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H. von Sprockhoff: „Naturwissenschaft und christlicher Glaube ein Widerspruch?“

Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1992


Nachfolgend eine Rezension von Reinhard Junker:

In der renommierten Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschien zum Spannungsfeld „Glaube und Naturwissenschaft“ eine Publikation, in der erneut eine Zusammenschau von Evolutions- und Schöpfungslehre vertreten wird. In den letzten Jahren hat es sich mehr und mehr eingebürgert, sich in solchen Veröffentlichungen auch mit dem sogenannten „Kreationismus“ zu beschäftigen, anstatt ihn (wie zuvor) totzuschweigen oder mit polemisch gehaltenen Randbemerkungen abzutun.

Das Buch beginnt mit einem Abriß über die Indizien, die für Evolution gewertet werden. Dabei wird auch auf einige kritische Stimmen innerhalb der Evolutionslehre eingegangen. Eine Sachauseinandersetzung erfolgt dabei jedoch kaum. Den Kritikern wird im Wesentlichen die gängige Lehrmeinung entgegengehalten. Als m. E. typisches Beispiel sei die Kritik zu Ursuppenexperimenten genannt (z. B. sog. „Miller-Experimente“, die einen Beitrag zur Klärung der Entstehung ersten Lebens aus Nicht-Leben liefern sollen). Manche kritische Beurteilungen der bisherigen Ergebnisse wertet von Sprockhoff hier zwar als „logisch“, weist dann aber darauf hin, daß „zahlreiche Experten von der grundsätzlichen Richtigkeit der Millerschen Ergebnisse und der daraus gezogenen Schlüsse überzeugt“ seien (S. 18). (Vgl. dazu den Bericht über die 10. Int. Konferenz über den Ursprung des Lebens im „Info 24“.) Ein anderes Beispiel: Der Autor erwähnt die Arbeiten und Schlußfolgerungen des Anatomen E. Blechschmidt zur menschlichen Embryonalentwicklung. Blechschmidt lehnte (mit manch anderen Autoren) aufgrund seiner Studien die sog. „Biogenetische Grundregel“ ab, wonach der Mensch in seiner vorgeburtlichen Entwicklung tierähnliche Stadien durchlaufe. Anstelle einer Argumentation gegen Blechschmidts Behauptungen (deren zugrundeliegende Argumente ganz unzureichend erwähnt werden) kommt der Autor dann aber „beim Studium der wichtigsten Arbeiten“ von Blechschmidt zum Schluß, daß jener sich irre und zahlreiche Feststellungen der Evolutionsforschung verkenne oder nicht akzeptieren wolle. Er greift u. a. das berühmte Beispiel der „Kiemenbögen“ beim menschlichen Embryo heraus, die als embryonal ausgeprägte Überreste der Stammesgeschichte gewertet werden, und erwähnt die Deutung Blechschmidts, wonach die Formbildung dieser Beugefalten kinetisch zu erklären seien. Von Sprockhoff dazu: „Nur das sei die Ursache für die besonders auffallenden Furchen. Daß diese Bedeutung nicht einleuchtet und nichts für sie spricht, liegt bei der Betrachtung der embryonalen Morphologie auf der Hand.“ Darauf folgt der Hinweis auf die „namhaften Biologen“. Ein Argument sucht der Leser vergebens. Daß die meisten Biologen hier evolutionstheoretisch motivierte Deutungen vornehmen, ist ohnehin bekannt.

Als oberflächlich empfinde ich die Auseinandersetzung mit dem „Kreationismus“. Der Autor beruft sich vor allem auf eine vor zehn Jahren abgehaltene Tagung über „Evolution und Schöpfung“ in Krelingen. Die einzige schöpfungstheoretisch orientierte Publikation, auf die der Autor ein wenig eingeht, ist das Lehrbuch „Entstehung und Geschichte der Lebewesen“, das auf ihn „zunächst einen wissenschaftlich-kritischen Eindruck“ macht. Alle Angriffe gegen die Evolutionslehre seien jedoch „haltlos“, die benutzten Argumente „unwissenschaftlich“ (S. 93). Bei Schwierigkeiten behelfe man sich mit einem Hinweis auf den Schöpfer. Angesichts dieser dürftigen (und zudem falsch wiedergegebenen) Begründung gewinnt man den Eindruck, daß eine echte Auseinandersetzung mit den Aussagen dieses Buches und mit der Schöpfungslehre allgemein gar nicht beabsichtigt wurde.

Ein Hauptteil des Buches widmet sich zahlreichen Vertretern einer „theistischen Evolution“. Der Autor schließt sich der Meinung des Papstes Johannes Paul II an, wonach „recht verstandener Schöpfungsglaube und recht verstandene Evolutionstheorie“ sich nicht im Wege stünden. „Recht verstanden“ soll dabei wohl bedeuten, daß die Evolutionsforschung das „raumzeitliche Woher“ erforsche, während die Theologie nach dem „metaphysischen Warum“ der Dinge frage (vgl. S. 145). Einige Kritiker der theistischen Evolution werden zwar auch genannt (Peter Rüst, Max Thürkauf, Timothy Lenoir), von ihren Argumenten erfährt man jedoch nicht viel; ihre Position wird nur eingeordnet. Eine Rückfrage nach den dogmatischen Konsequenzen der Evolutionslehre fehlt; der Zusammenhang mit Fragen der Sünde, dem Sündenfall, der Menschwerdung Jesu, der Erlösung und der Eschatologie wird nicht bedacht. Hier liegen m. E. jedoch gerade die entscheidenden Fragen im Streit um die theistische Evolution.

Als gewisses Spezifikum des Autors ist zu werten, daß er – im Anschluß an G. Schramm – eine Evolution vertritt, in der die Information als ideelle Größe, nicht als Eigenschaft der Materie, angesehen wird, die unabhängig vom jeweiligen Träger ist (S. 146, auch S. 77ff.). Für den Geist, das Bewußtsein des Menschen gibt es nach Auffassung des Autors keine naturwissenschaftliche Erklärung, sondern er hat seinen Ursprung in einer Uridee (S. 147), „die in die für alles Belebte untrennbar verknüpfte Information einmündet“ (S. 150). In dieser Uridee sieht er einen „Ansatzpunkt für eine Art Brückenschlag zwischen Naturwissenschaft und Theologie“. Diesen Brückenschlag führt der Autor jedoch nicht selber aus, sondern formuliert nur eine entsprechende Aufgabe, die erst noch zu leisten wäre (S. 147).

Insgesamt gibt das Buch durchaus einen guten Einblick in die üblichen Argumentationsweisen, mit denen die Evolutionsanschauung mit christlichen Gottesvorstellungen zusammengeführt werden. Durch die Auflistung von über zwanzig Positionen wird deren Ähnlichkeit gleichermaßen deutlich wie deren oftmalige Schwammigkeit und die Ausklammerung der wesentlichen dogmatischen Fragen, die sich bei Akzeptanz der Evolutionsanschauung ergeben.

aus „Wort und Wissen Info 25“ (Dezember 1993)