheliegende Option. Bolhuis & Wynne haben diese Option natürlich nicht auf der Rechnung, aber ihrem Schlusssatz kann man uneingeschränkt zustimmen: „Für den Fortschritt der vergleichenden Psychologie müssen wir tierisches und menschliches Bewusstsein empirisch (= an der Erfahrung orientiert) untersuchen, ohne naive evolutionäre Vorannahmen.“5 Nichts macht Sinn außer im Lichte der Evolution?

Literatur

Bolhuis JJ & Wynne CDL (2009) Can evolution explain how minds work? Nature 458, 832-833.

Anmerkungen

1 „In The Descent of Man, Darwin proposed that there is ‘no fundamental difference between man and the higher mammals in their mental faculties’ on the basis of his belief that all living species were descended from a common ancestor.“

2 „In other words, evolutionary convergence may be more important than common descent in accounting for similar cognitive outcomes in different animal groups.“

3 Das Experiment ist bei YouTube zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=M52ZVtmPE9g

4 „Without being able to reconstruct the mind of our hunter-gatherer predecessors, we can only guess at the selection pressures they faced.“

5 „For comparative psychology to progress, we must study animal and human minds empirically, without naive evolutionary presuppositions.“

Autor dieser News: Reinhard Junker

© 2009, http://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/n132.php

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27.05.05 Neue Artikel zu aktuellen wissenschaftstheoretischen Fragen

Die Auseinandersetzung um Schöpfung und Evolution spielte sich in den letzten Jahren häufig auf wissenschaftstheoretischem Gebiet ab. Gegner des Schöpfungsparadigmas (Paradigma = Leitanschauung) versuchen, alternativen Ansätzen im wissenschaftstheoretischen Vorfeld das Wasser abzugraben. Schöpfungsansätze seien wissenschaftlich belanglos, unfruchtbar, ja sogar für den Wissensfortschritt hinderlich und hätten daher im Wissenschaftsbetrieb nichts zu suchen.

In zwei neuen Artikeln wird auf wissenschaftstheoretische Fragen eingegangen. Zum einen geht es allgemein darum, wie vergangene Abläufe rekonstruiert werden können und welche Grenzen dieser Forschung gesetzt sind. Zu diesem Thema ist nun ein Experten-Artikel erschienen, in welchem auch auf aktuelle Diskussionspunkte eingegangen wird („Methodik der historischen Forschung“, https://www.genesisnet.info/index.php?Artikel=40462&Sprache=de&l=2). Trotz formaler Ähnlichkeiten von Theorien über Vergangenheit mit Theorien über Gegenwartsprozesse weisen historische Rekonstruktionen eine Reihe von Besonderheiten gegenüber der Erforschung von Gesetzmäßigkeiten gegenwärtig ablaufender Prozesse auf. Dies hat Konsequenzen für die wissenschaftstheoretische Bewertung von Evolutionstheorien, aber auch für die Beurteilung von Theorien, die im Rahmen des Schöpfungsparadigmas aufgestellt werden. Der Artikel zieht folgendes Fazit:

  • Historische Theorien können kaum strikt falsifiziert werden, da es nur schwer möglich ist, strikt verbotene Aussagen zu formulieren.
  • Historische Theorien sagen bestimmte zu beobachtende Daten in der Regel nicht eindeutig voraus, sondern können meist nur ungefähre Erwartungen angeben. Die Daten werden gewöhnlich erst im Nachhinein im Rahmen historischer Theorien gedeutet.
  • Historische Theorien können nur auf Plausibilität untersucht werden; dabei können subjektive Einschätzungen nicht ausgeschaltet werden. In der Praxis bemühen sich die Wissenschaftler daher um Verifizierung im Sinne einer Plausibilitätssteigerung.
  • Historische Theorien können nicht völlig von Mechanismenfragen abgekoppelt werden.
  • Aus erfolgreichen Tests untergeordneter spezieller Hypothesen ergibt sich keine logisch zwingende Bestätigung des zugrunde liegenden Paradigmas, sondern lediglich eine Stärkung der Plausibilität.

Im zweiten neuen Artikel geht es um den wissenschaftstheoretischen Status des Evolutionsparadigmas und von Evolutionstheorien („Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft“, https://www.genesisnet.info/index.php?Artikel=40464&Sprache=de&l=1). Diesen Artikel gibt als Interessierten- und Expertentext. Er schließt an den Artikel „Methodik der historischen Forschung“ (https://www.genesisnet.info/index.php?Artikel=40462&Sprache=de&l=1) an. Folgende Schlussfolgerungen werden gezogen:

  • Das Evolutionsparadigma kann nicht strikt falsifiziert werden, da es kaum möglich ist, strikt verbotene Aussagen zu formulieren.
  • Das Evolutionsparadigma sagt bestimmte zu beobachtende Daten in der Regel nicht eindeutig voraus, sondern kann meist nur ungefähre Erwartungen angeben. Die Daten werden erst im Nachhinein im Rahmen des Evolutionsparadigmas gedeutet.
  • Das Evolutionsparadigma kann nur auf Plausibilität untersucht werden; dabei können subjektive Einschätzungen nicht ausgeschaltet werden. In der Praxis bemühen sich die Evolutionsforscher daher um Verifizierung im Sinne einer Plausibilitätssteigerung,
  • Das Evolutionsparadigma kann nicht völlig von Mechanismenfragen abgekoppelt werden.
  • Tests bestimmter Evolutionstheorien sind nicht logisch zwingend zugleich auch Tests auf das zugrunde liegende Evolutionsparadigma. Erfolgreiche Tests steigern aber die Plausibilität des Paradigmas.

Diese Schlussfolgerungen werden ausführlich begründet. Im Expertenteil wird auch auf andere Auffassungen kritisch eingegangen. Weitere Artikel, in welchen die hier erläuterten Sachverhalte auf Vorgehensweisen im Rahmen des Schöpfungsparadigmas angewendet werden, sind in Vorbereitung.

Autor dieser News: Reinhard Junker

© 2005, http://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/n38.php

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