Stellungnahme zum EZW-Text „Kreationismus: Wie man die Wissenschaft ruiniert“ – I. Wie man einen notwendigen Diskurs ruiniert
Im „Materialdienst“ der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW/Berlin, Ausgabe 8/2014) wird scharfe Kritik an inhaltlichen Positionen des Kreationismus und an der Studiengemeinschaft Wort und Wissen geübt. Der Chemie-Ingenieur und bekennende Atheist Martin Neukamm (München) behauptet darin, dass Wort und Wissen vorhandenes Naturwissen verschleiere, wissenschaftsfeindlich sei und von Naturwissenschaft letztlich „nichts“ übrig lasse.1 Der frühere Weltanschauungsbeauftragte der württembergischen Landeskirche, Hansjörg Hemminger kommt zu dem Schluss, der Kreationismus treibe nicht Naturwissenschaft, sondern zerstöre und ruiniere sie.2
In einigen Folgen unserer Rubrik „Diskussionsbeiträge“ soll sowohl auf einige Inhalte als auch auf spezifische Vorgehensweisen der beiden Autoren eingegangen werden. In diesem ersten Beitrag wird gezeigt, wie durch Diffamierung des Diskursgegners, durch Emotionalisierung, durch Unterstellungen und verzerrte Zitierung die eigentliche Sachdiskussion vermieden wird.
Die hier vorgenommene diskurskritische Analyse soll zeigen, weshalb eine fruchtbare Sachdiskussion bei solchen und ähnlichen Texten kaum möglich ist.
Vermeidung einer Sachdiskussion und Diffamierung des Diskursgegners
Der Text von Hemminger (in anderer Hinsicht auch der Text von Neukamm) ist ein Lehrstück für seine Strategie, eine Sachauseinandersetzung durch Diffamierung des Diskursgegners zu vermeiden. Das liest sich so: Wort und Wissen treibe nicht Naturwissenschaft, sondern „zerstöre“ sie, „ruiniere“ Wissenschaft und lasse von Naturwissenschaft „nichts“ übrig. Der Leser wird mit diesen Wertungen schon durch die Überschrift („Wie man die Wissenschaft ruiniert“) und den Vorspann auf Empörung eingestimmt. Mit dieser Brille wird das Weitere gelesen werden. Inhaltliche Begründungen werden Martin Neukamm überlassen, der mit Zerrbildern und abwegigen Unterstellungen arbeitet und die Positionen von Wort und Wissen-Autoren nicht annähernd korrekt darstellt, geschweige denn auf diese fundiert eingeht (s. u.).
Hemminger wehrt sich vorsorglich gegen den möglichen Vorwurf, sein hartes Urteil habe etwas mit ideologischen Festlegungen zu tun. Nein, Wissenschaftler wüssten, wie Wissenschaft gemacht wird. Das stimmt natürlich und trifft auch auf die Mitarbeiter der SG Wort und Wissen zu: Beispielsweise sind oder waren zehn der 16 Mitarbeiter der 7. Auflage von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ viele Jahre lang, z. T. ihr ganzes Forscherleben hauptberuflich in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung tätig, darüber hinaus gilt dies für weitere Wissenschaftler, die bei Wort und Wissen mitarbeiten. Sie wissen garantiert, wie Wissenschaft funktioniert und betreiben Wissenschaft aus Passion. Vor diesem Hintergrund Wort und Wissen Wissenschaftsfeindlichkeit vorzuhalten, ist Verleumdung und Abqualifizierung des Diskursgegners. Dasselbe gilt für die Behauptung, „dass der Kreationismus keine wissenschaftliche Kritik an der Schulwissenschaft übt, sondern dies lediglich behauptet“. Mit der Realität haben solche Sätze nichts zu tun. Jeder, der es möchte, kann sich durch die Lektüre von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“, der Monographien der Reihe „Studium Integrale“ und der Artikel in der Zeitschrift „Studium Integrale Journal“ (www.si-journal.de) davon überzeugen. Wer allerdings Hemmingers Abqualifizierung der Arbeit der SG Wort und Wissen glaubt, ist dazu vermutlich nicht mehr motiviert und das scheint auch das angestrebte Ziel zu sein.
In seinen Ausführungen geht Hemminger überraschend weit: Er kritisiert sogar, dass Hochschulgruppen an der Uni Jena Referenten von „Wort und Wissen“ zu den „Jenaer Hochschultagen“ eingeladen haben. Einer davon – so Hemminger – „dürfte“ direkt kreationistische Ideen vorgetragen haben. „Dürfte“ – Hemminger weiß es also nicht. Es ist für ihn offenbar schon nicht mehr akzeptabel, dass W+W-Referenten bei Hochschulgruppen auftreten. Der betreffende Referent behandelte übrigens das Thema „Entstehung des Lebens“. Anstelle einer Sachauseinandersetzung empfiehlt Hemminger Abgrenzung: „Die halbherzige Zustimmung bzw. wohlwollende Toleranz, die er und die Bewegung für ein ‚intelligentes Design‘ in konservativen Milieus erfahren, untergraben die Glaubwürdigkeit der ganzen Kirche. Die Evangelische Allianz hat kürzlich eine Kampagne eröffnet: ‚Zeit zum Aufstehen‘. Im Kern handelt es sich um einen Aufruf zur Unterscheidung der Geister auf der Grundlage reformatorischen Glaubens. Dieser Aufruf wird nichts bewirken, solange er sich nicht auch nach innen richtet, an die evangelikale Bewegung selbst. Wenn die Evangelische Allianz nicht bereit ist, im eigenen Innern die Geister zu unterscheiden – wer soll ihrem Willen zur Unterscheidung trauen? Unterscheidung ja, aber bitte auch dort, wo interne Debatten anstehen, nicht nur dort, wo sich durch starke Worte die eigenen Reihen schließen lassen. Der Kreationismus wäre ein guter Anlass, mutig zu werden“ (Materialdienst der EZW 8/2014, S. 293). Das ist ein offener Aufruf an die Evangelische Allianz3, sich von der SG Wort und Wissen zu distanzieren, aber auch von Christen, die ihr nahestehen wie der bekannte Apologet John Lennox, dessen neuestes Buch Hemminger im Zusammenhang ebenfalls in kritischem Kontext erwähnt.
Emotionalisierung
Nach dieser relativ kurzen negativen Stimmungsmache durch H. Hemminger kommt Martin Neukamm auf 9 1/2 Seiten ausführlich zu Wort. Auch er beginnt mit einer pauschalen Abqualifizierung4 und weckt Emotionen:
„Der Stachel dieses gegenüber den Naturwissenschaften aufgeschlossenen Christentums im Fleisch der evangelikalen Gemeinschaft ‚Wort und Wissen‘ sitzt tief.“
Worauf stützt Neukamm diese harsche Einschätzung? Er nimmt den von Hemminger vorgegebenen Duktus auf und führt diesen weiter: „So wundert es nicht, dass Drossels Buch von Reinhard Junker eine beschämend negative und überaus wortreiche Besprechung erhält: …“5. Weshalb „beschämend“? Wie begründet Neukamm diese Wertung? Die Besprechung von Barbara Drossels Buch ist kritisch, aber sachlich. Und „wortreich“? Was will Neukamm damit zum Ausdruck bringen? 6 Er fährt unmittelbar – nach einem Doppelpunkt – fort: „In der Zusammenschau wird die Argumentation der Autorin als ‚entstellend‘, ‚verkürzend‘, ‚selektiv‘, ‚rudimentär‘, ja sogar als ‚weltanschaulich-naturalistisch‘ geprägt bezeichnet …“.7
Die entscheidende Differenzierung zwischen Sachkritik und der Kritik an einer Person wird von Neukamm vermieden, um sein Eingangsstatement zu erhärten. Die zusammenhanglose Auflistung dieser Wertungen ist in Wirklichkeit „beschämend“! Tatsächlich wurden sie einzeln in der Buchbesprechung sachlich begründet. Neukamms Vorgehensweise zeigt deutlich, wie durch bewusste Emotionalisierung Leser für sich eingenommen werden – um nachher an die Adresse von Wort und Wissen umso heftiger zu werden: „Mitchristen, die dabei nicht mitmachen, werden herabgewürdigt“ (S. 305; vorletzter Satz seines Artikels). Das ist ein weiterer schwerwiegender Vorwurf, für den eine Begründung gefordert werden muss – die Neukamm aber nirgendwo anbietet.
Was bleibt, ist die persönliche Diffamierung seiner Diskursgegner auf der Basis unsachlicher Bewertungen. Er unterstellt den Autoren von Wort und Wissen absichtliche Täuschung, wenn er von „kaschieren“, „Finte“, von „Sophismen“ (absichtlich eingesetzte Fehlschlüsse zum Zwecke der Irreführung) oder von „verschleiern“ spricht, und wenn er unterstellt, man „hoffe“, die Leser würden deren Fehlschlüsse nicht durchschauen (die jeweiligen Zusammenhänge können unter dem Link Anm. 1 entnommen werden).
Unterstellungen, falsches Zitieren und Verdrehen von Zitaten
Sowohl H. Hemminger als auch M. Neukamm verbreiten in ihren Beiträgen nachweislich falsche Aussagen über die Positionen der Studiengemeinschaft Wort und Wissen beziehungsweise ihrer Autoren. Es geht hier nicht um Interpretationen oder Schlussfolgerungen, sondern um sachlich falsch wiedergegebene Inhalte. Das ist insofern von Bedeutung, als anschließend z. T. relativ ausführliche Kritiken dieser unterstellten Positionen erfolgen, was beim Leser den zuvor geweckten irreführenden Eindruck verstärkt, „Wort und Wissen“ sei mit den jeweiligen Aussagen zu identifizieren.
Zitierfehler können passieren, das ist zugestanden. Das Problem ist die Häufigkeit und das „Ausschlachten“ des vermeintlich Gesagten. (Fett gesetzt sind Zitate von M. Neukamm.)
• „Im Kreationismus ist der fundamentalistisch gedeutete Bibeltext immer der letzte Schiedsrichter …“ (S. 299).8
Diese Behauptung macht Neukamm im Zusammenhang mit naturwissenschaftlichem Arbeiten. Im Gegensatz dazu erkennen die Mitarbeiter von Wort und Wissen (W+W) an, wo eigene Vorstellungen mit den naturwissenschaftlichen Daten nicht schlüssig zusammengebracht werden können.9 Über die Güte von Hypothesen entscheiden die naturwissenschaftlichen Daten und deren formallogische Deutung, alles andere ist eine Unterstellung. Auf der Grundlage der oben zitierten Unterstellung kann Neukamm direkt anschließend behaupten:
„Die rational-empirische ‚Methode‘ der Naturwissenschaft wird dadurch ganz wesentlich eingeschränkt, streng genommen sogar unbrauchbar: …“
In Wirklichkeit gibt es keinerlei derartige Einschränkung bei W+W. Es wird ein Zerrbild der wissenschaftlichen Arbeit entworfen und dann der Lächerlichkeit preisgegeben:
„Eine ‚kreationistische‘ Astrophysik hätte daran arbeiten müssen, das überkommene geozentrische Weltbild an die empirischen Befunde anzupassen.“
Diese Meinung ist das Ergebnis falsch gesetzter Voraussetzungen. Denn zum einen lehrt die Heilige Schrift kein räumliches Weltbild und zum anderen werden naturwissenschaftliche Befunde nicht an Theorien angepasst, sondern die Befunde ermöglichen eine Prüfung von Hypothesen.10
• „Was Junker verlangt, ist nicht die Anerkennung der Grenzen der naturwissenschaftlichen Methode. Damit könnte man leben. Er fordert vielmehr, dass die Naturwissenschaftler ihren Anspruch und ihr Selbstverständnis, die Welt natürlich zu erklären, zugunsten seiner religiösen Ideologie beschneiden …“ (S. 299).
Eine Beschneidung der naturwissenschaftlichen Methode gibt es bei W+W nicht. Hier müsste zuerst geklärt werden, wie diese Methode überhaupt funktioniert. Neukamm macht das nicht. Er hätte auf das 1. Kapitel von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ eingehen können, wo naturwissenschaftliches Arbeiten und seine Grenzen genauer beschrieben werden und er hätte ggf. Kritik daran äußern können. Dazu gibt es auf der W+W-Homepage auch noch weiterführende Artikel.11 Stattdessen erfindet er Positionen, die W+W nicht vertritt. Die darauf aufgebaute Kritik ist in der Sache belanglos, aber leider für den Leser emotional wirkungsvoll.
Ein zweiter Aspekt. Es gehört gar nicht zum Selbstverständnis der Naturwissenschaft, die Welt vollständig natürlich zu erklären. Das ist vielmehr die Überzeugung des Naturalismus, für den in der Welt nur natürliche Prozesse vorkommen bzw. eine Rolle spielen dürfen. Mit den Methoden der Naturwissenschaft werden regelhaft verlaufende Prozesse beschrieben und in (ggf. statistischen) Gesetzmäßigkeiten gefasst; ob diese aber die untersuchten Naturphänomene hervorgebracht haben und in dieser Hinsicht erklären können, kann mit den Mitteln der Naturwissenschaft nicht in allen Fällen entschieden werden. Auch dazu hat W+W ausführlich publiziert, doch Neukamm fährt mit provozierenden Unterstellungen fort:
„… und sich damit abfinden, dass sie nicht mehr sind als ‚ein Geschlecht erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können‘ (B. Brecht). Danach wäre die Naturwissenschaft immer nur die Magd eines geltenden Weltbilds, in Junkers Fall des Weltbilds eines protestantischen Fundamentalismus.“
Das sind unverschämte Fiktionen, die nicht aus dem Schrifttum von W+W belegbar sind. Darauf aufbauend folgt auch hier die Diffamierung:
„Von daher ist der Kreationismus von seinem Wesen her wissenschaftsfeindlich, auch wenn ‚Wort und Wissen‘ sich dagegen verwahrt. Denn eine Naturwissenschaft, die nur ergebnisoffen ist, solange die Kernthesen des Kreationismus davon unberührt bleiben, verdient diesen Namen nicht“ (S. 299).
Es ist erstaunlich, dass jemand, der die W+W-Arbeit seit über einem Jahrzehnt verfolgt, Derartiges äußert und konsequent ignoriert, was W+W zur Unterscheidung von Glaubensinhalten und naturwissenschaftlich belegbaren Sachverhalten oft genug geschrieben bzw. vorgetragen hat. Hier fehlt jegliches Bemühen, die Position des Diskursgegners richtig zu verstehen und darzustellen.
• „Sie [die Mitarbeiter von „Wort und Wissen“] erwecken den irreführenden Eindruck, die Evolutionstheorie werde durch Nichtwissen geschwächt oder unplausibel. Dabei handelt es sich um Scheinargumente, denn fehlendes Wissen zur Evolution konkreter Arten oder Artmerkmale ist niemals ein Argument für oder gegen die Theorie“ (S. 299).
Auch das behaupten die Autoren von Wort und Wissen in dieser schlichten Form nicht. Das „Scheinargument“ hat Neukamm erfunden. Die Argumentation erfolgt anders; Neukamm selber gibt dazu die passende Vorlage:
„Theorien können nur durch Befunde erschüttert werden, die im Gegensatz zu ihren Erwartungen stehen,…“ (S. 299).
Dieser „erschütternde“ Zusammenhang von Befund und Theorie ist genau das, was oft genug bezüglich zahlreicher Evolutionshypothesen passierte: Es wurden und werden immer wieder Befunde gemacht, die im Gegensatz zu einzelnen evolutionstheoretischen Erwartungen stehen. Das allgemeine Evolutionsparadigma als Ganzes wird deswegen aber nicht aufgegeben, denn dieses steht gewöhnlich gar nicht zur Disposition. Weiteres dazu im W+W-Diskussionsbeitrag 6/14 zum Thema „Festlegung auf den Naturalismus“.
• Im Abschnitt über Entstehung des Lebens zitiert Neukamm aus der Rezension von B. Drossels Buch durch R. Junker wie folgt: „Wir haben keine naturwissenschaftliche Theorie, die diesen Vorgang [Entstehung des Lebens] oder auch nur wesentliche Teilschritte beschreiben würde.“ Direkt darauffolgend schreibt er:
„Er [Junker] behauptet damit, dass die Naturwissenschaft noch nicht einmal über Teilschritte der Lebensentstehung Bescheid weiß“ (S. 300).
Wie ersichtlich hat er flugs das „wesentlich“ weggelassen, womit der Sinn des Satz verfälscht wird. Erst dadurch kann er anschließend kräftig austeilen, seine anschließenden Ausführungen gehen an der Sache vorbei, sind aber zur Diskreditierung bestens geeignet. (Zum Thema selber vgl. das 8. und 9, Kapitel von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ und den W+W-Diskussionsbeitrag 7/14.)
• „Junker bemerkt selbst an anderer Stelle: ‚Je häufiger sich Fehlschläge bei den Bemühungen um ausschließlich natürliche Erklärungen einstellen, desto unplausibler wird ein solcher Weg.‘ Mit anderen Worten: Wir wissen zu wenig über die Wege der Evolution und eine natürliche Entstehung des Lebens, also sind natürliche Erklärungen unplausibel!“
Der „erläuternde“ Satz von Neukamm ist offenkundig nicht „mit anderen Worten“, sondern eine ganz andere Aussage. Bei der Originalaussage geht es vielmehr darum, dass falls ein Gelingen theoretisch zu erwarten ist und vorausgesagt wird, dann ein Misslingen selbstverständlich die betreffende Hypothese schwächt oder widerlegt – sonst müsste man ja keine Daten und Befunde suchen bzw. Experimente machen (s. o.)! Dieses Beispiel zweier direkt hintereinander gebrachter Aussagen – das Originalzitat und seine Verdrehung – zeigt beispielhaft eine Methode, derer sich Neukamm laufend bedient: Falsches Paraphrasieren. Alles, was dem dann folgt, scheint eine berechtigte Kritik zu sein; in Wirklichkeit trifft sie aber nur die falsche Paraphrase.
• „Wer dies bestreitet und meint, das ‚Wann‘ und ‚Wie‘ der Entstehung gänzlich neuer Arten, Artmerkmale und ‚molekularer Maschinen‘ sei seit Darwin völlig ‚unbekannt‘ geblieben, verschleiert dieses Wissen und ignoriert seinen Fortschritt“ (S. 301).
Mit diesem Satz, ein weiteres Beispiel für eine Paraphrase, erweckt Neukamm den falschen Eindruck, Wort und Wissen vertrete dessen Inhalt. Tatsächlich hat Wort und Wissen eine Reihe von Texten veröffentlicht, in denen es um Entstehung neuer Arten und Artmerkmale geht. Korrekt ist allerdings, dass u.a. über die evolutive Entstehung neuer molekularer Maschinen (nicht ihrer Modifikation!) oder Organe nichts Nennenswertes bekannt ist – Stand 2014.
• „Aber das sind für den Kreationismus keine Erklärungen, solange es noch irgendeine Frage gibt, die man stellen, aber nicht beantworten kann. Selbst wenn die Biologie lückenlos erklären könnte, wie aus anorganischer Materie organische Bausteine des Lebens, aus diesen wiederum biologische Makromoleküle und aus diesen die ersten replikationsfähigen Systeme entstanden wären, würde er noch immer leugnen, dass etwas erklärt wurde. Denn solange sich nicht auch das letzte Puzzleteil ins Gesamtbild fügt, klammert er sich an die Vorstellung, was die Wissenschaft in Händen halte, sei nicht mehr als leere Spekulation. Junker geht hier sehr weit, er möchte sogar in Abrede stellen, dass es Theorien gibt, die etwas beschreiben“ (S. 303).
Diese Textpassage hat mit dem, was Autoren von Wort und Wissen tatsächlich vertreten, nichts zu tun. Neukamm bleibt den Beleg für seine Behauptungen schuldig. Sie sind der traurige Höhepunkt seiner Serie von Unterstellungen.
• „Denn wer ein auf solch starken Indizien beruhendes Szenario als ‘wilde Spekulation’ abtut, weil noch nicht im Detail klar ist, wie und welche Wege beschritten wurden …“ (S. 304).
Die Anführungszeichen bei „wilde Spekulation“ suggerieren ein Zitat im Schriftgut von Wort und Wissen, das es jedoch gar nicht gibt. Wieder wird der unkundige Leser irregeführt. Neukamm setzt an anderer Stelle die „atheistische Evolutionsbiologie“ in Anführungszeichen, als sei dies ein Zitat, was ebenfalls nicht der Fall ist.
Die Liste könnte fortgesetzt werden; sie macht aber auch so genügend deutlich, wie ausgiebig mit Unterstellungen, falscher, verkürzter und sinnentstellender Zitation gearbeitet wird. Die auf solchen Verzerrungen basierenden wertenden Ausführungen sind irrelevant, weil sie auf eine Position antworten, die von W+W nicht vertreten wird.
Die obigen Antworten zeigen, dass es oft mühsam ist, auf diese Form von Kritik einzugehen. Sie führen auch nicht zu einer fruchtbaren Diskussion und werden daher von W+W auch nicht gesucht. Unterstellungen sind ein wirkungsvolles Mittel, den Diskursgegner in eine Verteidigungsposition zu zwingen, und würgen den sachlichen Diskurs ab. Die Text von M. Neukamm ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel.
Anmerkungen
- Der Text von M. Neukamm ist online unter: www.ekd.de/ezw/Publikationen_3228.php (Link funktioniert nicht mehr und wurde deaktiviert, Stand 17.7.2019)
- online: www.ekd.de/ezw/Publikationen_3230.php (Link funktioniert nicht mehr und wurde deaktiviert, Stand 17.7.2019)
- „Die Deutsche Evangelische Allianz (DEA) versteht sich als ein Bund von Christusgläubigen, die verschiedenen christlichen Kirchen, Gemeinden und Gruppen angehören. Sie steht unverkürzt zu den Heilstatsachen der Bibel und bekennt sich zur ganzen Bibel als Gottes Wort, ohne sich an eine bestimmte Inspirationslehre zu binden“ (www.ead.de/die-allianz/auftrag.html – Link funktioniert nicht mehr und wurde deaktiviert, Stand 17.7.2019).
- „Bekanntermaßen lässt sich der Kreationismus nicht vernünftig begründen und schon gar nicht wissenschaftlich verteidigen. Im Gegenteil, er macht den religiösen Glauben in den Augen derer, die nicht ohnehin schon an den Kreationismus glauben, völlig unglaubwürdig“ (S. 296).
- Es geht um die Rezension von: Barbara Drossel: Und Augustinus traute dem Verstand. Warum Naturwissenschaft und Glaube keine Gegensätze sind. Gießen: Brunnen 2013
- Er hätte auch noch erwähnen können, dass der Text über Drossels Buch ohnehin nicht nur eine Buchbesprechung ist, sondern einige grundsätzliche Fragen thematisiert, was darin auch ausdrücklich vermerkt ist.
- Hier eine Zusammenstellung der betreffenden Zitate (ggf. im unmittelbaren Kontext):
- „entstellend“, „verkürzend“ kommen nicht vor, sondern: „Der Design-Ansatz wird verkürzt und entstellt wiedergegeben.“
- „Der Design-Ansatz wird auch beim Thema ‘Gott als Lückenbüßer’ verkürzt dargestellt…“
- „Biblische Aspekte zum Thema ‘Schöpfung’ kommen sehr selektiv zur Sprache.“
- „Unterscheidungen bezüglich verschiedener Argumentationsmöglichkeiten für einen Schöpfer und bezüglich Naturwissenschaft und Naturgeschichte werden nicht oder nur rudimentär vorgenommen.“
- „Drossel macht hier aber eine unzulängliche quasi-naturalistische bzw. physiko-deterministische Voraussetzung.“
- „Drossel setzt – von ihr nicht wahrgenommene? – weltanschauliche-naturalistische Grundannahmen voraus.“
- Die Seitenangaben beziehen sich auf den gedruckten EZW-Text (Materialdienst 8/2104); online siehe Anm. 1.
- Vgl. „Naturwissenschaft bei Wort und Wissen – eine zweite Bilanz“
- Der Zusammenhang zwischen Befunden und Hypothesen ist komplizierter; s. dazu das 1. Kapitel von R. Junker & S. Scherer (Hg, 2013) Evolution – ein kritisches Lehrbuch. 7. Aufl., Gießen.
- Z. B.: M. Widenmeyer: Prinzipielle Grenzen der Naturwissenschaft, (PDF); Th. Jahn, R. Junker & M. Widenmeyer: Schöpfung und Evolution, Naturwissenschaft und Naturgeschichte, (PDF)