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John Lennox: „Hat die Wissenschaft Gott begraben? (Ausgabe 2002)“

Eine kritische Analyse moderner Denkvoraussetzungen.
R. Brockhaus Verlag Wuppertal 2002 herausgegeben vom Institut für Glaube und Wissenschaft ISBN 3-417-24358-0, 144 Seiten


Nachfolgend eine Rezension von Peter Imming:

John Lennox ist Mathematiker und durch Vorträge und Aufsätze, in denen er sich für die Wahrheit des christlichen Glaubens einsetzt, bekannt geworden. Das hier rezensierte Buch basiert auf einer Vorlesungsreihe, die er im Dezember 2000 am Department of Continuing Education der Universität Oxford hielt, der er als „Research Fellow“ (forschendes Vollmitglied) des Green College angehört. Es stellt – wie im Klappentext beschrieben – „einen Versuch dar, die Argumente der modernen Naturwissenschaften in der Auseinandersetzung zwischen der atheistischen und der theistischen Deutung des Universums zu beurteilen.“ Mindestens diesem Ziel wird es nach Meinung der Rezensenten hervorragend gerecht, und die Vorträge sind in harmonischer und aufeinander aufbauender Weise überarbeitet und zusammengestellt.

Im ersten Kapitel seines Buches zeigt Lennox, daß es sich in der heutigen Diskussion nicht – wie häufig dargestellt – um einen Konflikt zwischen Wissenschaft und Glauben handelt, sondern vielmehr um einen Dissens zwischen zwei diametral entgegengesetzten Weltbildern: des Naturalismus/Materialismus und des Theismus. In einem historischen Rückblick zeigt er auf, daß viele Naturwissenschaftler ihre Forschungen gerade wegen ihres Glaubens an einen Schöpfergott betrieben. Darwin andererseits entwickelte die Evolutionstheorie, weil er eben nicht von einer theistischen Prämisse ausging, und nicht, weil ihn Beobachtungen und Funde dahin zwangen.

Lennox zweites Thema ist das Wesen der Wissenschaft. Ist Wissenschaft objektiv? Er zeigt auf, daß das jeweilige Weltbild den Rahmen, in dem Wissenschaft betrieben wird, vorgibt und die Forschungsergebnisse und ihre Deutung beeinflußt. Der Ausschluß eines anderen Weltbildes mit seinen Interpretationen der wissenschaftlichen Fakten kann zu falschen Ergebnissen führen und Wisenschaft zu einem Mythos werden lassen, eine subtile Gefahr bei einigen Naturwissenschaftlern und Philosophen heute, wie er meint.

Nachdem Lennox die Begriffe des methodischen, erkenntnistheoretischen und ontologischen Reduktionismus erklärt hat, zeigt er ihre Anwendungsbereiche und Grenzen auf. Anschließend wendet er sich dem Thema „Planung oder Zufall“ zu. Er differenziert Zufallsarten und legt dar, daß aufgrund wissenschaftlicher Entdeckungen in Kosmos und Mikrokosmos inzwischen auch viele naturalistische Forscher unsere Existenz nicht mehr nur dem „historischen Zufall“ zuschreiben wollen.

Er erklärt anhand von Beispielen die rationale Verständlichkeit, Feinabstimmung und präzise Strukturierung des Universums (das anthropische Prinzip) und zeigt, daß dies alles auf einen intelligenten Planer und Gestalter hinweist; einzige Alternative sei nur die Multiversum-Hypothese, die aber ins Reich der Science Fiction gehört.

Bei der Frage nach dem Anfang des Universums und der Zeit diskutiert er die Unfähigkeit von Naturgesetzen, Naturvorgänge in Gang zu bringen.

Dann wendet er sich der belebten Natur zu und zeigt, wie stark die neuesten Forschungen in Zell- und Molekularbiologie auf einen Bauplan hinweisen. In früheren Zeiten war es ja die Größe und Unbekanntheit des Makrokosmos, die den Menschen in erster Linie von der Kraft Gottes (Röm. 1,19-20) kündete; heute dagegen ist es die nicht-reduzible Komplexität dessen, was wir vom Mikrokosmos verstehen (Zellen, Proteine, biochemische Regulationen). Lennox geht auch auf verschiedene Erklärungsversuche der Emergenz und Selbstorganisation ein. Er widerlegt das Argument des blinden Uhrmachers und zeigt, daß die Aussage, Evolution (ein Mechanismus) schließe die Existenz Gottes (eines Urhebers) aus, ein kategorischer Erklärungsfehler ist.

Er erklärt die Begriffe Variation, Mikroevolution, künstliche Auslese – heute noch immer beobachtbare Phänomene – und kontrastiert sie mit dem Begriff Makroevolution. Letzteres ist eine nicht beobachtbare Theorie über historische Ereignisse. Mutation ist eigentlich chemische Evolution und als solche bei heutigen Organismen fast immer degenerierender Art. Er zeigt, daß aus der Fossildokumentation nicht zwingend auf Abstammung geschlossen werden kann. Er veranschaulicht anhand einiger Rechenbeispiele mit der Affenmaschine, daß der Zufall keine Proteinketten erzeugen kann und widerlegt den Versuch Richard Dawkins, in der Unwahrscheinlichkeit die Zufälligkeit drastisch zu reduzieren.

Im abschließenden Kapitel legt er dar, daß unser Dasein Sinn und Zweck hat, weil das ewige Gott-Wort Architekt und Urheber dieses Universums ist und die Ergebnisse der Wissenschaft dies bezeugen.

Insgesamt ist das Buch eine sehr gelungene Zusammenstellung der Argumente für eine theistische Sicht des Universums. Freilich geht Lennox Detailfragen der geistlichen Auseinandersetzung um Schöpfung oder Evolution aus dem Weg. Gott gibt uns mit Genesis Kap. 1 bis 11 einen Bericht über die Urzeit der Erde, dessen historische Richtigkeit sehr in Frage gestellt wird – leider sogar aus Teilen des christlichen Lagers. Lennox behandelt nicht, wie mit dieser naturalistischen oder theologischen Bibelkritik umgegangen werden kann. Das ist aber auch nicht schlimm, da man in einem Taschenbuch nicht alle Fachfragen und -argumente unterbringen kann. Vielmehr folgt sein Buch der Argumentationsweise der „Intelligent-Design“-Bewegung. Das ist durchaus biblisch gerechtfertigt: Römer 1, 19-20 sagt ja, daß wir Gott in der Natur nicht direkt finden können, sondern Götzendiener würden, wenn wir ihn in der Natur zu finden glaubten. Aber Seine Kraft und Anwesenheit wird in der Natur gesehen. Für alles, was darüber hinaus geht, sind wir auf Seine Selbst-offenbarung in der Bibel und in Jesus angewiesen. Und Lennox geht mit seiner Argumentation gerade so weit, wie man „wissenschaftlich“ gehen kann, wenn man keine naturalistische Brille auf hat.

Lennox’ Buch ist zugleich eine Fundgrube prägnanter Zitate. Dem Übersetzer Jan Carsten Schnurr ist für das sehr gut lesbare Deutsch zu danken. Wortschatz und Duktus machen das Buch nach Meinung der Rezensenten zu einer sehr anspruchsvollen Lektüre für Leser, die wissenschaftliches Vokabular und Argumentationsweise nicht gewohnt sind.

Hoffentlich findet das Buch dennoch eine weite Verbreitung. Studenten der Geistes- wie auch Naturwissenschaften ist es sehr zu empfehlen, auch zum Weitergeben an Nicht-Christen, um über Gründe für und Inhalte des Glaubens an Gott ins Gespräch zu kommen.