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Ist die Menschheit laut Bibel 6000 Jahre alt?



 

Neue Erkenntnisse zur Handschriftenbezeugung von Kenan II und den Folgen für die Lückenlosigkeit der Genealogien im Buch Genesis

 

In der Literatur von Schöpfungswissenschaftlern, aber auch in der ihrer Kritiker, liest man häufig die Angabe, dass die Menschheit laut Bibel ca. 6000 Jahre alt sei. Doch ist dieses Datum angesichts der handschriftlichen Quellenlage der Genealogien von Adam bis Jesus Christus in Altem und Neuem Testament gesichert?

Als theologisch interessierter Laie geht der Schöpfungswissenschaftler Benjamin Scholl den neuesten Daten der Handschriftenbelege nach und stellt sie hiermit dem deutschsprachigen Publikum zur Diskussion vor. Dabei zeigt sich, dass Kenan II, der mögliche Sohn Arpachschads bzw. Enkel Sems nach der Sintflut, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ursprünglich im Stammbaum Jesu in Lukas 3,36 vorhanden war. Dies wiederum wirft Fragen auf, da er im hebräischen Masoretischen Text im Stammbaum von Noah bis Abraham in Genesis 10,24 sowie in Genesis 11,12–13 fehlt.

Aktuelle Erkenntnisse der Textforschung zeigen, dass das Bewusstsein um die Existenz von Kenan II aber bereits vor der Niederschrift des Lukasevangeliums weit verbreitet war: Er taucht nicht nur bei frühchristlichen Autoren, sondern auch bei vorchristlichen jüdischen Autoren und in der Septuaginta (der vorchristlichen, griechischen Übersetzung des Alten Testamentes) auf. Die Septuaginta liefert generell andere Zahlen in den genannten Stammbäumen und würde so – sofern die Stammbäume lückenlos sind – ein biblisches Menschheitsalter von grob 7500 Jahren nahelegen.

Christen, die an der Zuverlässigkeit der Heiligen Schrift festhalten, sind mit diesem Befund unterschiedlich umgegangen. Daher werden im vorliegenden Diskussionsbeitrag verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert.

Eine dieser Varianten ist, in den Genesis-Stammbäumen die Septuaginta zu bevorzugen, was eine andere Datierung des Menschheitsalters zur Folge hätte. Eine andere Lösungsmöglichkeit ist es, dem Masoretischen Text und nicht der Septuaginta in Genesis bzw. in den Stammbäumen aufgrund textkritischer Argumente prinzipiell den Vorrang zu geben: Das bedeutet, dass der im Neuen Testament handschriftlich gut bezeugte Kenan II zwar existierte, dass sein Fehlen im Masoretischen Text aber bedeutet, dass die Stammbäume dort wenigstens eine Lücke enthalten. Wenn dies stimmen sollte, dann wäre das konkrete Errechnen der Erschaffung Adams nicht möglich, auch wenn sich viele Theologen einig sind, dass ein Ausdehnen über Jahrtausende hinaus dem Bibeltext wohl nicht gerecht wird. Aber auch andere Varianten sind prinzipiell denkbar.

Insgesamt zeigt der Befund, dass Christen der tatsächlichen Datenlage zur Datierung des Alters der Menschheit anhand der biblischen Stammbäume mit einer gewissen Demut begegnen sollten: Eine Festlegung auf 6000 Jahr erscheint jedenfalls nicht so solide von den Daten gedeckt, wie oft vermittelt wird.

 

Gliederung:

Einleitung

Biblische Genealogien von Adam bis Abraham in Genesis 5 und 11

Kenan II in AT und NT aus textkritischer Perspektive

Schlussfolgerungen

Fazit