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Stellungnahme zum EZW-Text „Kreationismus: Wie man die Wissenschaft ruiniert“ – II. Theologische Aspekte: Die Verteidigung des Glaubens – ein Auftrag für Christen



In der zweiten Folge unserer Stellungnahmen zu den EZW-Texten (Materialdienst 8/2014) über die Studiengemeinschaft Wort und Wissen soll es um theologische Aspekte gehen.

In den Beiträgen von Hansjörg Hemminger und Martin Neukamm finden sich nur wenige theologische Aussagen, diese sind jedoch aufschlussreich. Hemminger setzt „Intelligent Design“ mit „wissenschaftliche Beweisbarkeit Gottes“ gleich.1 Zitate zu diesem Thema aus der Rezension von R. Junker zu Barbara Drossels Buch werden überschrieben mit „Thema ‚Beweise für ein intelligentes Design‘“. Diese Gleichsetzung ist falsch und geht aus der zitierten Arbeit von R. Junker in keiner Weise hervor (auch nicht aus anderen Texten von Wort und Wissen-Autoren). In der Rezension von Drossels Buch2 ist vielmehr davon die Rede, dass der Fragestellung nachgegangen wird, ob es Kennzeichen der Natur gibt, die auf einen Urheber hinweisen; ob bestimmte Kennzeichen als Design-Indizien gewertet werden können; es geht um Klärung, was natürliche Vorgänge leisten können und wo ihre Grenzen liegen, und dass im Einzelfall geprüft werden müsse, ob das biologische Design-Argument sticht. Kein Wort von wissenschaftlicher Beweisbarkeit Gottes, auch nicht implizit.

Das Design-Argument hat theologisch vor allem eine apologetische Bedeutung: Das heißt: Es soll gezeigt werden, dass es vernünftige und gute Gründe gibt, an einen Schöpfer zu glauben, und es soll der Schöpfungsglaube gegen Einwände verteidigt werden – nicht mehr und nicht weniger.3 An solchen vernünftigen Gründen ist Hemminger offenbar nicht interessiert, womit er einen Großteil der Kirchengeschichte gegen sich hat, angefangen von den neutestamentlichen Autoren. Er schreibt nämlich: „Man will zeigen, dass diese Gründe [für einen Schöpfer] besser sind als die Gegengründe.“ Ist eine solche Motivation zu kritisieren? Die Frage besteht doch allein darin, wie stichhaltig diese Gründe sind und ob sie gegen Kritik verteidigt werden können. Er fährt fort: „Es ist, so meint man, nicht nur vernünftig, sondern vernünftiger, Christ zu sein. Damit macht man allerdings den Glauben zum Ergebnis einer intellektuellen Leistung und würdigt Nichtgläubige intellektuell herab.“4

Diese Wertungen sind abwegig und vollkommen unbegründet. Denn „glauben“ im biblischen Sinne heißt ja nicht, lediglich bessere Argumente zu haben, sondern Gott auch beim Wort zu nehmen (oft gegen den Augenschein), wie es z. B. im 11. Kapitel des Hebräerbriefes anschaulich illustriert ist. Gute Argumente können und sollen „nur“ apologetische, dienende Funktion haben (s. o.). Die besten Argumente ersetzen den persönlichen Glauben nicht, können aber helfen, Hindernisse auszuräumen.

Apologetik wurde auch von Jesus und Paulus intensiv betrieben, und sie haben sich Mühe gegeben, zu zeigen, dass ihre Argumente die besseren sind als die der Gegner, man denke beispielsweise an Paulus‘ Argumentation zur Auferstehung Jesu im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes oder an seine Argumentation auf dem Areopag in Athen. Urchristliche apologetische Auseinandersetzung ist neutestamentlich reich belegt.

Und warum Nichtgläubige intellektuell herabgewürdigt werden, bleibt ein nicht nachvollziehbares Geheimnis von Hemminger. Wer ein Argument verteidigt, schätzt es immer besser oder stärker als das des Kontrahenten ein; die gleichzeitige Unterstellung der Herabwürdigung der anderen Person widerspricht den normalen Prinzipien einer Diskussion und fungiert hier als bloße Stimmungsmache. Aus seinen abwegigen Vorgaben gelangt Hemminger dann konsequent zu weiteren falschen Schlussfolgerungen, u. a. dass für die Mitarbeiter von Wort und Wissen nur „‚christliche‘ Wissenschaft wahre Wissenschaft“ sei. Für Wort und Wissen gibt es aber gar keine „christliche Wissenschaft“. Wort und Wissen beschäftigt sich mit verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, zu denen auch mehrere naturwissenschaftliche Fächer zählen. Methodisch und inhaltlich werden diese genauso betrieben, wie es den Standards des wissenschaftlichen Forschens und damit den von allen anderen Wissenschaftlern entspricht. Dass die verfügbaren Daten und Ergebnisse in Bezug auf Ursprungsfragen jedoch anders modelliert und bewertet werden als vom Mainstream, basiert auf klar kommunizierten Gründen. Es wird eingeladen, sich mit ihnen auseinandersetzen und die daraus abgeleiteten anderen Schlussfolgerungen kritisch zu prüfen.

Hemminger zitiert in einer Fußnote den theologischen Artikel „Wäre die Evolution wahr“ aus „Idea-Spektrum“ (Ausgabe 10/2014) von R. Junker und H. Ullrich. Wäre dies nicht eine Gelegenheit gewesen, auf die dort dargelegten schöpfungstheologischen und biblisch-heilsgeschichtlichen Zusammenhänge einzugehen? Das geschieht nicht, sondern der Text landet ohne Begründung in der Schublade „fundamentalistische Bibelauslegung“. Wofür Hemminger theologisch steht, erfährt der Leser hingegen nicht, sondern nur, was er ablehnt und bekämpft.

Interessanterweise macht auch der Atheist M. Neukamm in seinem Beitrag theologische Aussagen. Er nennt Weltanschauungen, die Götter oder unspezifische Designer postulieren, „willkürliche Fantasien“ (S. 298 des Textes im „Materialdienst“), weiter nennt er einen Designer „fiktiv“. Das ist verständlich, denn Neukamm ist bekennender Atheist. Seinen ganzen Text durchzieht die Überzeugung, dass ein Schöpfer mit der Entstehung des Lebens nichts zu tun hat, und die Festlegung auf den Naturalismus, in der Gottes Wirken überhaupt keine Rolle spielt (vgl. dazu die Folge „Festlegung auf den Naturalismus“ dieser Serie). Es ist erstaunlich, dass ein kirchliches Blatt eine solche offene Bewerbung des Atheismus kommentarlos abdruckt.

Dennoch macht er sich als Atheist Sorgen um Theisten: Der Kreationismus mache den religiösen Glauben in den Augen derer, die nicht ohnehin schon an den Kreationismus glauben, völlig unglaubwürdig (S. 296). Als Atheist kann ihm das ja nur recht sein, ebenso das, was er im Schlusssatz seines Artikels schreibt: „Ein solches Vorgehen5 ruiniert nicht nur die Grundlagen der Wissenschaft und Wissenschaftstheorie, sondern auch der Theologie.“ Für ihn ist jede Theologie ohnehin nur das 5. Rad am Wagen.

Und als ob man es nicht schon oft genug gehört hätte, zitiert er Pinchas Lapide: „Der jüdische Religionswissenschaftler Pinchas Lapide soll gesagt haben: ‚Man kann die Bibel wörtlich nehmen – oder ernst. Beides geht nicht.‘ Nun, der Kreationismus nimmt sie lieber wörtlich.“ Lapide „soll“ es „gesagt haben“. Hat er es auch – und in welchem Kontext? Der Bezug auf Lapide ist nur Effekthascherei und wird zum Bumerang. Soll man Neukamms Text auch wörtlich oder ernst nehmen? Ein Zitieren außerhalb des Kontextes ist irreführend und erschwert oder zerstört den Diskurs (vgl. W+W-Diskussionsbeitrag 4/2014 „Wie man einen notwendigen Diskurs ruiniert“).

Anmerkungen

  1. „… vertraut aber der Bewegung für ein ‚intelligent design‘ und damit auf die wissenschaftliche Beweisbarkeit Gottes.“ (Hervorhebung hinzugefügt) Online: www.ekd.de/ezw/Publikationen_3230.php (Link funktioniert nicht mehr und wurde deaktiviert, Stand 17.7.2019)
  2. www.wort-und-wissen.de/info/rezens/b51.html
  3. Das wird näher ausgeführt z. B. im 9. Kapitel von: R. Junker, Spuren Gottes in der Schöpfung? Holzgerlingen, 2. Aufl. 2010.
  4. Hemminger schreibt dazu noch: „Dass ein solcher Anspruch philosophisch und theologisch unhaltbar ist, braucht hier nicht näher begründet zu werden.“
  5. Er meint damit, dass der Kreationismus vorhandenes Naturwissen verschleiere, logische Zusammenhänge übergehe und Sophismen benutze, um die Evolutionstheorie wissenschaftlich zu desavouieren „und die Schöpfungslehre – wie die Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“ sie versteht – als brauchbare, historisch-wissenschaftliche Alternative darzustellen“ (S. 305).