Zusammenstellung vorläufiger Grundtypen (Auswahl)


Titelbild: Mindestens 4 Familien aus der Ordnung der Galliformes (Hühnervögel) bilden einen Grundtyp. (B. Scholl nach http://www.evolutionslehrbuch.info/bilder/03/ekl-03-11.php)
Vorbemerkungen
Die vorliegende Tabelle mit 26 vorläufigen Pflanzengrundtypen und 48 vorläufigen Tiergrundtypen ist eine aktualisierte und erweiterte Fassung einer als Online-Anhang zu Junker & Scherer (2013) „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ verfassten gleichnamigen Zusammenstellung von Herfried Kutzelnigg: http://www.evolutionslehrbuch.info/teil-2/tabelle_grundtypen.pdf.
Welche Grundtyp-Definition liegt der Liste zugrunde?
Hier folgen wir den Ausführungen in obigem Lehrbuch und damit wesentlich der Definition von Scherer (1993a), vgl. auch die Diskussion bei Junker (2004) auf Genesis-net.de.
Vereinfacht gesagt muss ein Grundtyp zwei Bedingungen erfüllen:
1. Er muss – wie jede andere systematische Einheit – eine durch gemeinsame Merkmale gut charakterisierte und nach außen klar abgegrenzte Gruppe von Lebewesen darstellen (Ähnlichkeitskriterium).
2. Die zum Grundtyp gehörenden Arten, Gattungen usw. müssen direkt oder indirekt miteinander kreuzbar sein und dabei das Erbgut beider Eltern gleichermaßen zum Ausdruck bringen (Kreuzungskriterium). Diese Bedingung ist wesentlich, weil sie ein objektives und reproduzierbares Kriterium darstellt, aber auch deshalb, weil das Kriterium der Ähnlichkeit in allen Rangstufen anwendbar ist, indem etwa Huhn und Ente beide Vögel sind, aber nicht zum gleichen Grundtyp gehören.
Darf man Arten, Gattungen usw. zu einem Grundtyp rechnen, wenn keine Kreuzungsdaten vorliegen?
In der Praxis kommt es so gut wie nie vor, dass von sämtlichen Arten einer Verwandtschaftsgruppe Angaben über erfolgreiche Kreuzungen vorliegen. Wie verhält man sich also den übrigen gegenüber? Wenn diese gemäß verlässlichen morphologischen und molekulargenetischen Daten zwischen den Arten stehen, zwischen denen Kreuzungen bekannt sind, scheint es berechtigt, sie in den Grundtyp mitaufzunehmen. Vorsicht ist allerdings bei Randgruppen geboten, besonders wenn diese weiter getrennt sind. Günstig wird die Situation, sobald Kreuzungsverbindungen zwischen höheren Rangstufen bekannt sind. Wenn also etwa Arten von zwei gut untersuchten Unterfamilien eindeutig durch Kreuzungen verbunden sind, darf man mit einer gewissen Berechtigung auch die im Rang darunter stehenden Gattungen oder Triben in den Grundtyp einbeziehen.
Das Kriterium der Kreuzbarkeit
Kreuzbarkeit hat sich als Zeichen für nahe Verwandtschaft hervorragend bewährt, zeigt sie doch im positiven Fall, dass die genetischen Programme der Kreuzungspartner miteinander harmonieren. Im negativen Fall aber ist es anders. Man kann daraus nicht zwingend das Gegenteil schließen! Das ist ein Punkt, der der Grundtypforschung deutliche Grenzen setzt. Das muss in aller Deutlichkeit gesagt werden. Schaut man sich die Pflanzen- und Tierwelt im Hinblick auf Hybriden genau an, so fällt zunächst auf, dass es viel mehr Kreuzungen gibt, als man je aus evolutionsbiologischer Perspektive erwartet hätte. So zeigen sich dann große gut bestimmbare „Bilderbuch“-Kreuzungsgemeinschaften wie etwa bei den Kernobstgewächsen, einigen Orchideengruppen, den Entenvögeln oder den Karpfenfischen. Bei den meisten Gruppen fehlen aber typischerweise Kreuzungen – mindestens, wenn es über den Gattungsrahmen hinausgeht. Dieses Fehlen von Kreuzungen hat zwei unterschiedliche Ursachen:
1. Natürliche Hybriden sind nicht zu erwarten, wenn die Verbreitungsgebiete der Arten sich nicht überlappen. Und das ist weltweit gesehen der Normalfall. Dasselbe gilt bei unterschiedlichen Blütezeiten bzw. Paarungsgewohnheiten oder bei unterschiedlichen Lebensräumen. In beiden Fällen kann der Züchter zwar in gewissem Rahmen nachhelfen, aber dazu muss ein züchterisches Interesse vorliegen, was aber die Ausnahme ist.
2. Grundtypen sind nichts Statisches. Sie tragen ein hohes Potenzial an bereits angelegter Veränderlichkeit in sich. Dazu gehören vor allem auch Artbildungsprozesse. Diese werden meist als „Mikroevolution“ bezeichnet, obwohl sie nicht dem Prinzip einer Evolution im Sinne von Höherentwicklung (= innovative Makroevolution) folgen. Vielmehr ist es eine Diversifizierung und Spezialisierung auf der Basis vorhandener genetischer Programme. Für die Grundtypforschung wichtig ist, dass sich im Rahmen dieser Prozesse Kreuzungsbarrieren verschiedenster Art aufgebaut haben können, sodass entsprechende Kreuzungen keinen Erfolg haben. Das ist je nach betrachteter Organismengruppe sehr verschieden. Daher sind genauere Einzelfallstudien unumgänglich.
Die praktische Bedeutung molekulargenetischer Analysen für die Grundtypforschung
Aus den genannten Gründen kommt in der Praxis der Grundtypforschung dem Ähnlichkeitskriterium eine größere Bedeutung zu als ursprünglich angenommen. Dabei sind die heute so verbreiteten molekulargenetischen Untersuchungen von unschätzbarem Wert. Wenn die entsprechenden DNA-Sequenzierungen breit genug angesetzt sind und auch mit morphologischen Daten kompatibel sind, geben sie genaue Informationen über Ähnlichkeiten. Wenn man also solche Cladogramme (Ähnlichkeitsbäume) mit vorhandenen Kreuzungsdaten vergleicht, können sich diese oft sehr gut ergänzen. Jetzt aber kommt ein entscheidender Punkt: Die (sich auch häufig untereinander widersprechenden) molekulargenetischen Ähnlichkeitsbäume gehen aufgrund evolutionsbiologischer Vorgaben kontinuierlich bis auf einen angenommenen gemeinsamen Vorfahren zurück und überschreiten irgendwann die Grundtypgrenze. Daher ist hier Vorsicht geboten, damit keine Fehlentscheidungen getroffen werden. Wie oben gesagt – Ente und Huhn haben vieles gemeinsam, aber gehören nicht zum gleichen Grundtyp.
Auf welchem systematischen Niveau liegen die bisherigen Grundtypen?
Auf welchem systematischen Niveau liegt also die Obergrenze von Grundtypen? Was haben die bisherigen Erfahrungen dazu gezeigt? Die Frage kann man immer nur so weit beantworten, wie verlässliche Kreuzungsdaten und Cladogramme vorliegen. Es muss also in vielen Fällen offenbleiben, ob ein Grundtyp vielleicht doch umfangreicher ist, als bisher angenommen wurde. In anderen Fällen ist die Situation aber auch eindeutig, nämlich wenn z. B. eine Familie isoliert steht und es nichts annähernd Ähnliches gibt.
Bisher sieht es so aus, dass das Grundtypniveau bei Blütenpflanzen eher im Bereich von Triben/Unterfamilien und bei Tieren eher im Bereich von Familien/Unterordnungen liegt. Bei Blütenpflanzen ist keine Kreuzung bekannt, die über den Familienrahmen hinausgeht, bei Tieren trifft man das aber schon eher an. Dabei darf man nicht vergessen, dass die genannten Rangstufen der Systematiker, mit denen hier verglichen wird, keine objektiven Größen sind und je nach Autor und Erkenntnisstand Änderungen unterworfen sein können.
Angaben in der Tabelle zur Anzahl der Gattungen und Arten der vorläufigen Grundtypen
Wir haben uns bemüht, aus der Fachliteratur den neusten Kenntnisstand (2024/2025) der zugehörigen systematischen Einheit herauszusuchen. Aber oft genug weichen die Vorstellungen verschiedener Autoren stark voneinander ab und sind in ständigem Fluss. – Ausgestorbene Arten sind an der Stelle nicht berücksichtigt. Auf sie wird aber nach Möglichkeit im Kommentar hingewiesen.
Angaben zur Anzahl intergenerischer Hybriden
Diese Spalte in der Tabelle soll der Schnellorientierung dienen. Die Zahlen sind aber kein objektives Maß. Viel wichtiger als ihre Anzahl ist ihre Verteilung innerhalb der untersuchten systematischen Einheiten. Außerdem ändert sich ihre Anzahl, wenn Gattungen zusammengefasst oder geteilt werden. Das erklärt auch die gelegentlich angegebenen Schwankungsbreiten.