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H. Hemminger: „Und Gott schuf Darwins Welt“

Der Streit um Kreationismus, Evolution und Intelligentes Design.
Gießen: Brunnen, 2009.


Nachfolgend eine Rezension von Reinhard Junker und Henrik Ullrich:

Hansjörg Hemminger, habilitierter Biologe und Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, ist als Kritiker des Kreationismus im Allgemeinen und der SG Wort und Wissen im Besonderen bekannt. Ende 2007 veröffentlichte er bereits eine ausführliche Streitschrift „Mit der Bibel gegen die Evolution“ (EZW-Text Nr. 1951). Viele Teile von Hemmingers neuem Buch entsprechen dem EZW-Text oder sind ihm ähnlich, so dass zunächst auf unsere diesbezügliche Stellungnahme verwiesen werden soll.2 Alle dort angeführten fachlichen Kritikpunkte bleiben in Hemmingers Buch unbeachtet; die kritisierten Ausführungen werden weitgehend unverändert wiederholt (z. B. ab S. 96, ab S. 132 und ab S. 140). Dies ist insofern konsequent, als Hemminger ebenfalls wiederholt: „Die Abstammungstheorie lässt sich vernünftigerweise und in Kenntnis ihrer „Dokumente“ nicht bestreiten, sofern man der menschlichen Vernunft überhaupt zutraut, rationale Erklärungen für Naturvorgänge zu finden. Eine wissenschaftliche Diskussion über diese Frage ist überflüssig“ (S. 103). Die Evolutionstheorie ist also für Hemminger nicht mehr hinterfragbare Grundlage für die Diskussion der Beziehung von christlichem Glauben und Naturwissenschaft. Der Kritik an dieser Position stellt er sich in diesem Buch praktisch nicht.

In dem Buch „Und Gott schuf Darwins Welt“ geht Hemminger zunächst auf aktuelle öffentliche Auseinandersetzungen über den Kreationismus unter der Überschrift „Kreationismus im Aufwind“ ein.3 Es folgt ein Blick in die Geschichte des Verhältnisses von „Bibeltext und Weltwissen“. Das dritte Kapitel „Die Bibel und die Angst vor der modernen Welt“ bringt weitere historische Betrachtungen, stellt verschiedene Formen des Kreationismus und die Sintflut-Geologie vor, und es wird die Situation in Deutschland und die SG Wort und Wissen behandelt. In den weiteren Kapiteln wird die Evolutionstheorie erläutert und es werden einige Inhalte des Kreationismus und des Intelligent-Design-Ansatzes kritisiert. Es folgt ein Kapitel „Wissenschaft und Ideologie“, in welchem vor allem atheistische Ideologien kritisch beleuchtet werden, und schließlich das Thema „Perspektiven für das Gespräch mit der Naturwissenschaft“.

Die folgende Stellungnahme zu Hemmingers Buch erfolgt aus der Sicht der Studiengemeinschaft Wort und Wissen, auf deren Arbeit der Autor an vielen Stellen eingeht. Auf dem Klappentext wird dem Leser unter anderem versprochen, dass er nach Lektüre des Buches Bescheid weiß, welche prägende Rolle die Studiengemeinschaft Wort und Wissen in Europa einnimmt.

Das ganze Buch durchzieht ein grundlegender kategorialer Fehler: Hemminger setzt die Akzeptanz des Evolutionsparadigmas mit der Akzeptanz von Naturwissenschaft gleich. Diese Gleichschaltung ist aus mehreren Gründen sachlich falsch. Auch ohne das Paradigma Evolution gelang und gelingt eine erfolgreiche Naturwissenschaft. Evolutionsforschung, als methodisches Instrument, nutzt zwar wie jede Ursprungs- und Naturgeschichtsforschung naturwissenschaftliche Elemente, ist aber keine reine Naturwissenschaft, sondern eine historische Wissenschaft mit dem Ziel der Rekonstruktion von Naturgeschichte. Die falsche wissenschaftstheoretische Weichenstellung erfolgt bereits auf der ersten Seite anhand eines kommentierten Briefes und durchzieht das ganze Buch. Dazu nur einige Beispiele: Der Schöpfungsglaube habe für den Kreationismus nur dann eine vernünftige Grundlage, wenn man die Naturwissenschaft verwerfe (S. 17). „Der Streit mit der Naturwissenschaft konzentriert sich auf die Biologie, …“ (S. 70). Wort und Wissen sehe sich „in der Pflicht, große Teile der Naturwissenschaft, bis hin zur Geologie und Physik, pauschal abzulehnen“; Wort und Wissen sei zur „Feindschaft mit der Wissenschaft“ gezwungen (S. 85). „Kreationist“ und „Naturwissenschaftler“ werden in einen Gegensatz gebracht (S. 86). „Denn ein Glaube, der sich gegen die Wissenschaft wendet, ist ein Glaube, der sich selbst missversteht“ (S. 161). „Die Naturwissenschaft wird grundsätzlich als Problem für den Glauben gesehen mit der stillschweigenden Folgerung, dass die Christenheit ohne moderne Naturwissenschaft besser dran wäre“ (S. 183). Man zahle den „Preis einer falschen Frontstellung gegen die Wissenschaft“ (S. 189).4

Immer wieder erscheint Naturwissenschaft oder Wissenschaft in Hemmingers Buch faktisch als etwas objektiv Vorgegebenes, völlig unabhängig von subjektiven Elementen, wie ein absoluter Maßstab, der das weitere Denken und das Wie des Glaubens bestimmt. Speziell der Naturwissenschaft wird damit ein Stellenwert und eine Qualität zugebilligt, die ihr nicht zukommen. Zum einen, weil sie „nur“ ein Werkzeug ist, mit dem man unter der Leitung verschiedener Paradigmen Daten gewinnen und „Wie“-Fragen beantworten kann. Sie ist aber kein Werkzeug, mit dem alleine Ursprungsfragen („Woher“-Fragen) sicher beantwortet werden können. Zum anderen, weil Naturwissenschaft von Menschen betrieben wird, die in einem soziokulturellen Kontext stehen, und daher weder wertfrei noch voraussetzungslos mit den Fakten und ihrer Interpretation umgehen. Auch der Verweis auf den methodischen Reduktionismus hebt diese Zusammenhänge nicht auf. Insbesondere in der Ursprungsfrage sind weltanschaulich geprägte Vorgaben, in denen die naturwissenschaftliche Praxis eingebettet ist, unvermeidlich und erweisen sich als motivierende Faktoren in der Forschung.

Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen hat sich zu ihrem Verhältnis zur Naturwissenschaft klar positioniert.5 Kein Wort dazu von Hemminger.6 Wer Wort und Wissen kennt, weiß, dass die Ergebnisse der Naturwissenschaft erst genommen werden, so ernst, dass die daraus folgenden eigenen offenen Fragen angesichts des momentanen naturwissenschaftlichen Kenntnisstandes ausdrücklich formuliert werden.

Mit der Behauptung, Wort und Wissen sei „Feind der Wissenschaft“, formuliert Hemminger einen schwerwiegenden, unberechtigten Vorwurf. Schwerwiegend ist dieser Vorwurf, weil er dazu beiträgt, dass die Studiengemeinschaft und die von ihr vertretene traditionelle christliche Sicht (direkte Schöpfung durch Gottes Wort) in der Öffentlichkeit in den Zusammenhang von Wissenschaftsfeindlichkeit und sogar Demokratiefeindlichkeit gerät, wie es in den letzen Jahren in vielen Pressetexten zum Ausdruck gebracht wurde.7 Diese Entwicklung müssen Christen mit Sorge zur Kenntnis nehmen, zumal keineswegs nur „Kreationisten“ Zielscheibe dieser unerhörten Unterstellung sind. In Wirklichkeit ist der ganz überwiegende Teil aktueller wissenschaftlicher Forschung von der Ursprungsfrage völlig unberührt. Die Diskussion um Evolution, Design und Kreationismus berührt gerade diejenigen Wissenschaftsfragen überhaupt nicht, von deren Ergebnissen unsere Gesellschaft z.B. in Medizin und Technik profitiert. Zudem geht der Fortschritt der Wissenschaft keineswegs automatisch mit einem Fortschritt in Ursprungsfragen einher! Die Unterstellung, Wort und Wissen sei wissenschaftsfeindlich, ist eine Herabwürdigung, die ein Feindbild erzeugt, aber keinerlei sachliche Grundlage hat.

Die feste Verknüpfung von Naturwissenschaft mit dem Evolutionsparadigma führt zum zentralen antikreationistischen Motiv Hemmingers: Kreationismus sei ein Hindernis für den Glauben (S. 78) und würde es den religionsfeindlichen Ideologen leicht machen, gegen den Glauben zu polemisieren. „Machen wir es ihnen in Gottes Namen schwer“ (S. 65; vgl. auch S. 95 und Anm. 7). Doch der Preis, den Hemminger dafür zahlt, ist hoch: das in der Bibel gegebene Wort Gottes geht als Maßstab verloren zusammen mit den Inhalten, die es als Christ zu bezeugen gilt. Darauf kommen wir im Folgenden zu sprechen.

Theologische Fragen

Nur an wenigen Stellen geht Hemminger auf die theologische Problematik einer Schöpfung durch Evolution ein. Er erwähnt auf S. 84ff. die Rechtfertigungsbotschaft des Neuen Testaments und den Zusammenhang zwischen Adam und Christus. Diesem Argument gesteht er theologische Ernsthaftigkeit zu, behauptet dann aber, dass sich dahinter ein „fundamentalistisches Schriftverständnis“ verberge, „das die Bibel zur Norm für historische und naturwissenschaftliche Fragen macht, weit jenseits der Glaubensaussagen und ohne einen Zusammenhang mit ihnen“ (S. 85). Hemminger fährt fort: „Denn warum sollte es ein Problem sein, dass Paulus im Römerbrief seine Botschaft vom alten Menschen, für den Adam steht, und vom neuen Menschsein in Christus mithilfe der geschichtlichen und naturkundlichen Vorstellungen seiner Zeit formuliert?“ Die Antwort auf diese rhetorische Frage ist: Paulus verknüpft ausdrücklich den historischen Adam mit dem historischen Jesus und seinem Heilswerk. Die Aussagen des Apostels machen keinen Sinn, wenn Adam keine historische Person war. Wenn aber Hemminger meint, dass es die Person Adam als ersten Menschen nicht gegeben hat, dann hat sich Paulus geirrt. Folglich ist eine damit gekoppelte zentrale Aussage des Neuen Testaments in Frage gestellt. Warum lenkt Hemminger von diesem zentralen theologischen Tatbestand den Leser durch das Kampfwort „Fundamentalismus“ ab?

Diese Thematik wurde an anderen Stellen vielfach ausführlich behandelt.8 Hemmingers Auseinandersetzung damit beschränkt sich aber nur auf die Formulierung einiger rhetorischer Fragen. Seine Behauptung, die Paulusworte im Römerbrief würden von Wort und Wissen „historisierend“ gedeutet, stellt den Sachverhalt auf den Kopf. Es ist exegetisch klar: Paulus versteht Adam genauso als historische Person wie Jesus Christus, denn der Apostel stellt Adam und Christus einander gegenüber.9 Hemmingers Hinweis, es sei „häufige Auslegung“, dass Adam das Menschsein an sich meine (S. 84), wird nicht belegt. Bei Römer 5,12ff. ist die Deutung „Adam = Menschheit“ exegetisch ohnehin nicht möglich. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit theologischen Argumenten sieht anders aus.

Darüber hinaus muss man Hemminger und viele andere gleichlautende Stimmen fragen, was denn die Aussage des Paulus in Römer 5,12ff. in einer evolutiven Welt überhaupt beinhalte. Was soll es heißen, dass Jesus für die Sünde der Menschen gestorben ist, wenn Sünde ein Evolutionsprodukt ist? Die oben zitierte rhetorische Frage („Denn warum sollte es ein Problem sein, …“) beinhaltet keine Antwort. Genauso muss man bei der folgenden Auffassung nachfragen: „Die Symbolik dieser Geschichte [gemeint ist die Paradieseserzählung in Genesis 2] zielt nicht auf die Idee einer goldenen Urzeit, sondern auf die einer ungebrochenen Gottesbeziehung des Menschen, die verloren ging“ (S. 86). Mit der Alternative „… nicht …, sondern…“ wird ein falscher Gegensatz aufgebaut, denn beides trifft nach dem Bibeltext zu. Und wie soll eine Gottesbeziehung entstanden und verloren worden sein im Rahmen einer Evolutionsgeschichte, die über ausgestorbene Menschenaffen und ein Tier-Mensch-Übergangsfeld zu primitiven Menschen und schließlich zu uns Heutigen führt? Darauf erhält man in Hemmingers Buch keine Antworten.

Was tut Gott als Schöpfer?

„Wenn das Medikament den Kranken gesund gemacht hat, was hat Gott noch damit zu tun?“ (S. 6) Und: „Aus medizinischer Sicht entsteht das einmalige menschliche Individuum jedoch durch einen absichtslosen Naturprozess“ (S. 7).10 „In den Theorien der Fortpflanzungsmedizin und der Genetik kommt Gottes Handeln nicht vor.“ Dennoch brauchen wir keine andere Medizin, „die feststellt, wann und wo Gott in den Prozess der Reifeteilung und Insemination eingreift“ (S. 7). Mit diesen Vergleichen wirbt Hemminger dafür, deshalb auch keinen Gegensatz zwischen dem natürlichen Evolutionsprozess und Gottes Schöpfungshandeln zu sehen. „Wenn wir Gott als den Schöpfer bekennen, erkennen wir die Phylogenese als Ausdruck von Gottes Schöpferwillen“ (S. 160).

Hier erfolgt neben der Gleichsetzung von Naturwissenschaft und Evolution eine zweite falsche Weichenstellung durch Hemminger. Gottes Schöpfungshandeln am Anfang (creatio originalis, creatio specialis) wird qualitativ mit Gottes erhaltendem Handeln (creatio continua) gleichgesetzt. Es ist zwar in der Tat eine vielfache Aussage der Bibel, dass Gott in allen Dingen wirkt, auch in den regelhaften. „Ich glaube, das Gott mich geschaffen hat samt allen Kreaturen“ (Luther). Aber er wirkt nicht nur so. Es ist nämlich ein ebenso klares Zeugnis der Heiligen Schrift, dass Gott direkt eingreift, dass er auf eine Weise schöpferisch tätig ist, die regelhafte Abläufe sprengt und grundsätzlich Neues aus nicht Vorhandenem entstehen lässt. Neben der Schöpfung am Anfang (Gen 1-2) denke man an die Totenauferweckungen Jesu, an augenblicklich erfolgende Heilungen durch sein Wort, an das Brotwunder oder die augenblickliche Stillung des Sturms – und an die von den Autoren des Neuen Testaments daraus gezogene Schlussfolgerung, dass sich darin Jesus als Gottes Sohn offenbart. Gott spricht und es geschieht (Ps 33,9); das ist mehr als sein verborgenes Wirken in den normalen Abläufen des Lebens. Gott ist in seinem Handeln nicht an natürlich ablaufende Vorgänge gebunden. Bei der Lektüre von Hemmingers Buch gewinnt man einen anderen Eindruck: Jeder gegenständliche Bezug des Schöpfungshandelns Gottes verschwindet hinter allgemeinen unkonkreten Formulierungen.

Gottes Schöpferwirken kann man mit Naturwissenschaft nicht beweisen, aber umgekehrt muss die Frage erlaubt sein, wie sich Gottes Schöpfermacht in der gegenständlichen Welt zeigt.

Hemminger wirft eingangs die Frage auf: „Was bedeutet es, über das Ganze von Welt und Wirklichkeit zu sagen, Gott habe alles geschaffen?“ (S. 8) Darauf gibt es im ganzen Buch nur die Antwort, dass die Ergebnisse der Naturwissenschaft aus christlicher Sicht als „Schöpfung“ interpretiert werden müssen. „Wenn mit gleicher Leidenschaft in die moderne Welt hinein von Gott als Schöpfer gesprochen würde, und dies mit anstatt gegen die Wissenschaft, hätte der Kreationismus nicht mehr viele Chancen, und Atheisten hätten einen echten Gesprächspartner“ (189). Das ist eine Mogelpackung, denn was bleibt als Inhalt von „Schöpfung“? Es genügt nicht, einfach nur das, was im Rahmen einer evolutiven Weltsicht als Geschichte des Kosmos beschrieben wird, kurzum mit dem Etikett „Schöpfung“ zu versehen. Was wäre das mehr als nur das fünfte Rad am Wagen? Oder: „Da die Welt aus der Sicht des christlichen Glaubens insgesamt in Gottes Hand liegt und der Geist Gottes ständig in ihr wirkt, spricht nichts dagegen, an Stelle der Formel „Ausdruck des Ganzen“ die biblische Formel „Wille Gottes“ zu setzen – beim Unfall nicht und in der Stammesgeschichte nicht. Man muss sich nur darüber im Klaren sein, dass man die naturwissenschaftliche Theorie damit weltanschaulich deutet und dass auch andere Deutungen logisch zulässig sind“ (S. 160). Gottes schöpferisches Handeln liegt auf einer für die Naturwissenschaft nicht greifbaren Ebene: „Dass die Selektionsvorstellung häufig als Widerspruch zum Schöpfungsglauben verstanden wird, und zwar von Nichtchristen und Christen, beruht darauf, dass sie scheinbar einen plan- und absichtslosen Naturprozess an die Stelle Gottes setzt. In Wirklichkeit liegen die beiden Aussagen nicht auf einer Ebene und können sich nicht widersprechen. Erinnern wir uns an das Beispiel aus dem Vorwort, an die Zeugung eines Kindes“ (S. 161). Wieso ein auf der empirischen Ebene zielloser Prozess dennoch zugleich ein schöpferischer und damit zielorientierter Prozess sein soll, in dem sich der Wille Gottes manifestiert, ist jedoch durch diesen Vergleich in keiner Weise beantwortet. Der Vergleich mit der Embryonalentwicklung hilft hier nicht weiter, weil diese zielgerichtet (teleologisch) erfolgt.

Hemminger räumt ein, dass hier Probleme offen bleiben: Auf die Fragen „Wie passt das Dunkel der langen Zeit, in der Menschen die Erde bewohnten, mit der Geschichte von Adam und Eva zusammen, mit dem Sündenfall und dem Brudermord des Kain? Wie ist der Mensch, wenn er doch Geschöpf Gottes ist, aus der Freundschaft mit Gott herausgefallen (oder ausgebrochen) und in die Einsamkeit und Not geraten, in der sich die Menschheitsgeschichte ereignet?“ und auf weitere Fragen dieser Art antwortet er: „Wir wissen es nicht“ (S. 187). Es stellt sich aber hier die Frage, ob es darauf überhaupt eine Antwort geben kann. Wenn Evolution wahr ist, dann sind Sündenfall, Brudermord und die anderen Geschehnisse der biblischen Urgeschichte nicht nur nicht passiert, sondern können auch in einem bildhaften Sinne nicht aufrechterhalten werden. Die Sünde des Menschen kann dann eben nicht mehr Abkehr vom Schöpfer bedeuten; denn worin sollte diese bestehen, wenn der Mensch ein evolutiv entwickeltes Tier ist und sein ganzes Wesen einschließlich seiner Sündhaftigkeit aus den Gesetzmäßigkeiten der Evolution heraus zu verstehen ist?

Ähnliche Fragen stellen sich bei der Sintflutgeschichte: „Der Versuch, die Sintflut zu einem naturgeschichtlichen Faktum zu machen, verdeckt nur den eigentlichen Sinn der Geschichte, eine Geschichte von Gottes Gerechtigkeit und Gottes Barmherzigkeit mit allem Lebendigen“, meint Hemminger (S. 127). Wieso aber dieser Sinn verdeckt wird, ist unklar. Dann hätten die Christen über viele Jahrhunderte den Textsinn missverstanden. Es stellt sich im Gegenteil die Frage, woher wir von der Gerechtigkeit Gottes und seiner Barmherzigkeit wissen, wenn die Geschichten, die darüber berichten, sich gar nicht ereignet hätten.

Hemminger zitiert einen christlichen Naturforscher: „Der große Paläontologe Friedrich von Huene stellte sich, wie gesagt, die Verbindung der beiden Geschichten so vor, dass Gott zuerst die biologische Art Mensch über Jahrmillionen hervorgebracht habe und dann ein Menschenpaar, Adam und Eva, aus dieser biologischen Menschheit in die Gottesnähe gerufen habe. Dort blieben sie aber nicht, und damit begann das Elend“ (S. 187f.). Jedoch: Im Rahmen einer evolutiven Entstehung begann es nicht erst nach der Entstehung des Menschen; das Elend gab es schon lange zuvor. „Andere stellen sich vor, dass alle biologischen Menschen in einer primären Unschuld und tiefem Gottvertrauen lebten, bis diese durch Angst, Gewalt und Machtstreben verloren ging. Dann stünden die Gestalten von Adam und Eva für alle Menschen“ (S. 188). Auch diese Aussage stimmt mit den Aussagen des Bibeltextes nicht überein, sie macht auch in evolutionärer Perspektive keinen Sinn. „Wieder andere deuten die Erzählungen vom Sündenfall eschatologisch: Sie malen aus dieser Sicht eine sündlose Vergangenheit aus, meinen aber die Zukunft, in der Gott alle Schuld und Trennung überwunden haben wird“ (S. 188). Das ist exegetisch unhaltbar.

Und was sagt Hemminger selbst? „Die verschiedenen Harmonisierungen von Naturwissenschaft und biblischem Zeugnis schließen sich nicht aus. Man kann sie nahezu beliebig kombinieren. Eine eindeutige Lösung ist auch nicht so wichtig, denn warum muss man die beiden ‚großen Geschichten’ unbedingt zusammenbringen? Sie sprechen uns auf unterschiedliche Seiten unserer Existenz an, und man kann glauben, dass sie irgendwie auch zusammengehören, muss das aber nicht durchbuchstabieren können. Aber man muss – will man als Christ nicht unglaubwürdig sein – die Geschichte, wie Gott den Menschen schuf, so erzählen können, dass Homo ergaster darin Platz findet“ (S. 188). Das ist weniger als eine billige Lösung, es ist überhaupt keine.

Oder was sollen diese Sätze in einer Evolutionswelt bedeuten: „So gesehen erzählt die biblische Geschichte vom Sündenfall nicht davon, wie der Mensch die Schöpfung Gottes verdarb. Das wäre diesem übereifrigen Primaten zu viel zugetraut. Sie erzählt von einem missratenen Anfang der Menschheitsgeschichte, von einem Aufbruch, der in die Irre führte, von einem Weg, der bereits an der ersten Kreuzung verfehlt wurde. Dadurch bricht das Chaos erneut in die Menschenwelt ein, dieses Mal durch das lebensfeindliche Handeln des Menschen selbst, und erneut entringt Gott dem Chaos eine neue Schöpfung“ (S. 201).

Kommen wir noch einmal auf Gottes beständiges Wirken in der Schöpfung zurück. Hemminger schreibt dazu: „Die nach sechs Tagen fertiggestellte Welt macht die Rede vom fortwirkenden Schöpfungshandeln Gottes dagegen eher schwer fassbar. Konsequenterweise lehnen viele Kreationisten die „creatio continua“ als unbiblisch ab und grenzen damit jede Entwicklungsdynamik aus ihrem statischen Naturbild aus. Das hat Konsequenzen bis in die Seelsorge hinein. Denn in einem solchen Weltbild ist auch das Hineingenommensein des Menschen, mein eigenes Hineingenommensein in das schöpferische Tun Gottes schwer vorstellbar“ (195). In Wirklichkeit vertritt auch Wort und Wissen die creatio continua im Sinne eines beständigen Erhaltungshandelns Gottes, das auch in einer fertigen Schöpfung ständig präsent ist (s. o.). Gott hat seinen Geschöpfen die Fähigkeit zur Fortpflanzung und Kreativität verliehen. Im Rahmen der Grundtypenbiologie der Schöpfungslehre wird von flexiblen, anpassungsfähigen Grundtypen ausgegangen. Um Gottes beständiges Wirken in der Welt im Glauben wahrnehmen zu können, braucht man in keiner Weise eine evolutiv verstandene Welt.

Zum Schriftverständnis

Hemminger weist mit ausführlichen Zitaten des Theologen Adolf Köberle auf die „Knechtsgestalt“ der Heiligen Schrift hin. Sie entspreche der Knechtsgestalt Jesu. Das heiße, dass Gott sein Wort „in die zeitbedingten Vorstellungsräume der damaligen Zeit“ hineingegeben habe (S. 79). „Ja, indem Gott sein Wort sündigen, irrenden Menschen anvertraut, nimmt er es auf sich, dass dieses Wort auch verkürzten Überlieferungen und Deutungen preisgegeben wird“ (S. 80; Zitat von A. Köberle). Doch was heißt das konkret? Die Bibel selbst spricht in Bezug auf das mit ihr gegebene Wort Gottes nicht von „Knechtsgestalt“, sondern betont dessen Zuverlässigkeit.11 Aber das Wort Gottes ist missverstehbar und man kann es missbrauchen. Außerdem kann man seine Wahrheit der Welt nicht beweisen, sondern sie wird von der Welt angefochten. Darin besteht die „Knechtsgestalt“ der Schrift, wenn man diesen Begriff verwenden möchte. Aber heißt „Knechtsgestalt“, dass die Texte damaligen Weltbildern verhaftet seien, wie Hemminger meint? Es muss aus der Bibel selbst begründet werden, wenn man ihr Selbstverständnis ermitteln möchte. Anstelle einer solchen Begründung kommt bissige Polemik: „Auf der einen Seite das Wort Gottes in der ‚Knechtsgestalt’ menschlicher Rede, inkarniert in die Weltbilder und Verständnisse der jeweiligen Zeit; auf der anderen Seite die Bibel als Papier gewordenes ‚Schauwunder’, als Text, der auf jede Frage absolut richtige Antworten gibt“ (S. 80). Das sind Strohmänner, genauso wie die Überschrift „Bibel oder ‚papierener Papst’?“ auf Seite 91. Die Zuverlässigkeit der Heiligen Schrift auch in Fragen des konkreten Handelns Gottes in der Schöpfung und in der Geschichte hat mit einem „Schauwunder“ nichts zu tun. Und wer behauptet denn, die Bibel gebe „auf jede Frage absolut richtige Antworten“? Das ist billige Polemik.12 Die Frage ist doch, ob das, was uns in der Bibel gegeben ist, wahr und glaubwürdig ist, ob es von Gott kommt und natürlich auch, wie es zu verstehen ist. Was aber ist Kriterium für das rechte Verständnis? Wenn die Schrift selber nicht der Maßstab ist, was dann? Hemminger beantwortet diese Frage nicht explizit, aber durch sein ganzes Buch wird klar: Kriterium ist die Naturwissenschaft, die mit Evolution gleichgesetzt wird. Das scheint Hemmingers Leitgedanke und Auslegungsschlüssel zu sein.

Er schreibt weiter: „Die Mütter und Väter der Christenheit glaubten nicht an die Schrift, sie glaubten der Schrift. Treue hielten sie dem lebendigen Gott und ihrem Herrn Jesus Christus, nicht einem Buch – und sei es die Bibel“ (S. 91). Dem kann man nur zustimmen, aber woher wissen wir über Gott und über Jesus Christus außer durch die Heilige Schrift? Dieselbe Frage stellt sich, wenn Hemminger schreibt: „Es wäre eine Befreiung, würden die Christen, denen es um die Autorität der Bibel geht, zum reformatorischen Verständnis der Schrift zurückkehren: Wort Gottes im Menschenwort, lebendige Stimme des Evangeliums, Zeugnis des Glaubens. Die Gewissheit des Glaubens lebt von der Wahrheit, die Mensch wurde, nämlich von Jesus Christus, und nicht von der Wahrheit, die Papier wurde, also von der Schrift“ (S. 95). Aber erstens ist leicht zu belegen, dass zum reformatorischen Schriftverständnis auch die Wahrheit der Bibel auf dem Gebiet der Geschichte und Natur gehört13 , und zweitens wissen wir vom lebendig machenden Evangelium, von Jesus Christus und seinem Heilswerk wiederum nur durch die Heilige Schrift. Hemminger verunglimpft die Heilige Schrift als „papierener Papst“ und als „Schauwunder“, ohne irgendeine konkrete Antwort darauf zu geben, was er an ihre Stelle setzt, um zwischen zeitbedingt, verkehrt und gültig zu unterscheiden. Gerade weil die Bibel vom Unglauben her anfechtbar ist, kann man sagen, dass sie „Knechtsgestalt“ trägt und kein unzweifelhaft andemonstierbares „Schauwunder“ darstellt.

Zustimmend zitiert Hemminger den Theologen Karl Heim nach A. Köberle „Heim ging aus, auch im Blick auf das Schriftverständnis, von der Christologie,…’“ (S. 79). Das bejaht Wort und Wissen mit vollem Herzen. Genau das ist seit Beginn unserer Arbeit unser Ausgangspunkt. Deswegen nehmen wir Paulus’ Gegenüberstellung von Adam, Sünde und Tod auf der einen Seite und Jesus Christus, Rechtfertigung (Freispruch trotz Sünde) und Leben auf der anderen Seite auch in der geschichtlichen Dimension ernst. Und wir orientieren uns im Verständnis der Schöpfungstexte an Jesus: „Habt ihr nicht gelesen ….“ (Mt 19,3-8). Gerade Jesus hat auf die Schrift verwiesen, auf den „papierenen Papst“.

Das kritische Lehrbuch: „Propaganda“

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Argumenten, die gegen die Tatsache einer allgemeinen Evolution vorgebracht werden, wird in Hemmingers Buch kaum geführt. Hemminger erwähnt an einigen Stellen „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“, das von Wort und Wissen herausgebracht wird. Er benennt zwar einige positive Aspekte in diesem Buch, aber insgesamt fasst er das Buch unter der Klammer „Propaganda“ zusammen: „Das zentrale Problem des Lehrbuchs, das es trotz aller wissenschaftlicher Fachkunde und allem Bemühen um methodische Klarheit letztlich zu Propaganda macht, liegt aber anderswo: Die kreationistischen Vorstellungen – zum Beispiel zum Erdalter – werden nicht als eigene Theorie präsentiert, sondern indirekt wahrscheinlich gemacht, indem die Evolutionstheorie methodisch und inhaltlich infrage gestellt wird“ (S. 122). Diese Behauptung ist falsch, denn es wird im kritischen Lehrbuch ausdrücklich festgehalten: „[E]s soll jedoch kein Zweifel daran gelassen werden, dass eine insgesamt befriedigende, naturwissenschaftliche Lösung des Altersproblems für Kurzzeit-Schöpfungslehren derzeit nicht vorliegt“ (S. 295).

Ebenso auf S. 132: „So geht es mit der (in diesem Buch vergleichsweise verhaltenen, aber merklichen) kreationistischen Propaganda immer weiter: Forschungsprobleme der Naturwissenschaft werden überbetont, die Probleme der kreationistischen Alternative kaum erwähnt oder verharmlost.“ Auch auf Seite 118 wird das Buch in den Zusammenhang einer „weitverbreiteten Propaganda“ gestellt. Dem Leser werden aber nur pauschale Begründungen für diese Einschätzung geboten. Auch die freundlichere Einschätzung, das Lehrbuch komme wissenschaftlicher Seriosität am nächsten, ist eine Abqualifizierung: es kommt dieser Seriosität eben nur „am nächsten“, erreicht sie aber nicht, ist also unseriös. Wie beim Vorwurf der Wissenschaftsfeindlichkeit wird auch hier deutlich, dass die Arbeit von Wort und Wissen pauschal diffamiert wird.

Wort und Wissen und der Kreationismus

Hemminger differenziert an einigen Stellen zwischen der Position und Vorgehensweise von Wort und Wissen und der anderer Gruppen, die die Evolutionsanschauung ablehnen. Aber diese Differenzierung wird immer wieder aufgegeben und Wort und Wissen unter Praktiken subsummiert, die erneut geeignet sind, die Glaubwürdigkeit zu zerstören. Auch hierzu ein Beispiel: Auf Seite 90 wird in einem Abschnitt, in dem es auch um Wort und Wissen geht, behauptet: „Umgekehrt ist es viel einfacher, Kreationist zu sein, als Schöpfungstheologie im Dialog mit der Naturwissenschaft zu betreiben. Der Kreationismus kann seine Positionen relativ unangefochten von der Entwicklung der Biologie, Geologie und Astrophysik beibehalten, da er auf Fundamentalkritik setzt und die Forschungslage nicht wirklich bearbeitet. Vierzig und fünfzig Jahre alte Bücher werden immer wieder neu aufgelegt.“ In Wirklichkeit ist es Hemminger, der einen Dialog für nicht angebracht hält (siehe oben). Wer Wort und Wissen in die Nähe von Dialogverweigerung bringt, stellt die Tatsachen auf den Kopf. Die Behauptung, die Forschungslage würde nicht wirklich bearbeitet, ist besonders unerfreulich, da die Leser über die fachliche Arbeit von Wort und Wissen, die seit über 20 Jahren in Fachtagungen geschieht und die zu einer Reihe von Fachpublikationen geführt hat, von Hemminger nicht informiert werden14 ; nur auf S. 83 wird kurz erwähnt, dass es Fachpublikationen gibt.15 So bezeichnet er erneut (wie im EZW-Text 195) die Theorie, es habe Schwimmwälder gegeben, als „absurd“ (S. 223), ohne dies zu begründen und auf die dazu publizierten Arbeiten von Wort und Wissen einzugehen.16 Auch die Behauptung „Aber man muss wissen, dass gezielte Täuschung beim Kreationismus immer mit im Spiel ist“ (S. 21), muss der unkundige Leser auch auf Wort und Wissen münzen. Die Diffamierung von Wort und Wissen hat Methode. Die gelegentlichen freundlicheren Aussagen ändern daran nichts, weil sie durch die darauf folgende Kritik entwertet und damit relativiert werden.

Unter dem Stichwort „Calvinball“ behauptet Hemminger, Kreationisten würden die Spielregeln ändern, wenn sie am Verlieren seien und begründet dies mit dem Beispiel räuberischer Lebensweisen. Da man die Entstehung von deren z. T. ausgeklügelten Mechanismen nicht durch die Variation von den ursprünglich erschaffenen Grundtypen erklären könne, nehme man kurzerhand an, sie seien infolge des Sündenfalls durch Umwandlung „aus ganz anderen Grundtypen“ entstanden. Was die Position der SG Wort und Wissen betrifft, übersieht Hemminger: Wort und Wissen hat schon immer dargelegt, dass eine Rekonstruktion der Geschichte der Grundtypen erst ab dem Sündenfall möglich ist, und dass das Davor – von den wenigen biblisch offenbarten Andeutungen abgesehen – ein Geheimnis ist. Diese „Spielregel“ stand von vornherein fest. Eine anderslautende Behauptung zeugt von Unkenntnis der Arbeit von Wort und Wissen.

Fragwürdige und falsche Behauptungen

Abschließend sollen noch zusammenhangslos einige Behauptungen Hemmingers korrigiert werden, die nicht den Tatsachen entsprechen. Es handelt sich nur um eine Auswahl.

„Dass das Schnabeltier mit seinen „Mosaikmerkmalen“ (Schnabel, Eier, Säugen der Jungtiere usw.) nicht evolutionär entstanden sein kann, ist ein weiteres Argument aus dem Kuriositätenkabinett“ (S. 20). Das Schnabeltier wird in Wirklichkeit als Beispiel einer ausgeprägten Mosaikform gebraucht, die sich wegen ihrer Merkmalswidersprüche nicht widerspruchsfrei in einen Stammbaum eingefügt werden kann.

„Denn wie zu erwarten war, folgte dem Versuch, Gott naturwissenschaftlich zu beweisen, die Gegenbewegung auf dem Fuß“ (S. 24). Der Design-Ansatz dient nicht dazu, Gott naturwissenschaftlich zu beweisen. Wort und Wissen hat diesen Anspruch nie geäußert oder verfolgt.

„Die genannten Beispiele zeigen, dass ein zentrales kreationistisches Argument irrig ist, nämlich dass das Verschwinden des Evolutionsdenkens zum biblischen Glauben zurückführen würde“ (S. 38). Dieses Argument kommt bei Wort und Wissen nicht vor, schon gar nicht an zentraler Stelle.

„Allerdings verschweigt ‚Wort und Wissen’, dass die Tatsache der Makroevolution selbst (die Abstammungstheorie) dadurch nicht in Frage steht“ (S. 113; s. auch S. 122). Das Gegenteil stimmt: Wort und Wissen hat immer darauf hingewiesen, dass offene Fragen über Mechanismen der Evolution an sich Makroevolution nicht widerlegt: Solange aber für Makroevolution keine Mechanismen gefunden werden, kann sie auch nicht als Tatsache gelten. Verschweigen wird hier nichts.

„‚Wort und Wissen’ unterscheidet dagegen ‚historische Indizien’ von ‚harten Daten’; der Schlüsselsatz lautet: ‚Die Geschichte des Lebens kann nur bedingt mit den Methoden der empirischen Wissenschaft rekonstruiert werden’ (S.16)“ (S. 120). Der aus dem Lehrbuch (S. 16) zitierte Satz ist korrekt. Aus ihm folgt aber nicht die Behauptung, die Hemminger davor macht. Für Wort und Wissen sind historische Indizien harte Daten.

„‚Wort und Wissen’ verkehrt dieses Argument in sein Gegenteil, indem sie die (tatsächlich unumgängliche) weltanschauliche Deutung der Naturwissenschaft als Bezweifelbarkeit ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse sieht“ (S. 121). Das ist falsch.

„Der Versuch des Lehrbuchs, ab Seite 292ff so etwas wie eine Erklärung anzubieten, ist schon sprachlich kaum verständlich, wobei die Schwierigkeiten eingeräumt werden. Das unlösbare Problem physikalischer Altersbestimmungen kommt hinzu. Deshalb wird es ausdrücklich ausgeklammert (294)“ (S. 131). Wie oben bereits zitiert, wird im kritischen Lehrbuch festgestellt: „[E]s soll jedoch kein Zweifel daran gelassen werden, dass eine insgesamt befriedigende, naturwissenschaftliche Lösung des Altersproblems für Kurzzeit-Schöpfungslehren derzeit nicht vorliegt“ (S. 295). Dieses Problem wird also beim Namen genannt und nicht ausgeklammert.

„Wie eine Beschwörungsformel wird ständig wiederholt, dass die Wissenschaftler selbst Zweifel an ihrer Sache hätten, dass es Probleme und Lücken aller Art gebe“ (S. 132). Diese Behauptung stellt Hemminger im Zusammenhang mit dem kritischen Lehrbuch auf. Sie ist falsch. Nirgendwo wird gesagt, dass die Wissenschaftler selber Zweifel an ihrer Sache hätten.

„Die Fachleute von ‚Wort und Wissen’ sollten bedenken, was sie mit ihrer Strategie bei naturwissenschaftlichen Laien in Kirche und Gemeinde anrichten. Ihr Argumentationsstil findet sich in zahllosen Leserbriefen, Gemeindevorträgen und Predigten wieder, in denen eine Anzahl scheinbarer Probleme der Evolutionstheorie aufgezählt wird. Danach sind die Autoren fest überzeugt, sie hätten ihre Position bewiesen. Dass sie verpflichtet wären, die vorhandenen Daten ebenso oder besser zu erklären, kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Bemängeln reicht, um Recht zu haben – so könnte man diese Haltung zusammenfassen“ (S. 133). Das ist eine unzutreffende Unterstellung.

„Auch an dem einen Punkt, an dem ‚Wort und Wissen’ eine eigene Idee vertritt, wird also die vergleichende Argumentation vermieden“ (S. 137). Das ist falsch. Beispielsweise wird im kritischen Lehrbuch in Kapitel VII.16 vergleichend argumentiert.

„Dasselbe Argument steht im Mittelpunkt des Denkens bei ‚Wort und Wissen’. Der Tod wird zum Instrument des Schöpfungshandelns Gottes, und damit rückt – so heißt es – der liebende Gott in eine unbegreifliche Ferne“ (S. 199). Das ist nicht das Argument von Wort und Wissen. Das Argument lautet vielmehr, dass der Tod der Lohn der Sünde (Röm 6,23), durch die Sünde Adams in die Welt gekommen (Röm 5,12-19) und Feind Gottes ist (1 Kor 15,26) und daher nicht zugleich Mittel der Erschaffung des Menschen sein kann.

Anmerkung

  1. www.ekd.de/ezw/Publikationen_mit_der_bibel_gegen_die_evolution.php (Seite nicht mehr verfügbar, Stand: 31.10.2019)
  2. Mit der Evolution gegen den „Bibelfundamentalismus“
  3. Den Aufwind haben im Wesentlichen die Medien erzeugt.
  4. Weitere Beispiele: Die moderne Naturwissenschaft werde als ein Problem für den Glauben angesehen (S. 8); der Naturwissenschaft würden „theologische Vorgaben“ gemacht (S. 88). Kreationismus verstehe sich als alternative Naturwissenschaft (S. 12). „Der Kreationismus ist, wie bereits gesagt, etwas politisch viel Brisanteres, nämlich eine alternative Naturwissenschaft oder wenigstens der Versuch einer solchen (S. 17). „Es handelt sich um ein Türöffner-Argument, dessen politische Funktion in der Bezweiflung der Naturwissenschaft besteht“ (S. 32). Man wollte „vermutlich ebenso wie die Evangelische Allianz innere Konflikte um die Naturwissenschaft vermeiden“ (S. 42). „Durch dieses Bibelverständnis war der Streit mit der Naturwissenschaft vorprogrammiert, aber es gab auch andere Positionen“ (S. 67). „Deshalb führte der Kreationismus einen Feldzug gegen die Geologie, die Biologie und später …die Astrophysik“ (69). „Insofern trägt er den Streit einen Schritt weiter ins feindliche Lager der Wissenschaft, …“ (71)
  5. Studiengemeinschaft Wort und Wissen akzeptiert und nutzt Naturwissenschaft
  6. Angesichts des auf dem Buchdeckel formulierten Anspruchs, die Rolle von Wort und Wissen zu erläutern, ist dies ein eklatanter Mangel.
  7. Hemminger selbst schreibt: „Sobald die Wahrheit Gottes zu Papier wird, wird sie für den Menschen verfügbar, und dann liegt der Schritt nahe, diese Wahrheit politisch durchsetzen zu wollen. Verbrüderung mit der politischen Macht ist das bedrohliche Resultat. Und da Macht immer Gegenmacht provoziert, wächst die Macht antireligiöser Ideologie gleichermaßen. Wo diese fanatischen Weltrettungs-Ideologien Platz greifen und die Nächstenliebe auf der Strecke bleibt, kann die christliche Antwort nur in Widerstand bestehen“ (S. 95).
  8. Am ausführlichsten in: Junker R (1994) Leben durch Sterben? Schöpfung, Heilsgeschichte und Evolution. Neuhausen-Stuttgart. Im kurzen Überblick im Flyer Evolution – Schöpfungsmethode Gottes? (PDF) und in vielen weiteren Texten; siehe Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament
  9. Details dazu in: Junker R (1994) Leben durch Sterben? Schöpfung, Heilsgeschichte und Evolution. Neuhausen-Stuttgart.
  10. Das trifft so gar nicht zu, denn die Entwicklung des Individuums erfolgt zielgerichtet.
  11. Wenn man schon den fragwürdigen Vergleich mit Jesus Christus zieht, könnte man auch argumentieren, dass der Sündlosigkeit Jesu eine Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift entspricht.
  12. Ähnlich: „Wer den Bibeltext zu einer „norma normans“ für alles und jedes macht, macht ihn zum „Spectaculum“, zu einem Schauwunder für die Welt, und bringt damit die lebendige Stimme des Evangeliums zum Schweigen. Die Bibel wird zu einer Auskunft herabgewürdigt, die auf mirakulöse Weise immer Recht hat und mit der man die richtige Antwort auf jede Frage in Besitz hat.“ (S. 92).
  13. Vgl. neben vielen anderen z.B. H- Stadelmann, Evange-likales Schriftverständnis, Hammerbrücke 2005, S. 29-44. Beispielsweise äußerte Luther zum Schöpfungsbericht (Gen 1): „So viel derohalben St. Augustins Meinung betrifft, halten wir dafür, Moses habe eigentlich geredet, nicht allegorisch oder figürlich; nämlich, daß die Welt mit allen Creaturen innerhalb der sechs Tage, wie die Worte lauten, geschaffen sei. Da wir aber nun die Ursach mit unserem Witz und Vernunft nicht erreichen noch verstehen können, so lasset uns Schüler bleiben und dem Heiligen Geist seine Meisterschaft lassen“ (Auslegung des ersten Buches Mose, Erster Teil, W I, 6).
  14. Fachberichte „Studium Integrale“; Die evolutionskritische Zeitschrift Studium Integrale Journal
  15. vgl. „Fachliteratur und fachliche Qualitätskontrolle bei Wort und Wissen“
  16. Die Schwimmwaldtheorie findet starke Stützen in der aktuellen Fachliteratur und stammt im übrigen in ihrer ersten Formulierung gar nicht von Kreationisten. Einen Überblick über die Argumente der Schwimmwaldnatur anhand neuerer paläobotanischer Arbeiten bietet R. Junker (2000) Samenfarne, Bärlappbäume, Schachtelhalme. Holzgerlingen