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0.4 Design-Theorie

0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“ (Interessierte)

Kann man an den Strukturen der Lebewesen Merkmale erkennen, die auf einen intelligenten Urheber hinweisen? Kann man ausschließen, dass solche Merkmale durch natürliche Prozesse (evolutionär) entstanden sind?

1.0 Inhalt

In diesem Artikel wird erklärt, was mit dem Design-Ansatz gemeint ist und wie man dieses Konzept begründet. Der Unterschied zwischen „Intelligent Design“ und „spezifischem Design“ wird erläutert.

1.1 Der Grundgedanke des Design-Ansatzes

Der Grundgedanke des Design-Ansatzes ist, dass man an bestimmten Strukturen der Lebewesen (oder auch der unbelebten Welt) Eigenschaften und Merkmale erkennen könne, die auf das (vergangene) Wirken eines intelligenten, willensbegabten Urhebers (Designer, Schöpfer) hinweisen und andere Möglichkeiten ihrer Herkunft unwahrscheinlich machen. Solche Eigenschaften werden hier als „Design-Indizien“ bezeichnet. Mit dem Begriff „Design“ ist hier vor allem eine zweckvolle Anordnung von Teilen gemeint, die geeignet ist, eine Funktion auszuüben, so dass eine Zielorientierung (Teleologie) erkennbar ist. Dazu können auch spielerische Elemente, Ästhetik und andere Kennzeichen der Lebewesen gerechnet werden. Verschiedene Arten solcher Design-Indizien werden im Abschnitt „Design-Indizien“ vorgestellt. Die Design-Indizien sollen durch eine naturwissenschaftliche Untersuchung nachweisbar sein.

In der neueren Diskussion über Design in der Natur wird häufig von „intelligentem Design“ (ID) gesprochen. Der Begriff „intelligent“ soll zum Ausdruck bringen, dass zur Entstehung eines Merkmals Planung und zielorientierte Steuerung erforderlich war, und naturgesetzmäßig ablaufende Vorgänge dafür nicht ausreichten. Da es sich in der Biologie eingebürgert hat, auch ohne Annahme einer Planung von „Design“ zu sprechen, soll der Zusatz „intelligent“ oder „intentional“ (absichtsvoll) bei „Design“ verdeutlichen, dass tatsächlich eine zielgerichtete Schöpfung gemeint ist. Im Folgenden soll „Design“ immer im Sinne von Planung und Zielorientierung verstanden werden; der Design-Ansatz ist also teleologisch ausgerichtet.

Während der Design-Ansatz in der Biologie neben natürlichen, naturgesetzmäßig verlaufenden Prozessen auch eine zielorientierte Handlung bei der Entstehung der Lebewesen einkalkuliert, wird dies vom Naturalismus ausgeschlossen. Mit „Naturalismus“ ist gemeint, dass alles Seiende letztlich ausschließlich auf materiellen Dingen (Materie-Energie) basiert und durch natürliche, gesetzmäßig beschreibbare, nicht-teleologische Prozesse entstanden ist. In diesem Sinne soll in diesem Artikel der Begriff „Naturalismus“ verstanden werden. Mögliche teleologische Faktoren können methodisch nicht von Vornherein ausgeschlossen werden; das gilt insbesondere in Ursprungsfragen, um die es bei der Design-Thematik geht. Sowohl das Offenhalten als auch der Ausschluss der Option „Design“ sind nur weltanschaulich begründbar und bedeuten beide eine Grenzüberschreitung über den naturwissenschaftlichen Bereich hinaus.

1.2 Eine wichtige Unterscheidung

Der klassische Ansatz des „Intelligent Design“ (ID) verzichtet ausdrücklich auf konkrete Vorstellungen über den Designer. Über den Designer wird dabei lediglich gesagt, dass er zielorientiert gehandelt habe. Aus dieser alleinigen Voraussetzung können jedoch keine konkreten Kennzeichen einer Designer-Tätigkeit abgeleitet werden; man kann also auch nicht nach solchen Kennzeichen suchen, denn man muss ja wissen, welche Kennzeichen für einen bestimmten Designer typisch sind oder sein könnten. Im Rahmen dieses Ansatzes kann man nur der Frage nachgehen, was natürliche Mechanismen ohne willentliche Lenkung, also nicht-teleologische Vorgänge oder bloße Gesetzmäßigkeiten, leisten können und was nicht. Mit dem Nachweis von Grenzen natürlicher Prozesse abzeichnen, könnte man lediglich einen Verdacht auf Design begründen. Der ID-Ansatz bleibt in den Grenzen der Naturwissenschaft, da nur die Leistungsfähigkeit natürlicher Mechanismen untersucht wird.

Gewöhnlich geht man aber anders vor. Wir kennen Design-Indizien durch unsere Erfahrungen mit menschlichem Design, vor allem in der Technik und der Programmierkunst. Solche Indizien sind z. B. nichtreduzierbar komplexe Systeme, Luxusstrukturen, die nicht durch bloße Zweckmäßigkeit erklärt werden können, oder Merkmale, die nur durch eine Zukunftsorientierung verstehbar sind. Man kann nun danach fragen, ob solche typischen Kennzeichen menschlicher Designer (Design-Indizien) auch bei den Lebewesen gefunden werden. Bei dieser Vorgehensweise wird eine gewisse Ähnlichkeit im Design des Urhebers der Lebewesen mit dem Design menschlicher Designer vorausgesetzt. Hier spielen also Annahmen über die Person und die Attribute des Designers eine maßgebliche Rolle. In Anlehnung an Heilig (2008) sollen Design-Ansätze, die konkrete Vorstellungen vom Wirken eines Designers zugrundelegen, mit dem Begriff „spezifisches Design“ (SD) gekennzeichnet werden. SD muss also von ID unterschieden werden.

Wenn nach spezifischem Design (SD) in der Natur gesucht wird, eröffnen sich Fragen für die Forschung: Design-Indizien können definiert werden (z. B. „nichtreduzierbare Komplexität“ oder „spielerische Komplexität“) und ihr Nachweis in der Natur kann versucht werden. Wenn solche Indizien tatsächlich nachgewiesen werden können, ist eine plausible Interpretation der Daten unter der Voraussetzung eines Designers gelungen. Im Rahmen des SD-Ansatzes ist auch – anders als beim ID-Ansatz – ein Vergleich von Vorhersagen möglich, denn in diesem Rahmen kann das Auftreten konkreter Design-Indizien vorhergesagt und geprüft werden. Diese Vorhersagen können mit Vorhersagen nicht-teleologischer Ansätze verglichen und auf der Basis des Vergleichs ein Schluss auf die beste Erklärung gezogen werden (s. u.). Dies ist in Rahmen des ID-Ansatzes nicht möglich, weil nur die Leistungsfähigkeit nicht-teleologischer Erklärungen beurteilt wird.

Zum Design-Ansatz gehören also Erkennbarkeit von Design und das Fehlen einer nicht-teleologischen Erklärung. Der ID-Ansatz kann nur zu einem Verdacht auf Design aufgrund des Nachweises von Grenzen natürlicher, ungerichteter Prozesse führen, während der SD-Ansatz ermöglicht, Design-Indizien zu definieren und nachzuweisen, die typisch für einen bekannten Designer sind. Könnte ein mutmaßliches Design-Indiz jedoch durch natürliche Prozesse erklärt werden, verlöre es seinen Charakter als eindeutiges Indiz. Es könnte zwar erkannt werden, Design wäre aber als Erklärung nicht mehr unbedingt notwendig, wenn auch möglich.

Im Folgenden ist mit „Design-Ansatz“ allgemein eine teleologische Ursprungssicht gemeint, wobei immer auch Erkennbarkeit von Design eingeschlossen ist. Wenn von „ID“ die Rede ist, wird über die Identität des Designers und über die Kennzeichen seines Wirkens nichts ausgesagt, während im Rahmen von „SD“ dazu konkrete Aussagen gemacht werden.

Nicht alle Befürworter des Design-Ansatzes lehnen Evolution ab; gemeinsam ist ihnen aber eine teleologische Weltsicht und damit die Auffassung, dass natürliche Faktoren alleine den Formenwandel nicht erklären können.

1.3 Warum der Design-Ansatz nach wie vor im Rennen ist

Wissenschaftliche Forschung soll helfen, die Wahrheit herauszufinden: Wie ereignete sich der Ursprung des Lebens? Wie entstanden die vielfältigen Baupläne der Lebewesen? Wer diesen Fragen nachgeht, ist nicht auf eine bestimmte Forschungsmethode beschränkt, sondern die Methoden sollen im Dienste der Wahrheitsfindung stehen. Als mögliche „richtige Antwort“ kommt eine direkte Schöpfung grundsätzlich in Frage – es sei denn, man schließt diese Möglichkeit vorn vornherein aus weltanschaulichen Gründen aus. Die Erforschung der Ursprünge ist aber nicht darauf festgelegt, dass dabei nur naturgesetzmäßig beschreibbare Vorgänge eine Rolle spielen können. Die Frage nach Hinweisen auf Design in der Biologie ist legitim.

In der Frage nach Design geht es um Ursprungsfragen und um vergangene Abläufe. Die in der Vergangenheit wirksamen Ursachen können nicht experimentell erforscht werden; ob es nur natürliche Abläufe gab oder auch willensgesteuerte, ist zunächst völlig offen. Dieser Offenheit trägt der Design-Ansatz insofern Rechnung, als er in der Suche nach Ursachen für den Ursprung der beobachteten Phänomene breit angelegt ist und sowohl gesetzmäßig beschreibbare Prozesse als auch die Möglichkeit zielorientierter Eingriffe ins Auge fasst. Er kann sowohl Planung als auch Erklärungen mittels bloßer Mechanismen handhaben und schließt keine der beiden Möglichkeiten vorschnell aus. Damit ist er qualifiziert, historische Fragestellungen zu bearbeiten, denn es kann ja nicht ausgeschlossen werden, dass in der Vergangenheit zielorientierte Eingriffe eine Rolle gespielt haben. Dabei wird weder vorschnell noch willkürlich auf Eingriffe geschlossen, sondern erst nach eingehender Prüfung (s. u.).

Pläne und Zielsetzungen kann man zwar nicht direkt nachweisen, aber an Indizien erkennen, z. B. an zielgerichteten Abläufen und zweckmäßigen Konstruktionen. Der Gedanke an Planung und Zielorientierung (Teleologie) in der Natur drängt sich dem Betrachter auf. Entsprechend gibt es in der Biologie unvermeidlich eine teleologische Sprache. So ist von Strategien, Erfindungen, Problemlösungen, Neuprogrammierung oder Flickschusterei und vielem mehr die Rede. Alle diese Begriffe machen nur Sinn, wenn ein Akteur angenommen wird, und passen nicht zu bloßen Naturkräften und Gesetzmäßigkeiten (vgl. Abb. 363). Es wird zwar behauptet, die teleologischen Begriffe seien nur metaphorisch gemeint, doch ist der Nachweis, dass Beschreibungen biologischer Organisation und biologischer Prozesse und ihr Ursprung ohne teleologische Begriffe bei gleichem Erklärungsgehalt möglich sind, nie erbracht worden (Mutschler 2003; Spaemann & Löw 1981).

Abb. 363: Qualle und Rippeln. Zweimal Ordnung: Die Sandrippeln sind zwar formschön, jedoch nur Folge von Strömungsgesetzen. Im Unterschied dazu besitzt die Qualle als lebender Organismus eine ganz andere Qualität von Ordnung: Sie nutzt Gesetzmäßigkeiten aus, statt ihnen nur ausgeliefert zu sein, kann auch gegen den Strom schwimmen und besitzt eine zielgerichtete Ordnung. Dieser Unterschied hat fundamentale Folgen für das Verständnis des Lebens. (Foto: Peter Imming)

Der Design-Ansatz (im Sinne von SD) wird auch in anderen Wissenschaftszweigen verfolgt, z. B. wenn in der Archäologie an Steinwerkzeugen Hinweise auf einen Bearbeiter gesucht werden, die nicht durch bloße Neturkräfte entstanden sein können. Die Suche nach Indizien einer absichtsvollen Bearbeitung eines Objekts ist angebracht, wenn man die Entstehungsweise herausfinden möchte. Das gilt auch für den Ursprung der Lebewesen. Hier wird zwar seit Darwin behauptet, dass die Entstehung der Lebewesen durch bloße Gesetzmäßigkeiten nachgewiesen worden sei, doch ist diese Behauptung keineswegs bewiesen; es gibt auch Evolutionstheoretiker, die das einräumen (vgl. Artikel |1.3.3.6.2 Evo-Devo| und [#NEWS 93 Mikroevolution, Makroevolution und „ID“|). Dass Planung und Zielorientierung nur ein Schein sei, wurde nie gezeigt. Der Wissenszuwachs hat sogar manche Erklärungsprobleme bezüglich der Entstehung biologischer Strukturen größer werden lassen.

1.4 Der Design-Ansatz in der Biologie – eine neue Art von Wissenschaft?

Ein grundlegendes Problem für den Design-Ansatz besteht darin, dass die Aktionen eines Urhebers und seine Identität prinzipiell naturwissenschaftlich nicht fassbar sind und seine Vorgehensweise naturwissenschaftlich nicht beschreibbar ist. Die zielorientierte Tätigkeit kann nur mittelbar anhand von Wirkungen und Spuren erkannt werden. Es kann schon gar nicht einen Design-Mechanismus geben, wenn unter „Mechanismus“ ein gesetzmäßig beschreibbarer, raumzeitlicher Vorgang gemeint ist – das wäre ein Widerspruch in sich. Es kann daher beim Design-Ansatz nicht darum gehen, einen Designer naturgesetzlich „dingfest“ zu machen und den Schöpfungsvorgang zu rekonstruieren. Im Rahmen des Design-Ansatzes werden vielmehr folgende Fragen gestellt:

  1. Woran können Spuren des Wirkens eines Urhebers erkannt werden?
  2. Werden diese Spuren tatsächlich gefunden und wie plausibel und wie sicher ist ihre Interpretation als Designer-Spuren?

Zur Erläuterung ziehen wir einen Vergleich mit der Untersuchung eines Faustkeils. Wenn die Form eines Faustkeils ausschließlich durch Naturvorgänge wie Erosion erklärbar wäre, wäre die Annahme eines Urhebers, der willentlich den Faustkeil geformt hat, überflüssig. Wenn ein Urheber aber den Faustkeil geformt hat, kann seine Bearbeitung auf der Ebene des Objekts nicht beschrieben werden. Wir sehen am Objekt keine Werkzeuge, die es bearbeitet haben, und keine Zielsetzungen, die dahinter standen. Auch der Vorgang der Bearbeitung des Objekts ist nicht beobachtbar. Um die Tätigkeit eines Urhebers plausibel zu machen, können wir aber zweierlei machen: 1. Wir beobachten die Wirkung natürlicher Vorgänge wie Erosion lernen dadurch, welche Grenzen solchen nicht-teleologischen Prozessen höchstwahrscheinlich gesetzt sind. Finden sich an einem Objekt Kennzeichen, die nicht-teleologisch nach allem gegenwärtigen Wissen nicht entstehen, haben wir ein starkes Verdachtsmoment dafür, dass andere Ursachen oder ein Urheber entscheidend gewirkt haben. 2. Wir stellen ein SD-Modell auf. Dazu stellen wir selbst einen Faustkeil her und verstehen dadurch, dass und wie ein solcher Gegenstand durch zielorientierte Aktion entstehen kann. Da zielorientiert gearbeitet wird, handelt es sich natürlich nicht um ein Modell für natürliche Prozesse. Vielmehr dient das Nachmachen zur weiteren Klärung, wo die Grenzen natürlicher und das Potential kreativer Kräfte liegen.

Entsprechendes gilt für Versuche, durch die im Labor Leben oder wenigstens lebenswichtige Makromoleküle oder Zellbestandteile zu erzeugt werden. Man kann auch hier ggf. simulieren, auf welche Weise die betreffenden Strukturen entstanden sein könnten und auch hier besser verstehen, welche Limitationen ungelenkten Prozessen gesetzt sind und warum. Sobald dabei aber eine Lenkung im Spiel ist, die unter natürlichen Bedingungen nicht realistisch ist, können solche Versuche keine Modelle für ungelenkte hypothetische natürliche Vorgänge in der Erdvergangenheit sein. Eine plausible, vollständige, naturalistische Erklärung der Entstehung eines Naturgegenstandes würde die Annahme eines zielorientiert eingreifenden Designers dagegen überflüssig machen und der Design-Ansatz würde sich erübrigen.

Forschung im Rahmen des Design-Ansatzes erfordert also keine neue Art von Wissenschaft und schon gar nicht das Unterbleiben von Wissenschaft. Vielmehr wird zur Bewährung von Design-Hypothesen Naturwissenschaft in zweierlei Hinsicht benötigt: 1. Die Leistungsfähigkeit natürliche Prozesse muss ausgelotet werden. 2. Durch Simulationen kann untersucht werden, inwiefern eine Lenkung und Zielorientierung erforderlich ist, um einen Gegenstand erzeugen zu können. Das damit gewonnene Wissen ist die Grundlage zur Beurteilung, ob Design zur Erklärung eines bestimmten Kennzeichens von Lebewesen erforderlich ist oder nicht. Anders als in rein naturalistischen Ansätzen sind allerdings manche Fragestellungen, die sich aus der Offenheit teleologischer Abläufe ergeben, vor allem die Suche nach Design-Indizien und die Begründungen dafür, dass sie wirklich durch Design entstanden sind. Der Design-Ansatz kann sich umso mehr bewähren, je mehr man über den untersuchten Gegenstand weiß.

 

„Erklärungen“ in der Ursprungsforschung. Beim Design-Ansatz geht es um Geschichte. Welche Erklärungen sind diesem Gegenstand angemessen? In den Naturwissenschaften erfolgen Erklärungen gewöhnlich deduktiv-nomologisch nach dem sogenannten Hempel-Oppenheim-Schema (HO-Schema; nach Hempel & Oppenheim 1948). Der zu erklärende Sachverhalt (das Explanandum) wird aus Gesetzen und Randbedingungen (Explanans) gefolgert.

Das HO-Schema kann auch umgekehrt in der Art und Weise angewendet werden, dass aus bekannten Gesetzen und bekannten Randbedingungen Schlussfolgerung als Voraussagen formuliert werden, die anschließend überprüft werden (so z. B. bei der Vorhersage einer Sonnenfinsternis).

 

Gesetze

Randbedingungen, Beobachtungen

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Zu erklärender Sachverhalt

 

In Ursprungsfragen ist dieses Erklärungsschema kaum anwendbar. Problematisch ist vor allem das Fehlen von „Ursprungsgesetzen“. Man kennt zwar Variationsmechanismen, diese sind aber nicht als Gesetze fassbar, aus denen die Entstehung von Neuheiten ableitbar wäre. Auch die Randbedingungen sind im Einzelnen weitgehend unbekannt oder nur sehr hypothetisch. Die Geschichte der Natur ist singulär und kann nicht ausschließlich mit Gesetzen beschrieben werden, auch wenn Gesetze dabei eine Rolle spielen können. Daher ist auch die hypothetische Evolutionsgeschichte nicht deduktiv-nomologisch erklärbar.

Aufgrund dieser Situation können in Ursprungsfragen nur hypothetische Szenarien entworfen werden, die auf Stimmigkeit mit den Daten und mit bekannten Gesetzen geprüft werden können. Nicht selten passen dieselben Daten jedoch zu ganz unterschiedlichen, eventuell sogar einander widersprechenden Szenarien. An der Spitze des Schemas steht somit kein Gesetz, sondern eine konzeptionelle Vorgabe zur Organismengeschichte, also z. B. „natürliche Evolution der Lebewesen“:

 

Allgemeine Evolution

Randbedingungen

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Vielfalt der heutigen Lebewesen

In dieser Art und Weise kann man auch im Rahmen des Design-Ansatzes verfahren. Statt „Allgemeine Evolution“ steht am Anfang des Schemas „zielorientierte Planung“ oder der Einfachheit halber „Schöpfung“. In beiden Fällen können bestimmte Beobachtungen nicht zwingend abgeleitet werden. Zwar gab und gibt es bestimmte Erwartungen, die aus einer allgemeinen Evolution abgeleitet werden konnten, doch solche Erwartungen sind nicht zwingend und wurden häufig enttäuscht, was zu entsprechenden Änderungen von Evolutionstheorien führte. Auch aus der Vorgabe von Design können Erwartungen abgeleitet werden, die ebenfalls nicht zwingend sind. Man kann in Ursprungsfragen also nicht nomologisch-deduktiv vorgehen, sondern man schließt ausgehend von einer Beobachtung (dem Resultat eines hypothetischen Prozesses – hier: Naturprozess oder Design) auf eine Regel und einen Anwendungsfall. Dieses Schlussverfahren nennt man abduktiv; es ist jedoch nicht eindeutig. Ein einfaches Beispiel:

 

Angenommen, es hätte geregnet, dann wäre die Straße nass (Regel)

Resultat: Die Straße ist nass

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Wahrscheinlich hat es geregnet (Fall)

Es ist klar, dass man nur schließen kann, dass es geregnet haben könnte. Die Nässe könnte ja auch andere Ursachen haben, z. B. umgekippte Wasserbehälter. Man kann aber argumentieren, dass auf diejenige Erklärung abduktiv geschlossen wird, die man am ehesten erwarten kann bzw. die am wenigsten überraschend ist (Ratzsch 2005a). Es handelt sich dann um eine vergleichsweise gute oder naheliegende Erklärung. Wenn es keine bessere oder genauso gute Erklärung gibt, handelt es sich um einen Schluss auf die beste Erklärung (s. u.). Wenden wir dieses Verfahren nun auf die Design-Thematik an. Das kann bei Vorgabe eines SD-Modells beispielsweise so aussehen:

 

Nichtreduzierbare komplexe Apparate entstehen durch Einsatz von Intelligenz (Regel)

Resultat: Der Bakterienmotor ist nichtreduzierbar komplex

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Der Bakterienmotor ist möglicherweise durch Einsatz von Intelligenz entstanden (Fall)

 

Dieser abduktive Schluss kann auf zwei Weisen geschwächt werden: zum einen durch den Nachweis, dass der Bakterienmotor ohne Verlust der Motorfunktion in kleinen Schritten abgebaut werden kann, denn dann wäre er nicht nichtreduzierbar komplex. Zum anderen durch den Nachweis, dass nichtreduzierbar komplexe Apparate auch ohne Einsatz von Intelligenz entstehen können; dann würde die obige Regel nicht stimmen. Solange beides nicht gelingt, kann dieser abduktive Schluss auch als Schluss auf die beste Erklärung gelten. Tatsächlich wurden beide Versuche, den abduktiven Schluss zu schwächen, oftmals unternommen (s. Abschnitt „Design-Signale“). Die „beste“ Erklärung muss dabei nicht die „wahre“ Erklärung sein, es ist nur die beste im Vergleich zu anderen Erklärungen. Der abduktive Schluss und der Schluss auf die beste Erklärung (als Spezialfall) sind mögliche, aber keine sicheren Schlüsse; es geht daher nur um Plausibilität, nicht um Beweise im strengen Sinne. Der abduktive Schluss auf Design erhält Konkurrenz, wenn natürliche Mechanismen die Entstehung der in Rede stehenden Struktur erklären können. Dann ist Design nicht mehr der Schluss auf die beste Erklärung; vielmehr würde sich der Design-Ansatz, der eine Erkennbarkeit von Design plus Fehlen einer nicht-teleologischen Erklärung beinhaltet, erübrigen. Der abduktive Schluss auf Design kann natürlich auch dadurch vermieden werden, dass man das Wirken eines Designers prinzipiell ausschließt. Dies würde allerdings genauso einer weltanschaulichen Vorentscheidung entspringen wie die Annahme, dass es einen Designer gibt oder wie das Offenlassen dieser Möglichkeit. Solange Evolutionsmechanismen unbekannt sind, wäre der Ausschluss von Design weder methodisch noch empirisch begründet.

1.5 Wie wird Design begründet?

Negative Argumentation: Eliminative Induktion. Von ID-Befürwortern wurde vorgeschlagen, auf dem Wege der eliminativen Induktion das Vorliegen intelligenter Ursachen zu begründen. Diese Vorgehensweise beinhaltet das sukzessive Widerlegen verschiedener Erklärungs-Alternativen, bis nur noch eine Erklärung übrig bleibt. In unserem Fall hieße das, das Scheitern aller bekannten naturalistischen Erklärungsversuche für die Entstehung von „Design-verdächtigen“ Strukturen Schritt für Schritt zu demonstrieren, bis nur noch die Erklärung durch Design übrig bleibt.

Doch diese Aufgabe ist kaum endgültig zu erledigen. Denn woher weiß man, dass alle möglichen Alternativen bedacht wurden? Alle möglichen Entstehungsweisen müssten vollständig erforscht worden sein. Das ist jedoch nicht möglich. Kritiker argumentieren, dass damit nur ein argumentum ad ignorantiam möglich sei, also eine Berufung auf Nichtwissen, das aber nichts weiter besage. Die negative Argumentation ist aber dann von Bedeutung, wenn eine teleologische Entstehungsweise bekannt oder plausibel ist. Dann kann nämlich der Schluss auf die (derzeit) beste Erklärung) gezogen werden (s. o.). Dieser Schluss liefert aber keinen endgültigen Beweis für Design. Wenn jedoch zunehmende Kenntnisse über das untersuchte System im Speziellen und zunehmende Kenntnisse über Variationsmechanismen im Allgemeinen die Kenntnislücken in den Ursprungsfragen nicht verkleinern, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es keinen natürlichen Ursprung gibt.

Obwohl also aus dem negativen Argument kein Beweis für Design abgeleitet werden kann, hat es doch Bedeutung, weil sich durch den Fortgang der Forschung eine Tendenz herauskristallisieren kann: Zunehmendes Wissen kann die Lücken im Verständnis der Ursprünge (Erklärungslücken) durchaus vergrößern. Hier wird wieder deutlich, dass der Design-Ansatz Forschung braucht.

Positive Argumentation. Um positiv für Design in der Biologie argumentieren zu können, muss geklärt werden, wie Kennzeichen von Design erkannt werden können. Dazu wird ein SD-Modell benötigt. Hier bietet es sich an, von Kennzeichen menschlichen Designs auszugehen. Wir wissen, welche Kennzeichen Gegenstände besitzen, die planvoll – teleologisch – entstanden sind. Als solche Design-Indikatoren gelten spezifizierte Komplexität, nichtreduzierbar komplexe Systeme, spielerische Komplexität, Wiederverwendung von Bauteilen und manches andere mehr. Wir nennen solche Indikatoren „Design-Indizien“ (s. u.). Die Deutung solcher Kennzeichen als Design-Indizien erhielte jedoch Konkurrenz, wenn für diese ein plausibler natürlicher Ursprung nachgewiesen werden könnte. Die entscheidende Frage ist daher, ob die als Design-Indizien interpretierten Merkmale der Lebewesen auch durch natürliche Evolutionsprozesse entstehen können. Damit sind wir wieder bei der negativen Evidenz (s. o.). Design-Indizien werden auch an den Grenzen natürlicher Prozesse erkannt.

Werden jedoch keine Aussagen über den Designer zugelassen (ID-Ansatz), kann man auch keine Design-Indizien benennen. Dann kann man auch nicht durch den Nachweis von Design-Indizien positiv auf ID schließen, sondern nur negativ argumentieren, dass die bisher bekannten natürlichen Prozesse bestimmte Kennzeichen der Lebewesen bisher nicht erklären können.

Eine positive Argumentation für Design ist auch möglich unter Berücksichtigung von Simulationen. Man ist heute in der Lage, DNA und funktionale Proteine im Labor herzustellen. Das funktioniert nur mit einem entsprechenden Versuchsaufbau und Timing. Die Forschung auf diesem Gebiet hat gezeigt, dass eine gesteuerte und zielgerichtete Synthese möglich ist. Dagegen ist ein ungerichteter Entstehungsweg unbekannt. Mit dem Schluss auf die beste Erklärung kann man sagen, dass ein intentionaler Ursprung der Makromoleküle der Lebewesen sehr viel wahrscheinlicher ist als ein ateleologischer. Vermutlich wird man das auch sagen können, sollte man eines Tages in der Lage, kompliziertere Systeme, vielleicht sogar Lebewesen herzustellen. Da wir einen Weg der Entstehung von Makromolekülen kennen, können wir beurteilen, ob dieser Weg auch ohne Lenkung begehbar ist. Die Antwort ist nach allem, was wir wissen, eindeutig nein. Man kann sich hier daher nicht mehr so einfach auf ein „wir wissen noch viel zu wenig“ zurückziehen, denn zunehmendes Wissen hat dieses „nein“ begründet.

In Bezug auf die historische Frage, wie in der Vergangenheit die Lebewesen erstmals entstanden sind, können solche Simulationen allerdings keine Antworten geben, sondern nur Möglichkeiten aufzeigen und den (vorläufigen) Schluss auf die beste Erklärung erlauben.

Auf der Komplexitätsstufe des Lebens wird die Sache insofern komplizierter als in der präbiotischen Chemie, als das Leben zusätzliche Eigenschaften besitzt, die Makromolekülen, isolierten biologischen Apparaten oder einzelnen Stoffwechselkaskaden nicht zukommen. Dennoch kann man vergleichbar argumentieren wie soeben in der Frage der Lebensentstehung, muss sich aber der Frage stellen, ob die zusätzlichen Eigenschaften der Lebewesen die Design-Argumentation in Frage stellen oder gar aufheben. Das ist Thema des folgenden Abschnitts.

1.6 Der Analogieschluss

Manche Ähnlichkeiten zwischen technischen Konstruktionen und Konstruktionen der Lebewesen sind so auffällig, dass sich ein Analogieschluss auf ähnliche Ursachen aufdrängt. In der Design-Thematik geht es um die Frage, ob der im Bereich menschlichen Designs getätigte Schluss von Design-Kennzeichen auf einen Designer analog auf die Lebewesen angewendet werden kann. Im Falle menschlicher Artefakte sind die Designer in der Regel bekannt, bei den Lebewesen ist das nicht und es ist gerade umstritten, ob es einen Designer der Lebewesen gibt. Aber gerade vor diesem Hintergrund kommt der Analogieschluss zum Tragen (vgl. Abb. 105).

Abb. 105: Veranschaulichung der Analogie zwischen lebendiger und technischer Konstruktion. Links ist die grundsätzliche Konstruktion eines Motors dargestellt, rechts der Nanomotor eines E. coli-Bakteriums. Beide Strukturen sind zweckgerichtet, viele Komponenten sind offenkundig auf ein Ziel hin organisiert. Nach NACHTIGALL 2002, S. 126

 

Formal funktioniert der Analogieschluss wie folgt:

 

T und L haben die ähnliche Eigenschaft I

Es ist kein Fall bekannt, in dem I in T ohne D auftritt

Ähnliche Eigenschaften haben ähnliche Ursprünge

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Daher ist I in L wahrscheinlich auch durch den Entstehungsweg D entstanden

 

T stehe für „technisches System“, L für „lebendiges System“, I für ein Design-Indiz, D für intentionales Design.

 

Also zum Beispiel konkret:

 

Technische Rotationsmotoren (TR) und Flagellen weisen eine nichtreduzierbare Komplexität auf

Es ist kein Fall bekannt, in dem nichtreduzierbare Komplexität in TR ohne D auftritt

Ähnliche Eigenschaften haben ähnliche Ursprünge

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Daher ist nichtreduzierbare Komplexität in Flagellen wahrscheinlich auch durch D entstanden

 

In dieser Formulierung spielen Unterschiede zwischen technischen Rotationsmotoren und Flagellen zunächst keine Rolle. Die Schlussfolgerung ist zwar nicht zwingend (es handelt sich um einen abduktiven Schluss), aber es ist die nächstliegende, solange andere Entstehungswege unbekannt sind, da sie die Analogie (gemeinsamer Besitz von I) für sich verbuchen kann.

Im Vergleich zu technischen Systemen bestehen Unterschiede bei den Lebewesen wie z. B. Fehlertoleranz, Flexibilität, Variabilität und Fortpflanzungsfähigkeit. Wir werden uns im Folgenden der Frage widmen, ob diese Unterschiede den Analogieschluss widerlegen.

Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit. Anders als bei archäologischen Artefakten oder technischen Geräten gibt es bei Lebewesen Variabilität und Variationsmechanismen; es gibt Stoffwechsel und sie können sich fortpflanzen. Liegt darin das Potential, dass sukzessiv über viele Generationen hinweg auch evolutionäre Neuheiten erworben werden können? Es wurde jedoch noch nicht gezeigt, dass Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit und die anderen spezifischen Eigenschaften der Lebewesen tatsächlich zur Herausbildung neuer Strukturen führen. Aus der Reproduktionsfähigkeit folgt keine Fähigkeit zur Neuproduktion und aus der Variationsfähigkeit folgt keine Innovationsfähigkeit. Was die zusätzlichen Merkmale der Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit ermöglichen, ist freilich noch nicht ausgelotet. Andererseits stellen sich für diese Fähigkeiten ebenso die Fragen nach deren Entstehung. Denn die Fortpflanzungsfähigkeit erfordert eine hochvernetzte Interaktion zwischen Informationsträgern und den korrespondierenden morphologisch-funktionellen Merkmalen. Das biologische Design dafür verweist erst recht auf Planung. Statt einen Schlüssel für Evolution zu liefern könnten diese besonderen Fähigkeiten der Lebewesen die Frage nach ihrer Entstehung auch verschärfen.

Dass die Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit der Lebewesen das Analogieargument nicht wertlos macht, wird beispielhaft am häufig anzutreffenden Kennzeichen der nichtreduzierbaren Komplexität (s. u.) deutlich: Solche Strukturen müssen nach gegenwärtigem Kenntnisstand in einer einzigen Generation von einer Vorläuferstruktur mit anderer Funktion entstehen, da sie durch die bisher bekannten natürlichen Vorgänge nicht schrittweise aufgebaut werden können, weil das über selektionsnachteilige Stadien führen würde (Genauere Argumentation und Auseinandersetzung mit Gegenargumenten finden sich im Artikel |0.4.1.4.2 Nichtreduzierbare Komplexität|). Die Fortpflanzungsfähigkeit der Lebewesen hilft in solchen Fällen also nicht weiter und eignet sich nicht dafür, den Analogieschluss zu entkräften. Entsprechend müssen andere Unterschiede zwischen Technik und Lebewesen beurteilt werden, ob ihnen das Potential zu eigen ist, Design entstehen zu lassen.

Aufgrund der Beschreibung lebendiger Konstruktionen durch teleologische Begriffe und aufgrund tiefgehender Entsprechungen zwischen Natur und Technik ist ein Analogieschluss über die Entstehung lebender Konstruktionen begründet. Die Analogie zwischen Organismen und Technik wird durch Unterschiede zwischen lebendigen Konstruktionen und technischen Konstrukten aus zwei Gründen nicht in Frage gestellt: 1. Die tiefgreifenden Ähnlichkeiten werden dadurch nicht verringert, 2. In den Unterschieden liegt nicht das Potential zu einer nicht-teleologischen, mechanismischen Erklärung. Dies könnte sich durch weitere Kenntnisse über Evolutionsmechanismen allerdings ändern; der Analogieschluss ist also widerlegbar und kann sich als Fehlschluss erweisen, er kann durch weitere Befunde aber auch gestärkt werden.

1.7 Design-Indizien

Der Begriff „Design-Indiz“ wurde in den vorangehenden Abschnitten schon mehrfach gebraucht. Als Design-Indizien sollen solche Kennzeichen von Lebewesen bezeichnet werden, die als Hinweise auf das Wirken eines Designers gewertet werden können, die also kennzeichnend für Planung und Zielorientierung sind. Welche Kennzeichen kann man nun erwarten, wenn ein Gegenstand designed ist?

Wichtig ist hier die eingangs erläuterte Unterscheidung zwischen dem „klassischen“ ID-Ansatz und spezifischem Design (SD). Nach dem ID-Ansatz sollen jegliche konkrete Vorstellungen über das Wirken des Designers ausgeklammert werden. Bei dieser Vorgehensweise kann man aber nur der Frage nachgehen, ob Grenzen für nicht-teleologische Vorgänge nachweisbar sind. Was durch nicht-teleologische Prozesse und Mechanismen nicht erklärt werden kann, kann dann aber nur einen Verdacht auf Design liefern. Nur wenn man auch konkrete Vorstellungen vom Wirken eines Designers zugrundelegt (z. B., dass er optimale Lösungen von Konstruktionsproblemen bevorzugt, oder dass er Sinn für Ästhetik hat), kann man nach entsprechenden konkreten Design-Indizien suchen.

Nachfolgend sollen Design-Indizien vorgestellt und diskutiert werden, bei denen ein Bezug auf SD vorliegt. So wird insbesondere angenommen, dass die Konstrukte des Designers ähnliche Kennzeichen aufweisen wie die Konstruktionen des Menschen. Dadurch besteht die Möglichkeit, nach konkreten Hinweisen auf Design zu suchen, indem menschliches Design analysiert wird und typische Merkmale herausgefiltert werden: Wir designen beispielsweise nicht nur zweckmäßig im Sinne höchster Effizienz, sondern berücksichtigen auch ästhetische Aspekte. Wenn ein menschenähnlicher Designer das Leben designed haben sollte, sind daher auch Strukturen zu erwarten, die solche Kennzeichen aufweisen. Ohne diese Spezifizierung des Designs können im Rahmen des Design-Ansatzes solche Erwartungen nicht abgeleitet werden.

Jedes Design-Indiz verdiente eine ausführliche Besprechung; dies ist teilweise an anderer Stelle geschehen, worauf hier verwiesen werden soll. Hier soll nur ein kurzer Überblick gegeben werden.

Nichtreduzierbare Komplexität. Organismen bestehen aus zahlreichen synorganisierten Teilsystemen, d. h. es wirken viele Komponenten zusammen, um eine Funktion auszuüben. Mindestens ein Kernbereich dieser Systeme scheint dabei unverzichtbar zu sein; er ist nicht reduzierbar; d. h. kein Element darf entfernt werden, ohne dass es zu einem totalen Funktionsausfall kommt (bezogen auf die Funktion des Systems!). Ein einzelnes System ist demnach nichtreduzierbar komplex (irreducible complex, im Folgenden mit „IC“ abgekürzt), wenn es notwendigerweise aus mehreren, gut aufeinander abgestimmten, wechselwirkenden Teilen besteht, die an der Grundfunktion beteiligt sind, so dass die Entfernung eines beliebigen Teils diese Funktion restlos zerstört (nach Behe 1996, 39). Ein solches System wird als IC-System bezeichnet. Wichtig in der Definition von IC ist, dass es sich um wechselwirkende („interacting“) Teile handelt, die aufeinander abgestimmt („well matched“) sind.

Auf dem Nachweis von nichtreduzierbarer Komplexität (ggf. eines Kernbereichs) baut das IC-Argument auf. Es besagt: Es ist nicht möglich, ein IC-System kleinschrittig durch ungerichtete evolutive Prozesse aufzubauen. Denn solange das System nicht alle für die Ausübung der betreffenden Funktion erforderlichen Teile besitzt, wäre es aufgrund seiner Funktionslosigkeit (bezüglich der Grundfunktion) selektionsnegativ oder bestenfalls selektionsneutral (falls das System sehr einfach ist). Das heißt: Nichtreduzierbar komplexe Systeme (IC-Systeme) sind so gestaltet, dass die Selektion auf die betreffende Grundfunktion hin erst greifen kann, wenn das System komplett ist. Denn Vorstufen wären auf eine erst noch zu erwerbende Funktion hin nicht selektierbar. Das Konzept der nichtreduzierbaren Komplexität berücksichtigt also ausdrücklich den Selektionsaspekt. Das ist der negative Teil des Arguments. Wichtig ist dabei, dass das IC-Argument nicht beinhaltet, dass die IC-Struktur gleichsam aus dem Nichts entstanden sein soll; es kann Vorläufer mit anderer Funktion gegeben haben.

Nichtreduzierbare Komplexität ist zugleich ein typisches Kennzeichen von technischen Konstruktionen und kann daher als Design-Indiz gelten, was als positiver Teil des Arguments gewertet werden kann. Das Vorkommen von IC-Strukturen entspricht den Erwartungen des Design-Ansatzes im Sinne von SD. Denn bei IC handelt es sich zum einen um ein Kennzeichen der Lebewesen, das typisch für bestimmte („spezifische“) Designer ist (Design-Indiz), zum anderen ist ein natürlicher Entstehungsweg (d. h. unter Ausschluss von Planung) unbekannt.

Nichtreduzierbare Komplexität ist ein typisches Beispiel für ein tertium comparationis zwischen technischen und lebendigen Systemen und den darauf aufgebauten Analogieschluss (s. o.).

Das Argument der nichtreduzierbaren Komplexität (IC-Argument) wurde auf vielerlei Weise in Frage gestellt. Zahlreiche Kritikpunkte werden an anderer Stelle behandelt (|0.4.1.4.3 Nichtreduzierbare Komplexität|), daher sollen hier nur zwei grundsätzliche Möglichkeiten für Kritik angesprochen werden: 1. Es wird gezeigt, dass das in Rede stehende System gar nicht nichtreduzierbar komplex ist, dass es also schrittweise aufgebaut werden kann, so dass jede „Station“ funktional und damit Schritt für Schritt selektierbar ist. 2. Es wird demonstriert, dass eine IC-Struktur auf nicht-darwinistischem Weg, auf indirektem Weg (z. B. über eine redundante Vorstufe oder als Nebeneffekt einer evolutiven Entstehung eines anderen Komplexes) oder auf einem anderen evolutiven Weg ohne lenkenden Eingriff entstehen kann. In beiden Fällen würde die Annahme eines Designs überflüssig werden. Alle Kritikpunkte gegen das IC-Argument lassen sich diesen beiden grundsätzlichen Einwänden zuordnen und können nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens entkräftet werden.

Spielerische Komplexität. Als weiteres Design-Indiz wird das Vorkommen von Konstruktionsmerkmalen von Lebewesen angeführt, die ausgefallener erscheinen, als die Funktion der Struktur erwarten lässt. Man könnte hier von „Luxusstrukturen“ oder von „spielerischer Komplexität“ sprechen. Als Beispiel sei die Blüte des Frauenschuhs genannt, die mittels einer Kesselfalle blütenbesuchende Insekten vorübergehend einsperrt, um auf diesem Wege die Bestäubung zu ermöglichen (Abb. 364). Bekanntlich erfüllen viel einfacher gebaute Blüten diesen Zweck genauso gut; weshalb gibt es also so überaus komplizierte Einrichtungen? Sind solche Konstruktionen komplizierter, als es für die zu erfüllende Funktion notwendig ist? Wenn ja, warum ist das so?

Abb. 364: Kann die Frauenschuh-Blüte alleine unter dem Aspekt der Nützlichkeit und Überlebensfähigkeit verstanden werden?

Luxus kann sich ein Schöpfer erlauben, es ist ein typisches Kennzeichen von Planung, daher als „Design-Indiz“ interpretierbar. Ein Designer ist nicht daran gebunden, funktional möglichst effektive Strukturen zu schaffen; Funktionalität ist nicht das einzige Bewertungskriterium für die Güte seines Produkts. Dagegen können für das Auftreten funktional überflüssiger Strukturen kaum Selektionsdrücke plausibel gemacht werden.

Potentielle Komplexität (Zukunftsorientierung). Eine dritte Sorte von Design-Indizien könnten Fähigkeiten von Lebewesen sein, die durch aktuelle Selektionsbedingungen und durch Selektionsbedingungen ihrer mutmaßlichen Vorfahren nicht erklärt werden können, jedoch durch potentielle zukünftige Auslesefaktoren. Das können z. B. Programme und Mechanismen sein, die angelegte Fähigkeiten bei Bedarf zur Entfaltung bringen (vor allem ausgelöst durch Umweltreize): potentielle Komplexität. Damit kommt ein Zukunftsaspekt ins Spiel, wenn potentiell nützliche Fähigkeiten angelegt sein sollten. Solche Befunde widersprächen allen Ansätzen, die davon ausgehen, dass ein Lebewesen nur sein unmittelbares Überleben sichern muss bzw. kann, nicht aber das zukünftige.

Rein naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle können nur streng gegenwartsorientiert sein, da sie eben keine vorausschauende Instanz kennen. Auslese auf zukünftige Bedürfnisse ist unmöglich – oder bildhaft ausgedrückt: Rucksäcke mit geeignetem Inhalt werden nur gepackt, wenn man in der Lage ist, ein Ziel zu verfolgen. Wenn also plausibel gemacht werden kann, dass die Lebewesen zu mehr potentiell fähig sind, als zu dem, was sie aktuell brauchen und früher brauchten, ist das ein starkes Argument für Planung. Denn die Existenz von Variationsprogrammen, die erst für zukünftige Erfordernisse relevant sein könnten, ist evolutionär nicht zu erwarten, da die Evolutionsmechanismen nicht zukunftsorientiert sind.

Für den Nachweis einer potentiellen Komplexität und damit für die Prüfung des damit verbundenen Design-Arguments sind aufwändige Untersuchungen notwendig. Der Design-Ansatz braucht zu seiner Bewährung Forschung.

Es kommen noch weitere Kennzeichen der Lebewesen als Design-Indizien in Frage, die in diesem kurzen Überblick nicht angesprochen werden sollen; es sei dazu auf die PDF-Version dieses Artikels (Artikel |0.4.1.1.3 Intelligent Design|) verwiesen.

1.8 Schlussfolgerungen

Design-Argumente wie die Existenz von Design-Indizien werden erst durch Forschung stark, und wenn sie unhaltbar sind, könnte das durch Forschung gezeigt werden. Je mehr man über ein biologisches System weiß, desto eher können – falls vorhanden – Design-Indizien erkannt werden. Die Behauptung des Fehlens eines natürlichen Entstehungsmechanismus kann falsifiziert werden und alle Hypothesen eines spezifischen Designs (SD) können dadurch Konkurrenz erhalten, dass konkrete nicht-teleologische, evolutionsbiologische Erklärungen vorgelegt werden. Dann wäre der Schluss auf Design als Schluss auf die beste Erklärung nicht mehr möglich (es sei denn, andere Aspekte würden diesen Schluss erlauben). Es gibt damit ein definiertes Falsifikationskriterium und der Design-Ansatz regt Forschung an, die zu seiner Stützung benötigt wird.

Naturwissenschaft befasst sich mit „Wie-funktioniert“-Fragen. Darüber hinaus ist die Wozu-Frage in der Biologie von großem heuristischem Wert; z. B.: Welchen Zweck erfüllt das untersuchte Organ? Woher-Fragen („woher kommt ein untersuchtes Organ ursprünglich?“) sind ihrem Wesen nach jedoch historische, keine naturwissenschaftlichen Fragen (vgl. |1.1.3.2 Methodik der historischen Forschung|).

Der Fortschritt der Wissenschaft in den Wie-Fragen geht nicht automatisch mit einem Fortschritt in Woher-Fragen einher. Zunehmendes Wissen über die Funktion biologischer Systeme verkleinert unsere Kenntnislücken in Entstehungsfragen nicht automatisch. Das Gegenteil kann der Fall sein: Je mehr wir wissen, desto offenkundiger könnte unsere Unkenntnis in den Ursprungsfragen werden. In diesem Fall bewährt sich der Design-Ansatz.

 

Literatur

Eine sehr viel ausführlichere Diskussion bietet: Junker R (2009) Spuren Gottes in der Schöpfung? Eine kritische Analyse von Design-Argumenten in der Biologie. Studium Integrale. Holzgerlingen. ([#LINK 1 si/bio/spurengottes.html|; dort ist auch ein Link zum Inhalt und Vorwort)

Sehr lesenswert ist: Rammerstorfer M (2006a) Nur eine Illusion? Biologie und Design. Marburg.

Weitere im Text zitierte Literatur:

Heilig C (2008) Klassifikation von Ursprungsvorstellungen. http://evolution-schoepfung.blogspot.com/2008/11/klassifikation-von-ursprungsvorstellung.html

Mutschler HD (2003) Gibt es Finalität in der Natur? In: Kummer C (Hg.) Die andere Seite der Biologie. München.

Spaemann R & Löw R (1981) Die Frage Wozu? Geschichte und Wiederentdeckung des teleologischen Denkens. München.

Autor: Reinhard Junker, 07.01.2010

© 2010, https://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/i1621.php

Zurück zur Artikel-Übersicht: https://www.wort-und-wissen.org/publikationen/genesisnet/

 

 

0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“ (Experten)

Hinweis: Es gibt hierzu auch einen wissenschaftlichen Artikel: https://www.genesisnet.info/pdfs/Intelligent_Design.pdf

2.0 Inhalt

In diesem Artikel wird erklärt, was mit dem Design-Ansatz gemeint ist und wie man dieses Konzept begründet. Der Unterschied zwischen „Intelligent Design“ und „spezifischem Design“ wird erläutert.

2.1 Der Grundgedanke des Design-Ansatzes

Der Grundgedanke des Design-Ansatzes ist, dass man an bestimmten Strukturen der Lebewesen (oder auch der unbelebten Welt) Eigenschaften und Merkmale erkennen könne, die auf das (vergangene) Wirken eines intelligenten, willensbegabten Urhebers (Designer, Schöpfer) hinweisen und andere Möglichkeiten ihrer Herkunft unwahrscheinlich machen – oder sogar ausschließen, wie manche Befürworter dieses Ansatzes behaupten. Solche Eigenschaften werden hier als „Design-Indizien“ bezeichnet. Mit dem Begriff „Design“ ist hier vor allem eine zweckvolle Anordnung von Teilen gemeint, die geeignet ist, eine Funktion auszuüben, so dass eine Zielorientierung erkennbar ist. Dazu können auch spielerische Elemente, Ästhetik und andere Kennzeichen der Natur gerechnet werden. Verschiedene Arten solcher Design-Indizien werden im Abschnitt „Design-Indizien“ vorgestellt.

In der neueren Diskussion über Design in der Natur wird häufig von „intelligentem Design“ (ID) gesprochen. Der Begriff „intelligent“ soll unterstreichen, dass zur Entstehung des untersuchten Merkmals eine Planung, Absicht (Intention) und zielorientierte Steuerung erforderlich war, und naturgesetzmäßig ablaufende Vorgänge dafür nicht ausreichten. Passend wäre daher auch die Bezeichnung „intentionales Design“. Doch der Begriff „Design“ beinhaltet bereits Intelligenz, Planung, Zielorientierung (Teleologie) und Intentionalität. Die Kennzeichnungen „intelligent“ und „intentional“ werden dennoch häufig zur Verdeutlichung hinzugefügt, weil es sich in der Biologie eingebürgert hat, auch dann von „Design“ zu sprechen, wenn man damit gar keine planvolle, zielorientierte Entstehung verbindet. Wenn in diesem Artikel der Begriff „Design“ verwendet wird, ist er jedoch immer teleologisch und intentional gemeint; er soll also die Notwendigkeit von Planung und Zielorientierung eines Akteurs (Designers) zum Ausdruck bringen.

Kennzeichnend für den Design-Ansatz ist also die Auffassung, dass bestimmte Phänomene in der Natur allgemein und speziell in der Organismenwelt auf Planung hinweisen und dass diese Hinweise auf Planung in der Natur (Design-Indizien) durch eine naturwissenschaftliche Untersuchung nachweisbar sind.

Während der Design-Ansatz in der Biologie neben natürlichen, naturgesetzmäßig verlaufenden Prozessen auch eine zielorientierte Handlung bei der Entstehung der Lebewesen einkalkuliert, wird dies vom Naturalismus ausgeschlossen. Mit „Naturalismus“ ist gemeint, dass alles Seiende letztlich ausschließlich auf materiellen Dingen (Materie-Energie) basiert und durch natürliche, gesetzmäßig beschreibbare, nicht-teleologische Prozesse entstanden ist. In diesem ontologischen Sinne soll in diesem Artikel der Begriff „Naturalismus“ verstanden werden. Der grundsätzliche Ausschluss möglicher teleologische Faktoren in Ursprungsfragen kann nicht methodisch begründet werden; es handelt sich dabei um eine inhaltliche Vorfestlegung, die nur weltanschaulich begründet werden kann.

Eine wichtige Unterscheidung. Woran können Spuren eines Schöpfers erkannt werden? Hier muss man unterscheiden zwischen einem Ansatz, der ohne Vorstellungen über den Designer auskommt, und Ansätzen, die auf solche Vorstellungen explizit Bezug nehmen. Wenn man keine konkreten Aussagen über das Wirken des Designers macht, kann man nur der Frage nachgehen, was natürliche Mechanismen ohne willentliche Lenkung, also nicht-teleologische Vorgänge, leisten können und was nicht. Man könnte in diesem Fall Design nur dadurch plausibel machen, dass man zeigt, dass bestimmte Phänomene trotz intensiver Bemühungen durch natürliche Prozesse nicht erklärt werden können. Dieser Ansatz ist unter dem Begriff „Intelligent Design“ („ID“) populär geworden. Über den Designer wird dabei lediglich gesagt, dass er zielorientiert gehandelt habe. Aus dieser alleinigen Voraussetzung können jedoch keine konkreten Kennzeichen einer Designer-Tätigkeit abgeleitet werden; man kann also auch nicht nach solchen Kennzeichen suchen.

Gewöhnlich geht man aber anders vor. Wir kennen Design-Indizien durch unsere Erfahrungen mit menschlichem Design, vor allem in der Technik und der Programmierkunst. Solche Indizien sind z. B. nichtreduzierbar komplexe Systeme, Luxusstrukturen, die nicht durch bloße Zweckmäßigkeit erklärt werden können, oder Merkmale, die nur durch eine Zukunftsorientierung verstehbar sind (vgl. Abschnitt „Design-Indizien“). Man kann nun danach fragen, ob solche typischen Kennzeichen menschlicher Designer (Design-Indizien) auch bei den Lebewesen gefunden werden. Bei dieser Vorgehensweise wird eine gewisse Ähnlichkeit im Design des Urhebers der Lebewesen mit dem Design menschlicher Designer vorausgesetzt. Hier spielen also Annahmen über die Person und die Attribute des Designers eine maßgebliche Rolle. In Anlehnung an Heilig (2008) sollen Design-Ansätze, die konkrete Vorstellungen vom Wirken eines Designers zugrundelegen, mit dem Begriff „spezifisches Design“ (SD) gekennzeichnet werden. SD muss also von ID unterschieden werden.

Wird zwischen ID und SD wie beschrieben unterschieden, besteht das Forschungsprogramm des ID-Ansatzes nur aus dem Ausloten der Leistungsfähigkeit natürlicher, nicht-teleologischer Prozesse und Mechanismen. Damit bleibt der ID-Ansatz zwar auf einer naturwissenschaftlichen Ebene, da keine Aussagen über den Designer gemacht werden müssen. Man kann auf diesem Wege aber nicht über Verdachtsmomente auf Design hinauskommen, falls nämlich nicht-teleologische Erklärungsversuche immer wieder scheitern und sich sogar Grenzen für natürliche Mechanismen abzeichnen. Wenn darüber hinaus nach spezifischem Design (SD) in der Natur gesucht wird, wenn also bestimmte „Methoden“ oder Vorlieben des Designers angenommen werden, eröffnen sich weitere Fragen für die Forschung: Design-Indizien können definiert werden (z. B. „nichtreduzierbare Komplexität“ oder „spielerische Komplexität“) und ihr Nachweis in der Natur kann versucht werden. Wenn solche Indizien tatsächlich nachgewiesen werden können, ist eine plausible Interpretation der Daten unter der Voraussetzung eines Designers gelungen.

Im Rahmen des SD-Ansatzes ist auch – anders als beim ID-Ansatz – ein Vergleich von Vorhersagen möglich, denn in diesem Rahmen kann das Auftreten konkreter Design-Indizien vorhergesagt und geprüft werden. Diese Vorhersagen können mit Vorhersagen nicht-teleologischer Ansätze verglichen und auf der Basis des Vergleichs ein Schluss auf die beste Erklärung gezogen werden (vgl. Abschnitt „Der Design-Ansatz in der Biologie …“). Dies ist in Rahmen des ID-Ansatzes nicht möglich, weil nur die Leistungsfähigkeit nicht-teleologischer Erklärungen beurteilt wird.

Zum Design-Ansatz gehören also Erkennbarkeit von Design und das Fehlen einer nicht-teleologischen Erklärung. Der ID-Ansatz kann nur zu einem Verdacht auf Design aufgrund des Nachweises von Grenzen natürlicher, ungerichteter Prozesse führen, während der SD-Ansatz ermöglicht, Design-Indizien zu definieren und nachzuweisen, die typisch für einen bekannten Designer sind. Könnte ein mutmaßliches Design-Indiz jedoch durch natürliche Prozesse erklärt werden, verlöre es seinen Charakter als eindeutiges Indiz. Es könnte zwar erkannt werden, Design wäre aber als Erklärung nicht mehr unbedingt notwendig, wenn auch möglich.

Im Folgenden ist mit „Design-Ansatz“ allgemein eine teleologische Ursprungssicht gemeint, wobei immer auch Erkennbarkeit von Design eingeschlossen ist. Wenn von „ID“ die Rede ist, wird über die Identität des Designers und über die Kennzeichen seines Wirkens nichts ausgesagt, während im Rahmen von „SD“ dazu konkrete Aussagen gemacht werden.

Nicht alle Befürworter des Design-Ansatzes lehnen Evolution ab; gemeinsam ist ihnen aber eine teleologische Weltsicht und damit die Auffassung, dass natürliche Faktoren alleine den Formenwandel nicht erklären können.

Theologische Aspekte des Design-Ansatzes werden im Artikel |0.4.1.7 Design und Theologie| behandelt.

Wichtige Begriffe dieses Artikels sind am Ende des Artikels zusammengestellt.

2.2 Warum der Design-Ansatz im Rennen ist

Wissenschaftliche Forschung soll helfen, die Wahrheit herauszufinden: Wie ereignete sich der Ursprung des Lebens? Wie entstanden die vielfältigen Baupläne der Lebewesen? Wer diesen Fragen auf den Grund gehen will, ist nicht in erster Linie einer bestimmten Methodologie verpflichtet und schon gar nicht auf eine bestimmte Forschungsmethode beschränkt, sondern die Methoden sollen im Dienste der Wahrheitsfindung stehen. Als mögliche „richtige Antwort“ kommt eine direkte Schöpfung grundsätzlich in Frage – es sei denn, man schließt diese Möglichkeit vorn vornherein aus weltanschaulichen Gründen aus. Die Erforschung der Ursprünge ist aber nicht darauf festgelegt, dass dabei nur naturgesetzmäßig beschreibbare Vorgänge eine Rolle spielen können. Forschung soll nicht unbedingt eine natürliche Entstehungsweise entdecken, sondern dazu beitragen, die tatsächliche Entstehungsweise herauszufinden. Die Möglichkeit, dass die Welt durch Schöpfungsakte Gottes ins Dasein gekommen ist, kann dabei nicht mit wissenschaftlichen Argumenten ausgeschlossen werden. Allein diese Tatsache ist Grund genug, die Option „Design“ offen zu halten. Die Frage nach Hinweisen auf Design in der Biologie ist also legitim.

Es gibt außer dieser grundsätzlichen Erwägung konkretere Gründe dafür, die Frage nach intentionalem Design auf wissenschaftlichem Wege anzugehen. Um diese Gründe soll es im Folgenden gehen.

Teleologische Begriffe in der Biologie. Der Gedanke an Planung und Zielorientierung (Teleologie, Finalität) in der Natur drängt sich dem unbefangenen Betrachter zweifellos auf. Entsprechend gibt es in der Biologie unvermeidlich eine teleologische Sprache. Lebewesen nutzen naturgesetzliche Prozesse, statt ihnen ausgeliefert zu sein. Das macht den entscheidenden Unterschied zwischen der Komplexität der Konstruktionen der Lebewesen und Komplexitäten in der abiotischen Welt (etwa eines Schneekristalls) aus. Letztere sind bloße Effekte von Gesetzmäßigkeiten. Abb. 363 zeigt den Unterschied an einem Beispiel auf anschauliche Weise.

Abb. 363: Qualle und Rippeln. Zweimal Ordnung: Die Sandrippeln sind zwar formschön, jedoch nur Folge von Strömungsgesetzen. Im Unterschied dazu besitzt die Qualle als lebender Organismus eine ganz andere Qualität von Ordnung: Sie nutzt Gesetzmäßigkeiten aus statt ihnen nur ausgeliefert zu sein, kann auch gegen den Strom schwimmen und besitzt eine zielgerichtete Ordnung. Dieser Unterschied hat fundamentale Folgen für das Verständnis des Lebens. (Foto: Peter Imming)

Viele Teile der Lebewesen (insbesondere der Zellen) können treffend als Maschinen bezeichnet werden. „Tatsächlich kann die gesamte Zelle als Fabrik betrachtet werden, die ein kompliziertes Netzwerk ineinander greifender Fertigungslinien beinhaltet, welche jeweils aus einem Satz großer Proteinmaschinen zusammengesetzt sind“, schreibt Bruce Alberts, Zellbiologe und bekannter Lehrbuchautor; zitiert nach Rammerstorfer 2006a, 17). Die Forschung hat zunehmend offenbart, dass Konzepte aus Informationstechnik und Informatik mit solchen aus der Molekularbiologie verglichen werden können (Imming & Bertsch 2007). „Der Körper widerspiegelt Design-Prinzipien unserer eigenen Technologie“ (Gene 2007, 40); dies zeige sich eindrucksvoll an einer großen Anzahl von Begriffen aus der Technik und der Programmierung, die zur Beschreibung verwendet werden, insbesondere am Begriff „Maschine“. Es wird zwar behauptet, die teleologischen Begriffe seien nur metaphorisch gemeint, doch ist der Nachweis, dass Beschreibungen biologischer Organisation und biologischer Prozesse ohne teleologische Begriffe bei gleichem Erklärungsgehalt möglich sind, nie erbracht worden (Mutschler 2003; Keil 1993, 116; Spaemann & Löw 1981). Spaemann & Löw (1981, 283) schreiben: „Die fundamentale Beweislastregel besagt, dass derjenige begründen muß, der Selbstverständliches in Frage stellt. Nun ist aber unsere primäre Welterfahrung zunächst teleologisch.“ Beobachtungen an den Lebewesen legen den Gedanken an Design und damit das Wirken eines Schöpfers nahe.

Der Forschungsgegenstand bestimmt die Forschungsmethode. In der Kontroverse um Design geht es um Ursprungsfragen und um vergangene Abläufe. Die in der Vergangenheit wirksamen Ursachen können nicht experimentell erforscht werden; ob es nur natürliche Abläufe gab oder auch willensgesteuerte, ist zunächst völlig offen. Dieser Offenheit trägt der Design-Ansatz insofern Rechnung, als er in der Suche nach Ursachen für den Ursprung der beobachteten Phänomene breit angelegt ist und sowohl gesetzmäßig beschreibbare Prozesse als auch die Möglichkeit zielorientierter Eingriffe ins Auge fasst. Er keine der beiden Möglichkeiten vorschnell aus. Damit ist er qualifiziert, historische Fragestellungen zu bearbeiten, denn es kann ja nicht ausgeschlossen werden, dass in der Vergangenheit zielorientierte Eingriffe eine Rolle gespielt haben. Dabei wird weder vorschnell noch willkürlich auf Eingriffe geschlossen, sondern erst nach eingehender Prüfung und entsprechend begründet – dazu wird weiter unten einiges zu sagen sein. Eine ideologiefreie Vorgehensweise zieht grundsätzlich alle möglichen Ursachen in Betracht, insbesondere wenn es entsprechende Verdachtsmomente gibt.

Vergleich mit anderen Wissenschaftszweigen. Die Suche nach spezifischem Design (SD) wird in anderen Wissenschaftszweigen als Selbstverständlichkeit betrieben. Instruktiv ist der Vergleich mit der Erforschung von Steinwerkzeugen. Natürlich sind Steinwerkzeuge wie z. B. Faustkeile unvergleichlich viel einfacher als Lebewesen, man kann aber die Vorgehensweise zur Klärung, ob es sich bei einem Objekt um ein Artefakt oder Naturprodukt handelt, auf die Beurteilung der Entstehung der Lebewesen anwenden. Die Suche nach Indizien einer absichtsvollen Bearbeitung eines Objekts ist der Fragestellung (Suche nach dem Entstehungsweg) angemessen. Hier kommt niemand auf die Idee, von vornherein nur Naturprozesse zur Erklärung zuzulassen. A priori gibt es aber auch keinen Grund, dies bei der Suche nach den Ursachen der Entstehung der Lebewesen anders zu handhaben, es sei denn, man hätte gezeigt, dass natürliche Ursachen ausreichende Erklärungskraft für diesen Fragenkomplex besitzen und die Entstehung des Lebens und seiner Vielfalt vollständig erklären. Dies wird tatsächlich immer wieder behauptet, daher sei nachfolgend ein weiterer Grund für die Legitimität des Design-Ansatzes angeführt.

Ein Beweis dafür, dass Planung nur ein Schein ist, steht aus. Seit Darwin wird natürliche Selektion als Ursache für die Zweckmäßigkeit lebendiger Konstruktionen verantwortlich gemacht und der Begriff „Design“ zur Metapher degradiert (s. o.). Darwin schrieb: „Das alte Argument vom Design in der Natur, wie es von Paley verwendet wurde und das mir früher so schlüssig erschien, scheitert nun, nachdem das Gesetz der natürlichen Auslese entdeckt worden ist.“ So argumentiert auch Sober (2000, 36), dass Darwin anstelle von Design und Zufall die natürliche Auslese als eine dritte Möglichkeit ins Spiel gebracht habe, um die Entstehung der Lebewesen zu erklären.

Doch ist diese Einschätzung gerechtfertigt? Dies führt auf das Gebiet der Evolutionsmechanismen. Hier gibt es vielfältige Argumente dafür, dass der Beweis aussteht, natürliche Selektion oder andere Evolutionsfaktoren hätten tatsächlich das Design der Lebewesen hervorgebracht (Junker & Scherer 2006; vgl. |1.3.2.0 Evolutionsmechanismen| und |1.3.3.0 Molekulare Mechanismen|). Einige Evolutionsbiologen, die den Evo-Devo-Ansatz in der kausalen Evolutionsforschung verfolgen, räumen unmissverständlich ein, dass die Mechanismen der Entstehung des Neuen in der Evolution (Makroevolution) – und darum geht es in der Design-Thematik – unbekannt und ungeklärt sind. Evo-Devo wird von diesen Forschern als verheißungsvoller Ansatz betrachtet, das Problem Makroevolution zu lösen (vgl. Artikel |1.3.3.6 Evo-Devo| und [#NEWS 93 Mikroevolution, Makroevolution und „ID“|). Daher ist die Behauptung, dass Planung nur ein Schein ist, nicht bewiesen worden. Der Wissenszuwachs hat sogar manche Erklärungsprobleme bezüglich der Entstehung biologischer Strukturen größer werden lassen (s. u.).

Bionik als „Kind“ des Design-Ansatzes. Bionik beschäftigt sich mit der Untersuchung von Konstruktionen der Lebewesen mit dem Ziel, konstruktive Lösungen innovativ in der Technik umzusetzen. Konstruktionen der Lebewesen dienen als Inspiration für technische Konstruktionen. In der Bionik geht man aus der Perspektive eines Ingenieurs an die Natur heran. Lernen aber Designer von Designern oder von Zufallsprozessen, um möglichst effizient und zielgerichtet vorzugehen? (Rammerstorfer 2006) Mutschler (2002, 121+124) schreibt dazu: „Wenn man nun dem Techniker die Kompetenz zu realer Zwecksetzung zuspricht und wenn er sich die Natur zum Vorbild für seine Zwecksetzungen nimmt, dann hat er sie ipso facto teleologisiert. Etwas, was nicht in sich zweckmäßig ist, kann auch kein Vorbild für zweckmäßige technische Gestaltung sein. … Die Bionik setzt ein telos [Ziel| in die Natur. ‚Der Baum als Lehrmeister’ (Mattheck) ist keine bloße Metapher.“

Simulationen von Evolutionsvorgängen im Sinne von Optimierungen schwächen dieses Argument nicht. Denn dabei muss immer von einem funktionsfähigen System ausgegangen werden, das anschließend über zufällige Variation der Systemparameter an vorgegebene Kriterien (z. B. geringster Strömungswiderstand) angepasst wird. Evolutionäre Optimierung betrifft also nicht die Design-Fragestellung nach der Entstehung neuer Konstruktionen.

Fazit. Mehrere Aspekte machen deutlich, dass der Design-Ansatz eine Berechtigung in der Ursprungsforschung im Bereich der Biologie hat. Die Suche nach Hinweisen auf Planung und Zielorientierung bei der Entstehung der Lebewesen und ihrer Konstruktionen ist angebracht. Wie man dabei methodisch vorgehen kann, wird weiter unten erläutert.

2.3 Der Design-Ansatz in der Biologie – eine neue Art von Wissenschaft?

Ein grundlegendes Problem für den Design-Ansatz besteht darin, dass die Aktionen eines Urhebers und seine Identität prinzipiell naturwissenschaftlich nicht fassbar sind und seine tatsächliche Vorgehensweise naturwissenschaftlich nicht beschreibbar ist. Die zielorientierte Tätigkeit kann nur mittelbar anhand von Wirkungen und Spuren erkannt werden. Es kann schon gar nicht einen Design-Mechanismus geben, wenn unter „Mechanismus“ ein gesetzmäßig beschreibbarer, raumzeitlicher Vorgang gemeint ist – das wäre ein Widerspruch in sich. Es kann daher beim Design-Ansatz nicht darum gehen, einen Designer naturgesetzlich „dingfest“ zu machen und den Schöpfungsvorgang zu rekonstruieren. Allenfalls sind Simulationen möglich. Im Rahmen des Design-Ansatzes werden vielmehr folgende Fragen gestellt:

  1. Woran können Spuren des Wirkens eines Urhebers erkannt werden?
  2. Werden diese Spuren tatsächlich gefunden und wie plausibel und wie sicher ist ihre Interpretation als Designer-Spuren?

Zur Erläuterung des Design-Ansatzes ist der Vergleich mit der Untersuchung von Steinwerkzeugen wie z. B. Faustkeilen hilfreich. Wenn die Form eines Faustkeils ausschließlich durch Naturvorgänge wie Erosion und Zufallseffekte wie etwa die Art und Weise, wie ein Stein von einem Steinbruch herunterfällt, erklärbar wäre, wäre die Annahme eines Urhebers, der willentlich den Faustkeil geformt hat, überflüssig. Wenn ein Urheber aber den Faustkeil geformt hat, kann seine Bearbeitung auf der Ebene des Objekts nicht beschrieben werden. Auf dieser Ebene können keine Hände des Bearbeiters und keine Werkzeuge, die das Objekt bearbeitet haben, und keine Zielsetzungen gesehen werden. Auch der Vorgang der Bearbeitung des Objekts ist nicht beobachtbar. Man kann jedoch versuchen, natürliche Erosionsvorgänge besser zu verstehen. Dabei kann man viel über zufällig entstehende Formen heruntergefallener oder durch Frost abgesprengter Felsstücke und über die Wirkung von Erosion lernen und dadurch verstehen, welche Grenzen solchen nicht-teleologischen Prozessen höchstwahrscheinlich gesetzt sind. Finden sich an einem Objekt Kennzeichen, die nicht-teleologisch nach allem gegenwärtigen Wissen nicht entstehen, haben wir ein starkes Verdachtsmoment dafür, dass andere Ursachen oder ein Urheber entscheidend gewirkt haben.

Man kann zum Verständnis der Entstehungsweise eines Faustkeils aber auch mit den eigenen Händen einen solchen herzustellen versuchen. Nach der eingangs eingeführten Terminologie wird damit ein SD-Modell eingeführt, da von einem spezifischen Designer (einem Menschen) ausgegangen wird, der den Faustkeil herstellt. In der experimentellen Archäologie wird so vorgegangen. Da hier zielorientiert gearbeitet wird, handelt es sich natürlich nicht um ein Modell für natürliche Prozesse. Vielmehr dient das Nachmachen zur besseren Klärung, wo die Grenzen natürlicher und das Potential kreativer Kräfte liegen.

Entsprechendes gilt für Versuche, durch die im Labor Leben oder wenigstens lebenswichtige Makromoleküle oder Zellbestandteile zu erzeugt werden. Man kann auch hier ggf. simulieren, auf welche Weise die betreffenden Strukturen entstanden sein könnten und auch hier besser verstehen, welche Limitationen ungelenkten Prozessen gesetzt sind und warum. Sobald dabei aber eine Lenkung im Spiel ist, die unter natürlichen Bedingungen nicht realistisch ist, können solche Versuche keine Modelle für ungelenkte hypothetische natürliche Vorgänge in der Erdvergangenheit sein. Eine plausible, vollständige, naturalistische Erklärung der Entstehung eines Naturgegenstandes würde die Annahme eines zielorientiert eingreifenden Designers dagegen überflüssig machen und der Design-Ansatz würde sich erübrigen.

Wie verhält sich der Design-Ansatz zur Naturwissenschaft? Mit welchen Methoden können Indizien für einen intentionalen Ursprung festgestellt werden? Die naturwissenschaftliche Methode (|1.1.3.1 Methodik der empirischen Forschung|) ist auch im Rahmen des Design-Ansatzes ein unabdingbares Werkzeug. Zum einen benötigt man diese Methode zur „Spurensicherung“, konkret: Es muss möglichst viel z. B. über den Bau der Lebewesen, über Variationsmechanismen, über die Merkmalsverteilungen bei den Arten und höheren Taxa und vieles andere mehr in Erfahrung gebracht werden. Zum anderen wird mit naturwissenschaftlicher Forschung ausgelotet, welche Prozesse durch natürliche Gesetzmäßigkeiten möglich sind. Die naturwissenschaftliche Methode wird also weder eingeschränkt noch ersetzt und schon gar nicht abgeschafft.

Ein Vergleich soll die Vorgehensweise zur Feststellung von Design verdeutlichen: Ein Kriminalkommissar muss klären, ob in einem Todesfall ein natürlicher Tod eingetreten ist oder ob es sich um Mord oder Selbstmord handelt (also ein Akteur entscheidend gewirkt hat). Zur Aufklärung kann er vielfältige naturwissenschaftliche Methoden verwenden (z. B. DNA-Analysen, Kenntnisse über die Besiedlungsgeschwindigkeit von Organismen auf Leichen, um den Todeszeitpunkt festzustellen, und dergleichen mehr). Er wird sich aber nicht auf diese beschränken. Vor allem benötigt er Indizien als Verdachtsmomente dafür, dass tatsächlich ein Mord oder Selbstmord passiert ist. Wäre er für solche Indizien nicht offen, würde er möglicherweise übersehen, dass ein (Selbst-)Mord geschehen ist (tatsächlich passiert dies immer wieder, wie durch nachträgliche genauere Untersuchungen festgestellt wird). Der Kommissar muss dann versuchen, die Indizien durch ein möglichst schlüssiges Szenario (einen Handlungsablauf) plausibel zu deuten. Im Zweifelsfall muss er für verschiedene Optionen offen bleiben: natürlicher Tod, Selbstmord oder Mord.

In welcher Hinsicht können wir Aspekte dieses Vergleichs auf die Entstehung der Lebewesen übertragen? Die Sachlage ist auf diesem Themenfeld natürlich sehr viel komplizierter. Die Einschätzung der Gegebenheiten ist hier nur begrenzt möglich; wir wissen noch viel zu wenig darüber, was durch natürliche Prozesse möglich ist, und die Indizien auf Planung mögen unsicherer sein als ein in den Rücken gerammtes Messer in der Beurteilung der Todesursache. Der Fall muss vielleicht offen gelassen werden oder man kann nur relativ vage mit Plausibilitäten argumentieren. Aber die Vorgehensweise zur Klärung ist vergleichbar. Und solange eine natürliche Erklärung für die Entstehung der Lebewesen nicht geleistet ist, bleibt der Design-Ansatz im Rennen; er wurde nicht als überflüssig erwiesen.

Es gibt aber noch einen weiteren Unterschied: Wenn geklärt werden soll, ob ein Mord vorliegt, kann man mit einem potentiellen Täter grundsätzlich rechnen. In der Frage der Entstehung der Lebewesen ist die potentielle Existenz eines Urhebers aber gerade umstritten. Da sie aber auch nicht ausgeschlossen werden kann, muss dessen potentielles Wirken in einer ergebnisoffenen Forschung berücksichtigt werden.

Wie- und Woher-Frage. Naturwissenschaft befasst sich mit „Wie-funktioniert-Fragen“. Darüber hinaus ist die Wozu-Frage in der Biologie von großem heuristischem Wert; z. B.: Welchen Zweck erfüllt das untersuchte Organ? Woher-Fragen („woher kommt ein untersuchtes Organ ursprünglich?“) sind ihrem Wesen nach jedoch historische, keine naturwissenschaftlichen Fragen (vgl. |1.1.3.2 Methodik der historischen Forschung|). Eine naturwissenschaftliche Beschreibung eines Systems schließt nicht dessen natürlichen Ursprung ein.

Der Fortschritt der Wissenschaft in den Wie-Fragen geht nun nicht automatisch mit einem Fortschritt in Woher-Fragen einher. Zunehmendes Wissen über die Funktion biologischer Systeme verkleinert unsere Kenntnislücken in Entstehungsfragen nicht automatisch. Das Gegenteil kann der Fall sein: Je mehr wir wissen, desto offenkundiger könnte unsere Unkenntnis in den Ursprungsfragen werden. Jedenfalls darf der Erfolg bei der Beantwortung von Wie-Fragen keinesfalls unbesehen für Erfolge in Woher-Fragen reklamiert werden.

Man könnte einwenden, dass man die Ergebnisse der Wie-Fragen auf die Woher-Frage extrapolieren und dass man beide Fragen nicht grundsätzlich unterscheiden könne. Lebewesen sind ja in der Lage, sich fortzupflanzen und nachweislich zu Variation befähigt. Doch was folgt aus dieser Extrapolation? Den Ursprung dieser Fähigkeiten kann man damit nicht erschließen; darum geht es aber gerade. Zudem kann man starke Argumente ins Feld führen, dass die Extrapolation der bekannten Variationsmechanismen Grenzen eben dieser Vorgänge offenbart, was die Frage nach ihrem Ursprung nur umso markanter hervortreten lässt.

Die Tatsache, dass Naturwissenschaft in vielen Bereichen ein leistungsfähiges Erkenntniswerkzeug ist, begünstigt eine naturalistische Weltanschauung in keiner Weise. Umgekehrt verhindert die Annahme einer nicht-natürlichen Entstehung (durch Design) keinesfalls eine naturwissenschaftliche Untersuchung und Beschreibung des Systems.

„Erklärungen“ in der Ursprungsforschung. Beim Design-Ansatz geht es um Geschichte. Welche Erklärungen sind diesem Gegenstand angemessen? In den Naturwissenschaften erfolgen Erklärungen gewöhnlich deduktiv-nomologisch nach dem sogenannten Hempel-Oppenheim-Schema (HO-Schema; nach Hempel & Oppenheim 1948). Der zu erklärende Sachverhalt (das Explanandum) wird aus Gesetzen und Randbedingungen (Explanans) gefolgert.

Das HO-Schema kann auch umgekehrt in der Art und Weise angewendet werden, dass aus bekannten Gesetzen und bekannten Randbedingungen Schlussfolgerung als Voraussagen formuliert werden, die anschließend überprüft werden (so z. B. bei der Vorhersage einer Sonnenfinsternis).

 

Gesetze

Randbedingungen, Beobachtungen

——————————————

Zu erklärender Sachverhalt

 

In Ursprungsfragen ist dieses Erklärungsschema kaum anwendbar. Problematisch ist vor allem das Fehlen von „Ursprungsgesetzen“. Aber auch die Randbedingungen sind im Einzelnen weitgehend unbekannt oder nur sehr hypothetisch. Die Geschichte der Natur ist singulär und kann nicht ausschließlich mit Gesetzen beschrieben werden, auch wenn Gesetze dabei eine Rolle spielen können. Daher ist auch die hypothetische Evolutionsgeschichte nicht deduktiv-nomologisch erklärbar. Man kennt wohl Variationsmechanismen, diese sind aber nicht als Gesetze fassbar, aus denen die Entstehung von Neuheiten ableitbar wäre. Gesetzmäßigkeiten wie die Mendelschen Regeln oder das Hardy-Weinberg-Gesetz bilden lediglich einen Teil der zu berücksichtigenden Randbedingungen. Allenfalls im mikroevolutiven Bereich (der in der Ursprungsfrage in der Biologie unstrittig ist) können Gesetzmäßigkeiten formuliert werden (z. B. in der Populationsgenetik).

Aufgrund dieser Situation können in Ursprungsfragen nur hypothetische Szenarien entworfen werden, die auf Stimmigkeit mit den Daten und mit bekannten Ursachen geprüft werden können. Nicht selten passen dieselben Daten jedoch zu ganz unterschiedlichen, eventuell sogar einander widersprechenden Szenarien. An der Spitze des HO-Schemas steht somit kein Gesetz, sondern eine konzeptionelle Vorgabe zur Organismengeschichte, also z. B. „natürliche Evolution der Lebewesen“:

 

Allgemeine Evolution

Randbedingungen

———————-

Vielfalt der heutigen Lebewesen

 

In dieser Art und Weise kann man auch im Rahmen des Design-Ansatzes verfahren. Statt „Allgemeine Evolution“ steht am Anfang des HO-Schemas „zielorientierte Planung“ oder der Einfachheit halber „Schöpfung“. Diese Vorgabe muss dergestalt konkretisiert werden, dass Kennzeichen von Planung zusammengestellt werden (es handelt sich dabei um SD – „spezifisches Design“; vgl. einleitender Abschnitt). Als solche Kennzeichen können alle Eigenschaften der Lebewesen dienen, die eine Zielorientierung erkennen lassen, z. B. nichtreduzierbare Komplexität. Wie man diese Kennzeichen nachweisen kann, wird im Abschnitt „Design-Indizien“ erläutert, und ob solche Kennzeichen nachweisbar sind, muss eine naturwissenschaftliche Untersuchung zeigen.

In der Praxis der Evolutionsforschung sieht das so aus, dass je nachdem, welche Befunde an den Lebewesen (rezent oder fossil) gemacht werden, die inhaltlichen Ausformulierungen des Explanans entsprechend modifiziert werden, das heißt sowohl die Vorstellungen über Evolution als auch die Randbedingungen werden der gegenwärtigen Realität angepasst (z. B. bei Annahmen über die Zusammensetzung der Uratmosphäre in Experimenten zur präbiotischen Chemie, vgl. dazu |1.5.2.1.1 Hypothesen zur Uratmosphäre|). Unter solchen Umständen ist das HO-Schema nicht anwendbar. In der Ursprungsforschung kann daher weder streng induktiv noch streng deduktiv geschlossen werden. Vielmehr wird dort ein anderes Schlussverfahren verwendet, das in Anlehnung an C. S. Peirce als „abduktives Schließen“ bezeichnet wird – dieses ist also weder induktiv noch deduktiv. „Abduktive Beweisführung schließt auf unbeobachtete Fakten, Ereignisse oder Ursachen in der Vergangenheit anhand von Schlüsseln oder Fakten in der Gegenwart“ (Meyer 2006, 217). Es wird ausgehend von einer Beobachtung (dem Resultat eines hypothetischen Prozesses) auf eine Regel und einen Anwendungsfall geschlossen. Der abduktive Schluss ist jedoch nicht eindeutig.

 

Beispiel:

Angenommen, es hätte geregnet, dann wäre die Straße nass (Regel)

Resultat: Die Straße ist nass

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Wahrscheinlich hat es geregnet (Fall)

 

Es ist klar, dass man nur schließen kann, dass es geregnet haben könnte. Die Nässe könnte ja auch andere Ursachen haben, z. B. umgekippte Wasserbehälter. Man kann aber argumentieren, dass auf diejenige Erklärung abduktiv geschlossen wird, die man am ehesten erwarten kann bzw. die am wenigsten überraschend ist. Es handelt sich dann um eine vergleichsweise gute oder naheliegende Erklärung. Wenn es keine bessere oder genauso gute Erklärung gibt, handelt es sich um einen Schluss auf die beste Erklärung (s. u.).

Wenden wir dieses Verfahren nun auf die Design-Thematik an. Das kann bei Vorgabe eines SD-Modells beispielsweise so aussehen:

 

Nichtreduzierbare komplexe Apparate entstehen durch Einsatz von Intelligenz (Regel)

Resultat: Der Bakterienmotor ist nichtreduzierbar komplex

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Der Bakterienmotor ist möglicherweise durch Einsatz von Intelligenz entstanden (Fall)

 

Über die genaue Identität der Intelligenz muss dabei nichts gesagt werden, wohl aber, dass die Design-Indizien solchen Kennzeichen gleichen, wie wir sie von menschlicher Tätigkeit her kennen (SD-Modell). Dieser abduktive Schluss kann auf zwei Weisen geschwächt werden: zum einen durch den Nachweis, dass der Bakterienmotor (s. Abb. 40) ohne Verlust der Motorfunktion in kleinen Schritten abgebaut werden kann, denn dann wäre er nicht nichtreduzierbar komplex. Zum anderen durch den Nachweis, dass nichtreduzierbar komplexe Apparate auch ohne Einsatz von Intelligenz entstehen können. Solange beides nicht gelingt, kann dieser abduktive Schluss auch als Schluss auf die beste Erklärung gelten. Tatsächlich wurden beide Versuche, den abduktiven Schluss zu schwächen, oftmals unternommen (vgl. |0.4.1.4.2 Nichtreduzierbare Komplexität|).

Abb. 40: Schemazeichnung der Hauptstrukturkomponenten eines Bakterienmotors. Die Kürzel sind Bezeichnungen für die jeweils benötigten Gene. Quelle: R. Junker & S. Scherer: Evolution – ein kritisches Lehrbuch. Gießen 2001.

In der Ursprungsforschung ist ein anderes Verfahren in der Regel nicht möglich. Die „beste“ Erklärung ist immer nur die beste im Vergleich zu existierenden Alternativerklärungen. Wenn diese nicht sonderlich gut sind, bedeutet auch „beste“ nicht viel; außerdem kann natürlich nicht sicher darauf geschlossen werden, dass die „beste“ auch die „wahre“ Erklärung ist. Da nur menschliches Design bzw. die Wirkung menschlicher Intelligenz bekannt ist, kann auf diesem Wege nur geprüft werden, ob Indizien für Intelligenz von der Art nachweisbar sind, wie wir sie von Menschen oder aus unserer Erfahrung kennen (SD-Modelle). Und da der abduktive Schluss ein möglicher und kein sicherer Schluss ist, kann es auch nur um Indizien und Plausibilität, nicht aber um Beweise gehen.

Der abduktive Schluss auf Design erhält Konkurrenz, wenn natürliche Mechanismen die Entstehung der in Rede stehenden Struktur erklären können. Dann ist Design nicht mehr der Schluss auf die beste Erklärung; vielmehr würde sich der Design-Ansatz, der eine Erkennbarkeit von Design plus Fehlen einer nicht-teleologischen Erklärung beinhaltet, erübrigen. Der abduktive Schluss auf Design kann natürlich auch dadurch vermieden werden, dass man das Wirken eines Designers prinzipiell ausschließt. Dies würde allerdings genauso einer weltanschaulichen Vorentscheidung entspringen wie die Annahme, dass es einen Designer gibt oder wie das Offenlassen dieser Möglichkeit. Solange Evolutionsmechanismen unbekannt sind, wäre der Ausschluss von Design weder methodisch noch empirisch begründet.

Schlussfolgerungen. Im Rahmen des Design-Ansatzes wird die empirische Methode der Erkenntnisgewinnung uneingeschränkt genutzt, ebenso die Methoden der geschichtlichen Rekonstruktion; es gibt keine speziellen Methoden des Design-Ansatzes. Die naturwissenschaftlichen Daten, die benötigt werden, um den Design-Ansatz zu stützen, d. h. um die Grenzen natürlicher Prozesse zu bestimmen und die Existenz von Design-Indizien plausibel zu machen, werden durch die üblichen Vorgehensweisen der Naturwissenschaft erworben. Naturwissenschaftliche Forschung soll ausgeschöpft werden, denn der Design-Ansatz kann nur durch Wissensfortschritt geprüft und ggf. gestützt werden.

Der Schluss von Beobachtungen auf Design geht über bloße Naturwissenschaft hinaus; die Schlussform ist abduktiv und bei Fehlen einer besseren oder gleichwertigen Erklärung der Schluss auf die beste Erklärung. Der grundsätzliche Ausschluss von Design kann aber nur weltanschaulich begründet werden. Der Design-Ansatz versteht sich als Gegenstück zum Naturalismus, nicht als eine andere Forschungsmethode und erst recht nicht als Ersatz für Naturwissenschaft.

2.4 Wie wird Design begründet?

Negative Argumentation: Eliminative Induktion und Dembskis Filter. Von ID-Befürwortern wurde vorgeschlagen, auf dem Wege der eliminativen Induktion das Vorliegen intelligenter Ursachen zu begründen. Diese Vorgehensweise beinhaltet das sukzessive Widerlegen verschiedener Erklärungs-Alternativen, bis nur noch eine Erklärung übrig bleibt. In unserem Fall hieße das, das Scheitern aller bekannten naturalistischen Erklärungsversuche für die Entstehung von „Design-verdächtigen“ Strukturen Schritt für Schritt zu demonstrieren, bis nur noch die Erklärung durch Design übrig bleibt. Um eine eliminative Induktion durchzuführen, muss man also bereits einen Verdacht auf Design haben. Auf diese Weise „arbeitet“ der Filter von Dembski (s. Abb. 365). Um die Möglichkeit von Design in Betracht ziehen zu können, müssen zuerst die Möglichkeiten „Zufall“ und „Gesetzmäßigkeiten“ ausgeschlossen werden.

Abb. 365: Dembskis Filter. „Kontingent“ bedeutet „nicht aus Naturgesetzen herleitbar“.

Doch diese Aufgabe ist kaum endgültig zu erledigen. Denn woher weiß man, dass alle möglichen Alternativen bedacht wurden? Alle möglichen Entstehungsweisen müssten vollständig erforscht worden sein. Das ist jedoch nicht möglich. Kritiker argumentieren, dass damit nur ein argumentum ad ignorantiam möglich sei, dass dieses aber nichts weiter besage. Die negative Argumentation ist aber dann von Bedeutung, wenn eine teleologische Entstehungsweise bekannt oder plausibel ist. Dann kann nämlich der Schluss auf die (derzeit) beste Erklärung) gezogen werden (s. o.). Dieser Schluss liefert aber keinen endgültigen Beweis für Design. Wenn jedoch zunehmende Kenntnisse über das untersuchte System im Speziellen und zunehmende Kenntnisse über Variationsmechanismen im Allgemeinen die Kenntnislücken in den Ursprungsfragen nicht verkleinern, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es keinen natürlichen Ursprung gibt (s. o.).

Obwohl also aus dem negativen Argument kein Beweis für Design abgeleitet werden kann, hat es doch Bedeutung, weil sich durch den Fortgang der Forschung eine Tendenz herauskristallisieren kann. Zunehmendes Wissen kann also die Lücken im Verständnis der Ursprünge (Erklärungslücken) durchaus vergrößern. Da ein intentionaler Ursprung Erklärungslücken in den naturalistischen Theoriegebäuden erwarten lässt, kann der Nachweis von durch Forschung größer werdenden Lücken im Verständnis der Ursprünge sich als Argument für Design erweisen (sofern man die Existenz eines Designers nicht grundsätzlich ausschließt). Es liegt daher im Interesse des Design-Ansatzes, Forschung voranzubringen, weil dadurch das Argument für Design gestärkt werden kann. Der Design-Ansatz ist daher alles andere als ein Forschungshemmnis.

Die negative Argumentation ist in der Ursprungsfrage legitim. Ohne negative Argumentation könnte man Artefakte nicht als solche erkennen. Denn wenn man nicht ausschließen könnte, dass Artefakte durch natürliche Prozesse entstehen können, könnte man die Artefaktnatur nicht belegen. Wenn bekannt ist, dass ein Gegenstand intentional hergestellt werden kann, kann aus dem Scheitern, die Entstehung nicht-intentional zu erklären, etwas Wichtiges: es macht eine von zwei Möglichkeiten unwahrscheinlich. Die Artefaktnatur wird also positiv und negativ begründet: Positiv durch das Wissen, dass Artefakte durch Design entstehen können, negativ durch das Wissen, was natürliche Prozesse nicht leisten.

Positive Argumentation. Um positiv für Design in der Biologie argumentieren zu können, muss geklärt werden, wie Kennzeichen von Design erkannt werden können. Dazu wird ein SD-Modell benötigt (s. den ersten Abschnitt und die Begriffsbestimmungen am Ende des Artikels). Hier bietet es sich an, von Kennzeichen menschlichen Designs auszugehen. Hier wissen wir, welche Kennzeichen Gegenstände besitzen, die planvoll – teleologisch – entstanden sind. Als solche Design-Indikatoren gelten spezifizierte Komplexität, nichtreduzierbar komplexe Systeme, spielerische Komplexität, Wiederverwendung von Bauteilen und manches andere mehr. Wir nennen solche Indikatoren „Design-Indizien“ (mehr dazu im Abschnitt „Design-Indizien“). Die Deutung solcher Kennzeichen als Design-Indizien erhielte jedoch Konkurrenz, wenn für sie ein plausibler natürlicher Ursprung nachgewiesen werden könnte. Dann wäre die Annahme von Design nicht mehr erforderlich, wenn auch nach wie vor möglich. Dass genau dieser Fall eingetreten sei, wird seit Darwin behauptet. Seine Selektionstheorie oder modernere Varianten von mechanismischen Evolutionstheorien hätten die Annahme eines intentionalen Ursprungs überflüssig gemacht. Das Design-Argument kann also nur dann aufrechterhalten werden, wenn diese Behauptung erfolgreich zurückgewiesen werden kann. Die entscheidende Frage ist daher, ob die als Design-Indizien interpretierten Merkmale der Lebewesen auch durch natürliche Evolutionsprozesse entstehen können. Damit sind wir wieder bei der negativen Evidenz (s. o.). Design-Indizien werden auch an den Grenzen natürlicher Prozesse erkannt.

Werden jedoch keine Aussagen über den Designer zugelassen (ID-Ansatz), kann man auch keine Design-Indizien benennen. Dann kann man auch nicht durch den Nachweis von Design-Indizien positiv auf ID schließen, sondern nur negativ argumentieren, dass die bisher bekannten natürlichen Prozesse bestimmte Kennzeichen der Lebewesen bisher nicht erklären können.

Design im Labor. Man ist heute in der Lage, DNA und funktionale Proteine im Labor herzustellen. Das funktioniert nur mit einem entsprechenden Versuchsaufbau und Timing. Die Forschung auf diesem Gebiet hat gezeigt, dass eine gesteuerte und zielgerichtete Synthese möglich ist. Dagegen ist ein ungerichteter Entstehungsweg unbekannt. Mit dem Schluss auf die beste Erklärung kann man sagen, dass ein intentionaler Ursprung der Makromoleküle der Lebewesen wahrscheinlicher ist als ein ateleologischer.

So wie man heute Makromoleküle des Lebens herstellen kann, könnte man versuchen, experimentell auch Lebewesen zu erzeugen oder nichtreduzierbare komplexe Apparate herzustellen. Was wäre damit gewonnen? Man könnte dann ggf. sagen: So ungefähr könnten Leben oder nichtreduzierbare Komplexität entstanden sein. Damit würde ein SD-Modell aufgestellt. Falls man überhaupt ein Ergebnis erzielt, würde es vermutlich lauten: Mit durchdacht konstruierten Apparaturen können molekulare Maschinen und vielleicht sogar lebensfähige Zellen hergestellt werden. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse könnten andererseits Anhaltspunkte dafür liefern, welche Hürden ein natürlicher Entstehungsweg nehmen müsste, und ob es erwartet werden kann, dass diese Hürden unter präbiotischen Bedingungen auf der hypothetischen frühen Erde tatsächlich genommen werden können. Hier kommt wieder der negative Aspekt der Argumentation für Design zum Tragen.

Da wir einen Weg der Entstehung von Makromolekülen kennen, können wir beurteilen, ob dieser Weg auch ohne Lenkung begehbar ist. Die Antwort ist nach allem, was wir wissen, eindeutig nein. Man kann sich hier daher nicht mehr so einfach auf ein „wir wissen noch viel zu wenig“ zurückziehen, denn zunehmendes Wissen hat dieses „nein“ begründet.

Damit kann auch das Argument zurückgewiesen werden, der Design-Ansatz hätte nichts Demonstrierbares, wie mit Einsatz von Design Strukturen entstehen könnten. Man kann hier in Form einer Simulation sehr wohl einiges demonstrieren. In Bezug auf die historische Frage, wie in der Vergangenheit die Lebewesen erstmals entstanden sind, können solche Simulationen allerdings keine Antworten geben, sondern nur Möglichkeiten aufzeigen und den (vorläufigen) Schluss auf die beste Erklärung erlauben.

Wir können festhalten: Es gibt Wissens-Argumente pro Design: Wir wissen vieles darüber, was mit Planung konstruiert werden kann und wie es geht. Wir wissen andererseits durch die Biogenese-Forschung und aufgrund chemischer Gesetzmäßigkeiten, dass in ungesteuerten Simulationsexperimenten keine lebensnotwendigen Makromoleküle entstehen. Auch das ist ein Wissens-Argument, gleichzeitig aber auch ein contra-Argument, ein argumentum ad ignorantiam: Wir wissen nicht, wie ohne Planung Leben bzw. dessen Makromoleküle entstehen können. Beides – pro und contra – gehören zusammen. Die Behauptung, Befürworter des Design-Ansatzes würden nur aus Nichtwissen, aus Kenntnislücken auf Planung schließen, ist einseitig, da dieses Nichtwissen vor dem Hintergrund gesehen werden muss, dass „Schöpfung“ mit dem abduktiven Schluss eine Option ist. Dagegen hat niemand gezeigt, dass eine nicht-teleologische Entstehung überhaupt möglich ist. Wer dennoch überzeugt ist, dass die Entstehung des Lebens auf ausschließlich natürliche Weise vonstatten ging, wird jedes Argument für Design zu einem Argument auf der Basis von Nichtwissen ummünzen. Das liegt dann aber nicht an der Sachlage, sondern an der vorausgesetzten Weltanschauung des Naturalismus, für den es in der Welt ausschließlich und immer nur mit natürlichen Dingen zugeht. Und wer so argumentiert, setzt das Fehlen von Wissen selbst als Argument ein: Vielleicht liegt in den Dingen, die wir nicht kennen, eine Lösung. Das ist auch ein argumentum ad ignorantiam, eingebettet in die naturalistische Weltanschauung.

Auf der Komplexitätsstufe des Lebens wird die Sache insofern komplizierter als in der präbiotischen Chemie, als das Leben zusätzliche Eigenschaften besitzt, die Makromolekülen, isolierten biologischen Apparaten oder einzelnen Stoffwechselkaskaden nicht zukommen. Dennoch kann man vergleichbar argumentieren wie soeben in der Frage der Lebensentstehung, muss sich aber der Frage stellen, ob die zusätzlichen Eigenschaften der Lebewesen die Design-Argumentation in Frage stellen oder gar aufheben. Das wird im Folgenden Abschnitt behandelt.

Fazit. Zum Design-Ansatz gehören zwei Aspekte: Hinweise auf das vergangene Wirken eines Schöpfers (Design-Indizien) und das Scheitern von Erklärungen durch ausschließlich natürliche Prozesse. Design-Indizien können nur nachgewiesen werden, wenn Aussagen über den Designer gemacht werden (SD-Modell), aus denen Kennzeichen von Design abgeleitet werden können. Können Design-Indizien nachgewiesen werden (positive Argumentation), ist ein (unsicherer) abduktiver Schluss auf Design möglich. Darüber hinaus hat der negative Aspekt der Argumentation für Design Bedeutung, wenn über den (möglichen) abduktiven Schluss auf Design hinaus auch der Schluss auf die beste Erklärung gezogen werden soll. Dann muss auch gezeigt werden, dass naturalistische Erklärungsversuche bislang gescheitert sind. Angesichts der Komplexität der Lebewesen und unserer begrenzten Kenntnisse über ihre Eigenschaften ist ein Unmöglichkeitsbeweis allerdings kaum zu erwarten. Aufgrund des Fortschritts der Forschung ist aber eventuell eine Tendenz hin zu einer Erklärung oder weg von ihr erkennbar.

2.5 Der Analogieschluss

Manche Ähnlichkeiten zwischen technischen Konstruktionen und Konstruktionen der Lebewesen sind so auffällig, dass sich der Schluss auf ähnliche Ursachen aufdrängt. In der Diskussion um Design in der Biologie ist dieser Schluss allerdings sehr umstritten.

Wie funktioniert ein Analogieschluss? Das Philosophische Wörterbuch (Schischkoff 1991) definiert: „Analogieschluß, ein Schluß von der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zweier Dinge in einigen Punkten auf Gleichheit oder Ähnlichkeit auch in anderen Punkten. Beispiel: Die Erde ist bewohnt. Der Mars ist der Erde ähnlich. Also ist wohl auch der Mars bewohnt. Analogieschlüsse führen nur zu Wahrscheinlichkeiten.“ Analogienbildung kann die Forschung fördern, wenn nach Bestätigungen oder Widerlegungen der Schlussfolgerung gesucht wird. So betrachten viele Wissenschaftler die Analogie Erde zu Mars als so stark, dass große Summen in die Marserkundung gesteckt werden. (Kritiker sähen die Gelder hier lieber auf der Erde investiert.)

In der Design-Thematik geht es um die Frage, ob der im Bereich menschlichen Designs getätigte Schluss von Design-Kennzeichen auf einen Designer analog auf die Lebewesen angewendet werden kann (vgl. Abb. 105).

Abb. 105: Veranschaulichung der Analogie zwischen lebendiger und technischer Konstruktion. Links ist die grundsätzliche Konstruktion eines Motors dargestellt, rechts der Nanomotor eines E. coli-Bakteriums. Beide Strukturen sind zweckgerichtet, viele Komponenten sind offenkundig auf ein Ziel hin organisiert. Nach NACHTIGALL 2002, S. 126

Im Falle menschlicher Artefakte sind die Designer in der Regel bekannt, bei den Lebewesen ist das nicht und es ist gerade umstritten, ob es einen Designer der Lebewesen gibt. Aber gerade vor diesem Hintergrund kommt der Analogieschluss zum Tragen.

Formal funktioniert der Analogieschluss wie folgt:

 

T und L haben die ähnliche Eigenschaft I

Es ist kein Fall bekannt, in dem I in T ohne D auftritt

Ähnliche Eigenschaften haben ähnliche Ursprünge

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Daher ist I in L wahrscheinlich auch durch den Entstehungsweg D entstanden

 

T stehe für „technisches System“, L für „lebendiges System“, I für ein Design-Indiz, D für intentionales Design.

 

Also zum Beispiel konkret:

 

Technische Rotationsmotoren (TR) und Flagellen weisen eine nichtreduzierbare Komplexität auf

Es ist kein Fall bekannt, in dem nichtreduzierbare Komplexität in TR ohne D auftritt

Ähnliche Eigenschaften haben ähnliche Ursprünge

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Daher ist nichtreduzierbare Komplexität in Flagellen wahrscheinlich auch durch D entstanden

 

In dieser Formulierung spielen Unterschiede zwischen technischen Rotationsmotoren und Flagellen zunächst keine Rolle. Die Schlussfolgerung ist zwar nicht zwingend (es handelt sich um einen abduktiven Schluss), aber es ist die nächstliegende, solange andere Entstehungswege unbekannt sind, da sie die Analogie (gemeinsamer Besitz von I) für sich verbuchen kann.

Im Vergleich zu technischen Systemen bestehen Unterschiede bei den Lebewesen wie z. B. Fehlertoleranz, Flexibilität, Variabilität und Fortpflanzungsfähigkeit. Wir werden uns im Folgenden der Frage widmen, ob diese Unterschiede den Analogieschluss widerlegen. Wer das behauptet, muss demonstrieren, warum das so ist. Es müsste also demonstriert werden, dass die Unterschiede zwischen Technik und Leben einen anderen Entstehungsweg ermöglichen:

 

T und L haben die ähnliche Eigenschaft I

Es ist kein Fall bekannt, in dem I in T ohne D auftritt

L hat die zusätzliche Eigenschaft U (Unterschied)

Die Eigenschaft U ermöglicht die Entstehung von I ohne D

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Deshalb muss L nicht den Entstehungsweg D haben

 

Im Beispiel:

 

Technische Rotationsmotoren (TR) und Flagellen weisen eine nichtreduzierbare Komplexität auf

Es ist kein Fall bekannt, in dem nichtreduzierbare Komplexität in TR ohne D auftritt

Flagellen haben zusätzliche Eigenschaften U

U ermöglicht die Entstehung von nichtreduzierbare Komplexität ohne D

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Deshalb müssen Flagellen nicht designed sein

 

U könnte beispielsweise eine gegenüber der Technik höhere Fehlertoleranz der Bauteile sein. Design-Kritiker verweisen vor allem darauf, dass Lebewesen sich im Gegensatz zu technischen Systemen selber fortpflanzen und sich mittels Variationsmechanismen Schritt für Schritt ändern können. Es gebe also nicht nur Gemeinsamkeiten, auf die der Analogieschluss abhebe, sondern auch so große Unterschiede, dass der Analogieschluss hinfällig werde. Mit diesen Einwänden werden wir uns im Folgenden befassen. Liegt in den Unterschieden zwischen Lebewesen und technischen Konstruktionen das Potential zur nicht-teleologischen, evolutiven Entstehung?

Einwand: Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit. Anders als bei archäologischen Artefakten oder technischen Geräten gibt es bei Lebewesen Variabilität und Variationsmechanismen; es gibt Stoffwechsel und sie können sich fortpflanzen. Die Fortpflanzungs- und Variationsmöglichkeit ermöglicht den Lebewesen sozusagen, sehr viele Versuche zu starten, immer wieder neue Varianten hervorzubringen, und Evolutionstheoretiker sehen darin das Potential, dass letztlich auch evolutionäre Neuheiten erworben werden können. Eine lebendige Konstruktion, die Kennzeichen von Design aufweist, konnte oder könnte daher – anders als technische Geräte – in vielen aufeinander aufbauenden Generationen sukzessive auf natürliche Weise entstanden sein.

Es wurde jedoch noch nicht gezeigt, dass Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit und die anderen spezifischen Eigenschaften der Lebewesen tatsächlich zur Herausbildung neuer Strukturen führen. Die „Zusatzeigenschaften“ Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit der Lebewesen stellen das tertium comparationis des Analogieschlusses daher nicht in Frage. Lebewesen und technische Konstruktionen weisen zwar erhebliche Unterschiede auf, zeigen aber gerade in den für den Analogieschluss relevanten Aspekten auffallende Gemeinsamkeiten; sie sind nicht grundverschieden. Es müsste gezeigt werden, durch welche Mechanismen die Entstehung des evolutionär Neuen vor sich gegangen ist. Aus der Reproduktionsfähigkeit folgt keine Fähigkeit zur Neuproduktion und aus der Variationsfähigkeit folgt keine Innovationsfähigkeit.

Was die zusätzlichen Merkmale der Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit ermöglichen, ist freilich noch nicht ausgelotet. Andererseits stellen sich für diese Fähigkeiten ebenso die Fragen nach deren Entstehung. Denn die Fortpflanzungsfähigkeit erfordert eine hochvernetzte Interaktion zwischen Informationsträgern und den korrespondierenden morphologisch-funktionellen Merkmalen. Das biologische Design dafür verweist erst recht auf Planung. Statt einen Schlüssel für Evolution zu liefern könnten diese besonderen Fähigkeiten der Lebewesen die Frage nach ihrer Entstehung auch verschärfen.

Dass die Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit der Lebewesen das Analogieargument nicht wertlos macht, wird beispielhaft am häufig anzutreffenden Kennzeichen der nichtreduzierbaren Komplexität (s. Abschnitt „Design-Indizien“) deutlich: Solche Strukturen müssen nach gegenwärtigem Kenntnisstand in einer einzigen Generation von einer Vorläuferstruktur mit anderer Funktion entstehen, da sie durch die bisher bekannten natürlichen Vorgänge nicht schrittweise aufgebaut werden können, weil das über selektionsnachteilige Stadien führen würde. Auch indirekte Entstehungswege, z. B. via Kooption oder über redundante Komplexität sind nicht bekannt (vgl. |0.4.1.4.2 Nichtreduzierbare Komplexität|). Rein theoretisch könnte nichtreduzierbare Komplexität zwar auf einen Schlag entstehen, aber die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bereits weniger zueinander passender Mutationen ist extrem klein, soweit man dies mit heutigem Wissen abschätzen kann (beispielhaft erläutert Scherer 2009). Nichtreduzierbar komplexe Systeme sind so gestaltet, dass die Selektion auf die Funktion des Systems erst greifen kann, wenn das System komplett ist. Die Fortpflanzungsfähigkeit der Lebewesen hilft in solchen Fällen also nicht weiter und eignet sich nicht dafür, den Analogieschluss zu entkräften.

Hinzu kommt noch: Solange es Leben noch nicht gab, waren die Merkmale „Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit“ noch gar nicht etabliert und damit auch theoretisch keine vergleichbare Möglichkeit zur Evolution.

Das Analogieargument wurde in den letzten Jahren dadurch gestärkt, dass auf zellulärer Ebene zuvor unbekannte ausgeprägtere Analogien als auf der anatomischen Ebene gefunden wurden, vor allem in der Maschinenanalogie und in der Programmierung.

Wichtig ist abschließend die Feststellung, dass der Analogieschluss durch Forschung sowohl zu Fall gebracht als auch weiter gestützt werden könnte. Er ist falsifizierbar. Solange aber eine Falsifizierung nicht erfolgt ist, ist der Analogieschluss plausibel.

Einwand: zu wenige Kenntnisse. Als zweiter Einwand gegen den Analogieschluss wird genannt: Wir wissen zu wenig über die Eigenschaften und Fähigkeiten der Lebewesen, um beurteilen zu können, ob Design-Merkmale wie z. B. nichtreduzierbare Komplexität auf natürlichem, evolutivem Wege entstehen können oder nicht (Waschke 2003). Dieser Einwand ist zwar berechtigt und es kann daher keinen zwingenden Schluss auf das Wirken eines Designers geben, sondern nur den Schluss auf die beste Erklärung. Aber es handelt nur um einen potentiellen Einwand, der sich auf ein mögliches Noch-nicht-Wissen beruft. Die weitere Forschung wird zeigen, in welche Richtung zunehmendes Wissen führen wird. Wenn man so will: Man befindet sich in der kausalen Evolutionsforschung auf dem Wege der eliminativen Induktion (s. o.), da immer wieder neue Evolutionsfaktoren vorgeschlagen und auf ihre Leistungsfähigkeit getestet werden. So sind einige Evo-Devo-Forscher zu der Auffassung gelangt, dass gradualistische Evolution im Sinne der Synthetischen Theorie nicht ausreicht, um evolutionäre Neuheiten erklären zu können, und schlagen neue Mechanismen vor (kritische Diskussion im Artikel |1.3.3.6.2 Evo-Devo|). Aus dem Gesagten folgt, dass man sich der naheliegenden Schlussfolgerung auf Design entziehen kann, indem man auf zukünftige neuartige Erkenntnisse über nicht-teleologische evolutive Veränderungsmöglichkeiten der Lebewesen hofft. Wenn einem ein Stand des Wissens und die plausiblen Schlussfolgerungen daraus nicht passen, kann man immer auf potentielles, „zukünftiges“ Wissen appellieren. Das ist eine „Lückenbüßer“-Argumentation. Dieses Argument könnte genauso gut von Vertretern irgendwelcher Positionen vorgebracht werden, für die es derzeit kaum Argumente gibt. Die Frage ist, welche Schlussfolgerungen der momentane Kenntnisstand erlaubt.

Ein Beweis für Design wäre erst der Nachweis, dass z. B. nichtreduzierbare Komplexität oder andere Design-Kennzeichen grundsätzlich nicht natürlich entstehen können. Ein solcher Nachweis kann aber kaum endgültig geführt werden. Er steht immer unter dem Vorbehalt unserer begrenzten Kenntnisse über die Lebewesen. Weil unser Wissen über die Lebewesen wohl immer begrenzt sein wird, ist ein definitiver Beweis für Design nicht zu erwarten.

Design, der Analogieschluss und David Hume. In der Kontroverse um Design in der Biologie wird häufig auf den schottischen Philosophen David Hume (1711-1776) verwiesen. Er habe in „Dialoge über natürliche Religion(„Dialogues Concerning Natural Religion“) den Analogieschluss widerlegt (Mahner 2003). Da es erhebliche Unterschiede zwischen menschlichen Artefakten und den Lebewesen gebe, gebe es auch Grund, einen entsprechenden Unterschied in den Ursachen ihrer Entstehung anzunehmen. Auf dieses Argument wurde in den vorigen Abschnitten eingegangen: Die vorhandenen Unterschiede schaffen die offenkundigen Gemeinsamkeiten nicht aus der Welt und beinhalten keinen Erklärungsschlüssel für eine nicht-teleologische Entstehung.

Hume argumentiert außerdem, dass man zum Beispiel eine Uhr nicht deshalb als geschaffen erkenne, weil ihre Strukturen Ordnung und Komplexität aufwiesen, sondern weil wir aus Erfahrung wissen, dass Uhren Artefakte sind. Das ist aber kein stichhaltiges Gegenargument, denn genau dieses Wissen um eine bestimmte Qualität (Ordnung und Komplexität) ist ja die eine Seite des Analogieschlusses. Wir wissen aus Erfahrung, dass derlei Strukturen nicht ohne Planung entstehen. Darüber hinaus ist es die Zweckmäßigkeit, die Intentionalität nahe legt. Die Design-Argumentation wird auch nicht dadurch widerlegt, dass man sie auch auf viel einfachere Artefakte wie Scherben oder Mauerreste anwenden kann. Auch diese weisen Kennzeichen auf, die nicht von alleine entstehen.

Als weiteres Gegenargument wird dann auf die Erfahrung verwiesen, dass Lebewesen geboren werden, sich entwickeln und wachsen und irgendwann sterben. „Nichts Empirisches deutet daraufhin, sie seien Artefakte. Die Natur als Ganzes ist so eher einem Organismus analog als einer Uhr“ (Mahner 2003). Doch auch dieses Argument ist verfehlt, da es zum einen um die erstmalige Entstehung der Lebewesen und neuer Eigenschaften geht und zum anderen nicht um die Natur als Ganzes. sondern einzelne abgegrenzte Strukturen.

Weiter wendet Hume ein, dass die Analogie konsequenterweise zu problematischen Schlüssen führe. Mahner schreibt darüber: „Zunächst sind alle uns bekannten Maschinenbauer endliche und imperfekte Wesen, d. h. Menschen. Der Analogieschluss auf ein unendliches und perfektes Wesen ist also nicht gerechtfertigt.“ Das stimmt zwar, aber darum geht es beim Analogieschluss gar nicht, sondern nur um die Frage nach Planung in der Natur. Die Identität und die Attribute des Designers sind theologische Fragen. Dieselbe Gegenkritik trifft auch den weiteren Einwand, dass alle uns bekannten Planer als Menschen moralisch zwiespältige Wesen seien, weshalb der Schluss auf einen allgütigen Designer unberechtigt sei. Die Analogie zwischen Technik und Natur soll ja nur die Existenz eines Designers plausibel machen und keine umfassende Antwort auf die Frage nach den Attributen des Designers geben.

Schlussfolgerungen. Aufgrund der Beschreibung lebendiger Konstruktionen durch teleologische Begriffe und aufgrund tiefgehender Entsprechungen zwischen Natur und Technik ist ein Analogieschluss über die Entstehung lebender Konstruktionen begründet. Die Analogie zwischen Organismen und Technik wird durch Unterschiede zwischen lebendigen Konstruktionen und technischen Konstrukten aus zwei Gründen nicht in Frage gestellt: 1. Die tiefgreifenden Ähnlichkeiten werden dadurch nicht verringert, 2. In den Unterschieden liegt nicht das Potential zu einer nicht-teleologischen, mechanismischen Erklärung (vgl. Rammerstorfer 2006a, 105). Dies könnte sich durch weitere Kenntnisse über Evolutionsmechanismen allerdings ändern; der Analogieschluss ist also widerlegbar und kann sich als Fehlschluss erweisen, er kann durch weitere Befunde aber auch gestärkt werden. Einen zwingenden Beweis für Schöpfung stellt er somit nicht dar. Bei der Analogie Technik – Lebewesen geht es nur um die Übertragbarkeit von Teleologie in der Technik auf Teleologie bei den Lebewesen, nicht um die genaue Identität des Urhebers. Vom Urheber muss aber angenommen werden, dass die Kennzeichen seines Designs den Design-Indizien menschlichen Schaffens ähneln, wenn ein Analogieschluss gezogen wird.

2.6 Design-Indizien

Der Begriff „Design-Indiz“ wurde in den vorangehenden Abschnitten schon mehrfach gebraucht. Als Design-Indizien sollen solche Kennzeichen von Lebewesen bezeichnet werden, die als Hinweise auf das Wirken eines Designers gewertet werden können, die also kennzeichnend für Planung und Zielorientierung sind. Welche Kennzeichen kann man nun erwarten, wenn ein Gegenstand designed ist?

Wichtig ist hier die eingangs erläuterte Unterscheidung zwischen dem „klassischen“ ID-Ansatz und spezifischem Design (SD) (vgl. Heilig 2008; 2010). Nach dem ID-Ansatz sollen jegliche konkrete Vorstellungen über das Wirken des Designers ausgeklammert werden. Bei dieser Vorgehensweise kann man aber nur der Frage nachgehen, ob Grenzen für nicht-teleologische Vorgänge nachweisbar sind. Was durch nicht-teleologische Prozesse und Mechanismen nicht erklärt werden kann, kann dann aber nur einen Verdacht auf Design liefern. Nur wenn man auch konkrete Vorstellungen vom Wirken eines Designers zugrundelegt (z. B. dass er optimale Lösungen von Konstruktionsproblemen bevorzugt, oder dass er Sinn für Ästhetik hat), kann man nach entsprechenden konkreten Design-Indizien suchen.

Nachfolgend sollen Design-Indizien vorgestellt und diskutiert werden, bei denen ein Bezug auf SD vorliegt. So wird insbesondere angenommen, dass die Konstrukte des Designers ähnliche Kennzeichen aufweisen wie die Konstruktionen des Menschen. Dadurch besteht die Möglichkeit, nach konkreten Hinweisen auf Design zu suchen, indem menschliches Design analysiert wird und typische Merkmale herausgefiltert werden: Wir designen beispielsweise nicht nur zweckmäßig im Sinne höchster Effizienz, sondern berücksichtigen auch ästhetische Aspekte. Wenn ein menschenähnlicher Designer das Leben designed haben sollte, sind daher auch Strukturen zu erwarten, die solche Kennzeichen aufweisen. Ohne diese Spezifizierung des Designs können im Rahmen des Design-Ansatzes solche Erwartungen nicht abgeleitet werden.

Nach dem eingangs Gesagten erkennen wir spezifisches Design an einem Gegenstand daran, dass es zum einen besondere Merkmale zeigt, die in analogen Fällen (bei menschengemachtem Design) typisch für planvolle Strukturierung sind, und dass zum anderen natürliche Prozesse nach gegenwärtiger Kenntnis diesen Gegenstand nicht entstehen lassen (wie z. B. Faustkeile).

Jedes Design-Indiz verdiente eine ausführliche Besprechung; dies ist teilweise an anderer Stelle geschehen, worauf hier verwiesen werden soll. Hier soll nur ein kurzer Überblick gegeben werden.

Nichtreduzierbare Komplexität. Organismen bestehen aus zahlreichen synorganisierten Teilsystemen, d. h. es wirken viele Komponenten zusammen, um eine Funktion auszuüben. Mindestens ein Kernbereich dieser Systeme scheint dabei unverzichtbar zu sein; er ist nicht reduzierbar; d. h. kein Element darf entfernt werden, ohne dass es zu einem totalen Funktionsausfall kommt (bezogen auf die Funktion des Systems!). Ein einzelnes System ist nach Behe demnach nichtreduzierbar komplex (irreducible complex, im Folgenden mit „IC“ abgekürzt), wenn es notwendigerweise aus mehreren, gut aufeinander abgestimmten, wechselwirkenden Teilen besteht, die an der Grundfunktion beteiligt sind, so dass die Entfernung eines beliebigen Teils diese Funktion restlos zerstört (nach Behe 1996, 39). Ein solches System wird nachfolgend als IC-System bezeichnet. Wichtig in der Definition von IC ist, dass es sich um wechselwirkende („interacting“) Teile handelt, die aufeinander abgestimmt („well matched“) sind.

Auf dem Nachweis von nichtreduzierbarer Komplexität (ggf. eines Kernbereichs) baut das IC-Argument auf. Es besagt: Es ist nicht möglich, ein IC-System kleinschrittig (kumulativ) durch ungerichtete evolutive Prozesse aufzubauen. Denn solange das System nicht alle für die Ausübung der betreffenden Funktion erforderlichen Teile besitzt, wäre es aufgrund seiner Funktionslosigkeit (bezüglich der heutigen Grundfunktion) selektionsnegativ oder bestenfalls selektionsneutral (falls das System sehr einfach ist). Das heißt: Nichtreduzierbar komplexe Systeme (IC-Systeme) sind so gestaltet, dass die Selektion auf die betreffende Grundfunktion hin erst greifen kann, wenn das System komplett ist. Das Konzept der nichtreduzierbaren Komplexität berücksichtigt also ausdrücklich den Selektionsaspekt. Das ist der negative Teil des Arguments. Wichtig ist dabei, dass das IC-Argument nicht beinhaltet, dass die IC-Struktur gleichsam aus dem Nichts entstanden sein soll; es kann Vorläufer mit anderer Funktion gegeben haben (s. u.).

Nichtreduzierbare Komplexität ist zugleich ein typisches Kennzeichen von technischen Konstruktionen und kann daher als Design-Indiz gelten, was als positiver Teil des Arguments gewertet werden kann. Das Vorkommen von IC-Strukturen entspricht den Erwartungen des Design-Ansatzes im Sinne von SD. Denn bei IC handelt es sich zum einen um ein Kennzeichen der Lebewesen, das typisch für bestimmte („spezifische“) Designer ist (Design-Indiz), zum anderen ist ein natürlicher Entstehungsweg (d. h. unter Ausschluss von Planung) unbekannt.

Selektion kann in Bezug auf eine neue Funktion erst dann greifen, wenn diese neue Funktion wenigstens minimal vorliegt. Daher kann eine IC-Struktur ausgehend von einer Vorkonstruktion mit noch anderer Funktion nicht schrittweise evolutiv aufgebaut werden. Ihre Vorstufen wären auf die erst noch zu erwerbende Funktion hin nämlich nicht selektierbar, da sie diese Funktion noch nicht besitzen. Wie der Sprung zu einer IC-Struktur evolutiv (durch ungerichtete Prozesse) möglich sein könnte, ist nach derzeitigem Kenntnisstand unbekannt, so dass der Schluss auf Design als Schluss auf die beste Erklärung möglich ist.

Nichtreduzierbare Komplexität ist ein typisches Beispiel für ein tertium comparationis zwischen technischen und lebendigen Systemen und den darauf aufgebauten Analogieschluss (s. o.).

Das Argument der nichtreduzierbaren Komplexität (IC-Argument) wurde auf vielerlei Weise in Frage gestellt. Zahlreiche Kritikpunkte werden im Artikel |0.4.1.4.2 Nichtreduzierbare Komplexität| behandelt, daher sollen hier nur zwei grundsätzliche Möglichkeiten für Kritik angesprochen werden: 1. Es wird gezeigt, dass das in Rede stehende System gar nicht nichtreduzierbar komplex ist, dass es also schrittweise aufgebaut werden kann, so dass jeder „Station“ funktional und damit Schritt für Schritt selektierbar ist. 2. Es wird demonstriert, dass eine IC-Struktur auf nicht-darwinistischem Weg, auf indirektem Weg (z. B. über eine redundante Vorstufe oder als Nebeneffekt einer evolutiven Entstehung eines anderen Komplexes) oder auf einem anderen evolutiven Weg ohne lenkenden Eingriff entstehen kann. In beiden Fällen würde die Annahme eines Designs überflüssig werden. Alle Kritikpunkte gegen das IC-Argument lassen sich diesen beiden grundsätzlichen Einwänden zuordnen. Beispielsweise wird darauf hingewiesen, dass Einzelteile eines IC-Systems aus anderen Funktionszusammenhängen übernommen worden sein können (Kooption). Dem wird aber bei der Formulierung des IC-Arguments Rechnung getragen, indem in der IC-Definition von der Funktion des Systems die Rede ist, die bei Verlust eines Teils verloren geht. Behe hat selbst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Einzelteile eines IC-Systems andere Funktionen haben können oder konnten (was von Kritikern oft übersehen wird). Detailliert diskutiert Scherer (2009) dieses Gegenargument am Beispiel des Bakterienmotors. Auf weitere Gegenargumente wird ausführlich im Artikel |0.4.1.4.3 Nichtreduzierbare Komplexität| (PDF-Version) eingegangen; einen Kurzüberblick über die wichtigsten Gegenargumente bietet Junker (2009).

Das Vorliegen des Kennzeichens der nichtreduzierbaren Komplexität kann durch empirische Forschung begründet werden. Je mehr über ein System bekannt ist, desto genauer kann abgeschätzt werden, ob es nichtreduzierbar komplex ist. Daher ist Wissenszuwachs für den Design-Ansatz von grundlegender Bedeutung, denn mehr Wissen kann das IC-Argument stärken, aber auch schwächen.

Spielerische Komplexität. Als weiteres Design-Indiz wird das Vorkommen von Konstruktionsmerkmalen von Lebewesen angeführt, die ausgefallener erscheinen, als die Funktion der Struktur erwarten lässt. Man könnte hier von „Luxusstrukturen“ oder von „spielerischer Komplexität“ sprechen, „d. h., sie gehen weit über das hinaus, was man aus der Perspektive von Leistungsfähigkeit/Nützlichkeit erwarten würde“ (Rammerstorfer 2006b). Als Beispiel sei die Blüte des Frauenschuhs genannt, die mittels einer Kesselfalle blütenbesuchende Insekten vorübergehend einsperrt, um auf diesem Wege die Bestäubung zu ermöglichen (s. Abb. 364). Bekanntlich erfüllen viel einfacher gebaute Blüten diesen Zweck genauso gut; weshalb gibt es also so überaus komplizierte Einrichtungen? Sind solche Konstruktionen komplizierter, als es für die zu erfüllende Funktion notwendig ist? Wenn ja, warum ist das so?

Abb. 364: Kann die Frauenschuh-Blüte alleine unter dem Aspekt der Nützlichkeit und Überlebensfähigkeit verstanden werden?

Luxus kann sich ein Schöpfer erlauben, es ist ein typisches Kennzeichen von Planung, daher als „Design-Indiz“ interpretierbar. Ein Designer ist nicht daran gebunden, funktional möglichst effektive Strukturen zu schaffen; Funktionalität ist nicht das einzige Bewertungskriterium für die Güte seines Produkts. Dagegen können für das Auftreten funktional überflüssiger Strukturen kaum Selektionsdrücke plausibel gemacht werden. Von einem selektionsabhängigen evolutionären Entstehungsprozess sollte man vielmehr einfache, sparsame Lösungen erwarten. Diese gibt es ja auch – und sie funktionieren mindestens ebenso gut wie die extravaganten. Warum gibt es also noch ausgefallene Versionen? Sie werden verständlich, wenn sie unter dem Blickwinkel eines Designers betrachtet werden.

Eine mögliche Diskrepanz zwischen Struktur und Funktion kann bislang nur schwer exakt gefasst werden. Um eine solche Diskrepanz nachweisen zu können und darüber hinaus den Nachweis zu erbringen, dass sie durch Evolutionsmechanismen nicht entstehen kann, sei es durch direkte Selektion oder als Nebeneffekt der Selektion einer unmittelbar nützlichen anderen Struktur, müssen die betrachteten Systeme genau bekannt sein. Nichtsdestotrotz kann diese Perspektive Forschung anregen und eine Spur aufzeigen, die sich gerade aus der Sicht einer Schöpfung ergibt – ein schönes Beispiel dafür, dass der Design-Ansatz in die Forschung hineinführt und sie nicht etwa überflüssig macht. Mit welchen Fragen und Problemen sich der Versuch des Nachweises spielerischer Komplexität befassen muss, diskutiert Rammerstorfer (2006b).

Potentielle Komplexität (Zukunftsorientierung). Eine dritte Sorte von Design-Indizien könnten Fähigkeiten von Lebewesen sein, die durch aktuelle Selektionsbedingungen und durch Selektionsbedingungen ihrer mutmaßlichen Vorfahren nicht erklärt werden können, jedoch durch potentielle zukünftige Auslesefaktoren. Das können z. B. Programme und Mechanismen sein, die angelegte Fähigkeiten bei Bedarf zur Entfaltung bringen (vor allem ausgelöst durch Umweltreize): potentielle Komplexität. Damit kommt ein Zukunftsaspekt ins Spiel, wenn potentiell nützliche Fähigkeiten angelegt sein sollten. Solche Befunde widersprächen allen Ansätzen, die davon ausgehen, dass ein Lebewesen nur sein unmittelbares Überleben sichern muss bzw. kann, nicht aber das zukünftige.

Rein naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle können nur streng gegenwartsorientiert sein, da sie eben keine vorausschauende Instanz kennen. Auslese auf zukünftige Bedürfnisse ist unmöglich – oder bildhaft ausgedrückt: Rucksäcke mit geeignetem Inhalt werden nur gepackt, wenn man in der Lage ist, ein Ziel zu verfolgen. Wenn also plausibel gemacht werden kann, dass die Lebewesen zu mehr potentiell fähig sind, als zu dem, was sie aktuell brauchen und früher brauchten, ist das ein starkes Argument für Planung. Denn die Existenz von Variationsprogrammen, die erst für zukünftige Erfordernisse relevant sein könnten, ist evolutionär nicht zu erwarten, da die Evolutionsmechanismen nicht zukunftsorientiert sind. Auch hier sind aufwändige Untersuchungen notwendig, die durch den Design-Ansatz angeregt werden. Die Komplexität der Lebewesen erlaubt hier bislang keine exakte Argumentation. Es geht hier insbesondere um das Thema der „Evolvierbarkeit“ („evolvability“), das in den letzten Jahren einige Aufmerksamkeit in der Forschung auf sich gezogen hat. Können Variationsprogramme als Nebenprodukt von Evolutionsmechanismen entstehen, können sie selektiert werden? Die Forschung dazu ist im Gange; „Evolvierbarkeit“ spielt auch in der neuen Evo-Devo-Forschung eine wichtige Rolle (siehe dazu |1.3.3.6 Evo-Devo|).

Wie auch beim Design-Indiz der spielerischen Komplexität ist ein sicherer Nachweis von potentieller Komplexität aufgrund der Komplexität der Lebewesen kaum möglich. Einige Dinge, die dabei zu bedenken sind, und Einwände gegen das Konzept der potentiellen Komplexität diskutieren Junker & Rammerstorfer (2005); zwei Beispiele stellt Junker (2009) vor.

Konvergenzen und Modularität. Als Beleg für eine allgemeine Evolution wird häufig die Ähnlichkeitshierarchie bzw. das enkaptische (eingeschachtelte) System der Lebewesen (s. Abb. 366) angeführt. In der Tat ist eine solche Ordnung evolutionär zu erwarten und die Vielfalt der Arten passt häufig dazu.

Abb. 366: Enkaptisches System. Ordnung der Lebewesen in einem hierarchischen, enkaptischen (eingeschachtelten) System, am Beispiel von Riesengleithörnchen (Petaurista petaurista), Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) und Wolf (Canis lupus). (Nach Peters & Gutmann 1971)

Doch die Enkapsis bildet nur einen Teilaspekt der Lebensvielfalt. Ein anderer, nicht minder gewichtiger Aspekt ist das häufige Vorkommen von Konvergenzen. Damit ist das Auftreten baugleicher oder sehr ähnlicher Konstruktionen bei Lebewesen gemeint, die nur als sehr entfernt verwandt gelten. So sind z. B. Tiere mit sog. „Leimruten“ (s. Abb. 47) unsystematisch unter den Wirbeltieren verteilt. Sie lassen sich nicht auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückführen, der diese komplexe Einrichtung bereits besaß. Aufgrund der Verteilung vieler anderer Merkmale muss vielmehr angenommen werden, dass sich Leimruten mindestens fünfmal unabhängig (konvergent) – evolutiv entwickelt haben. Angesichts der Komplexität dieses Apparats stellt dies an sich schon eine Herausforderung für evolutionäre Hypothesen dar. In unserem Zusammenhang aber zeigt dieses Beispiel, dass auch tiefgreifende Ähnlichkeiten für sich genommen nicht als Belege für eine gemeinsame Abstammung gelten können.

Abb. 47: Leimruten (lange, ausstülpbare, klebrige Zungen) sollen mehrfach unabhängig entstanden sein; die Ähnlichkeit gilt hier nicht als abstammungsbedingt, sondern als Konvergenz. Von oben: Erdferkel, Ameisenbär, Schuppentier. Quelle: Westfälisches Museum für Naturkunde, Münster

Bei diesem Beispiel mag man auf Einzelheiten im speziellen Bau der Leimruten und des dazugehörenden Verdauungsapparats verweisen können, die (unabhängig von der Verteilung dieses Merkmals im System der Wirbeltiere) für eine getrennte Entstehung ins Feld geführt werden können; das Problem der evolutiven Entstehung vergleichbarer komplexer Apparate wird dadurch aber nicht geringer. Es hat sich zudem allgemein herausgestellt, dass es kein objektives Kriterium für eine Unterscheidung von Homologien (Ergebnisse gemeinsamer Abstammung) und Konvergenzen (ähnliches Ergebnis trotz unabhängiger Entstehung) gibt (Belege und Diskussion dazu in Junker 2002; vgl. |1.3.5.1 Ähnlichkeiten in der Morphologie und Anatomie|). Die Merkmalsverteilungen sind fast immer dergestalt, dass eine (evolutionstheoretisch naheliegende) Baumdarstellung durch mehr oder weniger zahlreiche und komplexe Konvergenzen Merkmalswidersprüche beinhaltet. Das heißt: Verschiedene Merkmale unterstützen unterschiedliche, einander widersprechende Abstammungsverhältnisse. Dadurch wird die enkaptische Ordnung, die evolutionstheoretisch als Folge einer allgemeinen Abstammung mit allmählicher Verzweigung interpretiert wird (s. o.), mehr oder weniger stark gestört. Bei manchen Tier- und Pflanzengruppen lässt sich die Ordnung der mittleren bis höheren Taxa überhaupt nicht mehr enkaptisch darstellen, sondern nur als eng verflochtenes Netzwerk (Abb. 206 zeigt ein Beispiel). Die Merkmale sind häufig baukastenartig verteilt, es drängt sich hier (wie neuerdings ganz massiv auch im genetischen Bereich) immer wieder der Begriff „Baukastensystem“ als Charakterisierung der Merkmalsverteilung auf. Das widerspricht früher formulierten evolutionstheoretischen Erwartungen und wirft völlig neue Fragen nach den Evolutionsmechanismen auf, die zum verbreiteten Vorkommen von Konvergenzen führen, zumal viele Konvergenzen nicht durch gleichsinnige Selektionsdrücke verständlich gemacht werden können (Näheres dazu in Junker 2003).

Abb. 206: Ahnlichkeitsbeziehungen unter Lebewesen können als Netzwerk dargestellt werden: Verwandtschaftsverhältnisse der Arthropoden (Gliederfüßer). Je nach zugrundegelegten Merkmalen ergeben sich unterschiedliche Gruppierungen. Die entsprechenden Untersuchungen stammen alle aus den 1990er Jahren. (Nach Wägele 2001, 102). Wägele kommentiert diese Abbildung: “Ergebnisse neuerer Analysen sind untereinander nicht kompatibel, mehrere davon oder alle müssen demnach fehlerhaft sein.”

Konvergenzen (mindestens von Komplexmerkmalen) gelten als unwahrscheinlich, weil sie ein zusätzliches evolutionstheoretisches Problem beinhalten: Ungelenkte Prozesse müssten nicht nur zu irgendeiner komplexen Struktur führen (die nicht vorgegeben war), sondern auch zweimal oder mehrfach ohne Zielvorgabe dieselbe oder eine sehr ähnliche Struktur hervorbringen. Das Problem ist logisch gesehen dasselbe, wie wenn ungelenkte Prozesse eine bestimmte, vorgegebene Endstruktur erreichen müssten. Es muss also nicht nur die evolutive Entstehung irgendeiner Struktur, sondern auch einer vorgegebenen Struktur erklärt werden. Weil dies evolutionstheoretisch als sehr problematisch gelten muss, wird in der Regel versucht, phylogenetische Rekonstruktionen mit möglichst wenigen Konvergenzen zu erstellen.

Aus der Perspektive eines Designers stellt sich das Konvergenzproblem nicht. Denn die Wiederverwendung von Bauteilen kann sogar geradezu als typisches Designer-Kennzeichen und mithin als Design-Indiz gewertet werden. Ein modularer Aufbau hat sich in der Technik und beim Programmieren bewährt. Hier greift daher erneut der Analogieschluss von Konstellationen in der Technik auf die Situation bei Lebewesen.

Redundanzen. Eine interessante Spur von Design-Indizien könnte das Vorkommen von Redundanzen sein, denn redundante Bestandteile eines Systems sind auf zukünftige Bedürfnisse hin angelegt, nämlich auf das Vorkommen von Funktionsausfällen. Gilbert (2007) schildert in den Online-Zusatztexten zu seinem Buch unter der Überschrift „Buffering of Modules Against Failure“ folgende interessante Befunde: Es gibt eine Abpufferung von Modulen gegen Fehler; das sei in der langen Geschichte Entwicklungsbiologie ein faszinierendes Thema gewesen. Spemann sprach von „doppelter Sicherung“ auf dem anatomischen Level. So kann zum Beispiel die Linse auf verschiedene Weise entstehen und durch verschiedene Gewebe induziert werden; es gibt viele Beispiele dieser Art. Tautz (1992) wies schon früher darauf hin, dass es eine zunehmende Zahl von Hinweisen darauf gebe, dass funktionell redundante Genkaskaden (genetic pathways) in Entwicklungsprozessen verbreitet seien. Allerdings sind Redundanzen nicht einfach darzustellen: Es ist nicht so, dass für eine bestimmte Funktion zwei Gene zur Verfügung stehen, die sich gegenseitig vertreten könnten und genau dieselbe Funktion haben. Die Redundanzen sind vielmehr überlappend. Das heißt: Gene, die sich gegenseitig vertreten können, haben mehrere Funktionen, die sich von Gen zu Gen aber unterscheiden. 1:1-Redundanzen würden auch gar nicht stabil bleiben, wie man von duplizierten Genen weiß. Diese Überlappung von Genfunktionen soll evolutiv durch Rekrutierung neuer Funktionen bei vorhandenen (evtl. zuvor duplizierten) Genen erfolgt sein. Ob dieser Weg evolutiv gangbar ist, wird die weitere Forschung zeigen müssen. Dies ist dann fraglich, wenn die Redundanz nicht nur einzelne Gene, sondern ganze Kaskaden betrifft, die Redundanz zeigen. Tautz (1992, 263) erwähnt als Beispiel einen Fall einer solchen komplexeren Redundanz beim Fadenwurm Caenorhabditis.

Redundanzen sind auf Zukunft angelegt: für den Fall eines zukünftig auftretenden Fehlers ist Ersatz vorprogrammiert. Zukunftsorientierung kann allgemein als starkes Verdachtsmoment auf Design gelten, da ungelenkte Mechanismen nicht vorausschauen können. Es bietet sich daher an, entsprechende Konstellationen unter der teleologischen Perspektive genauer zu untersuchen.

Schlussfolgerungen. Design-Argumente wie die Existenz von Design-Indizien werden erst durch Forschung stark, und wenn sie unhaltbar sind, könnte das durch Forschung gezeigt werden. Beispielsweise kann die Eigenschaft der nichtreduzierbaren Komplexität auf der Basis des jeweiligen Kenntnisstandes durchaus wahrscheinlich gemacht werden, doch kann sich der Wissensstand bekanntlich ändern; der Ausgang ist offen. Ähnliches gilt für das Vorliegen anderer Design-Indizien. Die Behauptung des Fehlens eines natürlichen Entstehungsmechanismus kann falsifiziert werden und alle Hypothesen eines spezifischen Designs (SD) können dadurch Konkurrenz erhalten, dass konkrete nicht-teleologische, evolutionsbiologische Erklärungen vorgelegt werden. Dann wäre der Schluss auf Design als Schluss auf die beste Erklärung nicht mehr möglich (es sei denn, andere Aspekte würden diesen Schluss erlauben (z. B. wenn gezeigt werden könnte, dass die zur Verfügung stehende Zeit für eine natürliche Entstehungsweise nicht ausreicht). Der Design-Ansatz formuliert damit ein definiertes Falsifikationskriterium.

2.7 Wichtige Begriffe dieses Artikels

Design: Zweckmäßige Anordnung von Teilen, die geeignet ist, eine Funktion auszuüben. In diesem Buch wird dieser Begriff durchgehend im Sinne einer Planung, Zielorientierung und Zwecksetzung eines Akteurs verwendet; der Begriff ist also immer teleologisch bzw. intentional gemeint. Dies muss hervorgehoben werden, weil es sich in der Biologie eingebürgert hat, auch dann von „Design“ zu sprechen, wenn man damit gar keine planvolle, zielorientierte Entstehung verbindet. „Design“ ist also Kurzform für „intentionales Design“.

Design-Ansatz: Dem Design-Ansatz in der Biologie liegt eine teleologische Ursprungssicht zugrunde. Das heißt: Die Lebewesen sind durch Planung und das zielorientierte Wirken eines Akteurs (Designers) entstanden. Kennzeichnend für den Design-Ansatz ist, dass der teleologische Ursprung anhand geeigneter Kriterien erkennbar ist oder wenigstens wahrscheinlich gemacht werden kann und dass nicht-teleologische Erklärungsversuche scheitern. Der Begriff „Design-Ansatz“ schließt „Intelligentes Design“ (ID) und „Spezifisches Design“ (SD) ein (s. u.). Nach dem ID-Ansatz gilt bereits das Scheitern nicht-teleologischer Erklärungsversuche als Hinweis auf Design.

Design-Indizien: Kennzeichen von Lebewesen, die auf einen teleologischen Ursprung hinweisen und für die keine nicht-teleologische Erklärung bekannt isr. Design-Indizien kann es nur im Rahmen spezifischer Design-Vorstellungen geben (s. „Spezifisches Design“), da Annahmen über den Designer zugrundegelegt werden müssen (z. B. dass er Design erzeugt, das bestimmte Kennzeichen trägt).

Intelligentes Design (ID): Design-Ansatz, der keine Aussage über den Designer macht außer, dass er zielorientiert vorgeht. Im Rahmen von ID kann als Hinweis auf Design nur das Scheitern nicht-teleologischer Entstehungshypothesen gelten. Dieses Scheitern liefert aber nur Verdachtsmomente auf Design. Solange über den Designer keinerlei Aussagen gemacht werden, können keine konkreten Vorhersagen gemacht werden, welche Kennzeichen von Lebewesen zu erwarten sind, und es ist auch kein Vergleich mit nicht-teleologischen Erklärungsversuchen möglich. ID-Befürworter sind häufig inkonsequent, indem sie einerseits betonen, keinerlei Aussagen über den Designer zu machen, andererseits dennoch bestimmte Kennzeichen seiner Designertätigkeit erwarten oder nicht erwarten. Daher ist häufig spezifisches Design (SD) gemeint, wenn von „ID“ gesprochen wird. In diesem Buch geht es hauptsächlich um SD.

Naturalismus: Wirklichkeitsverständnis, wonach alles Seiende letztlich auf materiellen Dingen (Materie-Energie) basiert und letztlich aus natürlichen, gesetzmäßig beschreibbaren, nicht-teleologischen Prozessen hervorgegangen ist. „Naturalismus“ ist in diesem Buch immer ontologisch gemeint, wenn keine nähere Kennzeichnung erfolgt.

SD-Modell: Ursprungsmodell, das Bezug auf spezifisches Design nimmt. Ein SD-Modell beinhaltet Aussagen über definierte Designer-typische Kennzeichen der Lebewesen (s. Design-Indizien).

Spezifisches Design (SD): Kennzeichen von Strukturen der Lebewesen, die typisch sind für bestimmte Designer, das heißt in der Praxis meistens: typisch für Design solcher Art, wie es auch Menschen erzeugen können. Die Kennzeichen von menschlichem Design kennen wir aus unmittelbarer Erfahrung und können daher recht konkrete Erwartungen an ein hypothetisch menschenähnliches Design in der Natur ableiten.

Teleologie: Lehre von den Zwecken und von der Zielgerichtetheit von Vorgängen.

2.8 Literatur

Eine sehr viel ausführlichere Diskussion bietet: Junker R (2009) Spuren Gottes in der Schöpfung? Eine kritische Analyse von Design-Argumenten in der Biologie. Studium Integrale. Holzgerlingen. ([#LINK 1 si/bio/spurengottes.html|; dort ist auch ein Link zum Inhalt und Vorwort)

Sehr lesenswert ist: Rammerstorfer M (2006a) Nur eine Illusion? Biologie und Design. Marburg.

Weitere im Text zitierte Literatur:

Behe M (1996) Darwin’s Black Box. The Biochemical Challenge to Evolution. New York.

Gene M (2007) The Design Matrix. A Consilience of Clues. Arbor Vitae Press.

Gilbert SC (2007) Modules: Key Pieces in the Integration of Developmental and Evolutionary Biology. http://8e.devbio.com/article.php?id=222. (Zugriff am 29. 11. 07)

Heilig C (2008) Klassifikation von Ursprungsvorstellungen. http://evolution-schoepfung.blogspot.com/2008/11/klassifikation-von-ursprungsvorstellung.html

Heilig C (2010) Die Ursprungsfrage – Klassifizierung möglicher Antworten. In: Heilig C & Kany J (Hg) Teleologie und Wissenschaft. In Vorb.

Hume D (1777/1981) Dialoge über die natürliche Religion. Stuttgart.

Imming P & Bertsch E (2007) „Zufall und Notwendigkeit erklären den Ursprung des Lebens nicht.“ Stud. Int. J. 14, 55-65.

Junker R (2002) Ähnlichkeiten, Rudimente, Atavismen. Holzgerlingen.

Junker R (2003) Baum, Baukasten, Netzwerk. Ist die evolutionäre Systematik zirkelschlüssig? Stud. Int. J. 10, 3-11.

Junker R (2009) Spuren Gottes in der Schöpfung? Eine kritische Analyse von Design-Argumenten in der Biologie. Studium Integrale. Holzgerlingen.

Junker R & Rammerstorfer M (2005) Potentielle Komplexität als ID-Forschungsprogramm. http://members.aon.at/evolution/POCnetV.pdf

Junker R & Scherer S (2006) Evolution – ein kritisches Lehrbuch. Gießen.

Keil G (1993) Kritik des Naturalismus. Berlin.

Mahner M (2003) Hume, Paley und das Design-Argument. Skeptiker 16, 131.

Meyer SC (2006) A Scientific History – a Philosophical Defense – of the Theory of Intelligent Design. Religion • Staat • Gesellschaft 7, 203-241.

Mutschler HD (2002) Naturphilosophie. Stuttgart.

Mutschler HD (2003) Gibt es Finalität in der Natur? In: Kummer C (Hg.) Die andere Seite der Biologie. München.

Rammerstorfer M (2006a) Nur eine Illusion? Biologie und Design. Marburg.

Rammerstorfer M (2006b) „Playful Complexity“ als ID-Forschungsprogramm. http://members.liwest.at/rammerstorfer/PlayfulComplexity.pdf.

Scherer S (2009) Makroevolution molekularer Maschinen: Konsequenzen aus den Wissenslücken evolutionsbiologischer Naturforschung. In: Hahn HJ, McClary R & Thim-Mabrey C (Gg) Atheistischer und jüdisch-christlicher Glaube: Wie wird Naturwissenschaft geprägt? Norderstedt, S. 95-149.

Schischkoff G (1991) Philosophisches Wörterbuch. Begr. v. Heinrich Schmidt. 22. erw. Aufl. Stuttgart: Kröner 1991.

Sober E (2000) Philosophy of Biology. 2nd ed. Westview Press, Boulder, CO.

Spaemann R & Löw R (1981) Die Frage Wozu? Geschichte und Wiederentdeckung des teleologischen Denkens. München.

Tautz D (1992) Redundancies, development and the flow of information. BioEssays 14, 263-266.

Waschke T (2003) Intelligent Design. Eine Alternative zur naturalistischen Wissenschaft? Skeptiker 16, 128-136. www.gwup.org/skeptiker/archiv/2003/4/intellegentdesigngwup.html

 

Autor: Reinhard Junker, 07.01.2010

© 2010, https://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/e1621.php

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0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“ (Interessierte)

Der Design-Ansatz, wonach an Merkmalen der Lebewesen das Wirken eines Designers erkannt werden könne, wird kritisiert. Er sei nicht prüfbar, nicht widerlegbar, erkläre nichts, verhindere Forschung, biete keinen Entstehungsmechanismus, berufe sich auf Nichtwissen und sei anthropomorph. Diese und weitere Kritikpunkte sind entweder nicht berechtigt oder können entkräftet werden.

1.0 Inhalt

Im Rahmen des Design-Ansatzes wird versucht, anhand von geeigneten Merkmalen der Lebewesen (evtl. auch der unbelebten Natur) Hinweise auf einen Urheber („Designer“) plausibel zu machen. Diese Vorgehensweise wird vielfach kritisiert. In diesem Artikel werden Kritikpunkte am Design-Argument vorgestellt und bewertet.

1.1 Einleitung

Der Design-Ansatz wird vielfach kritisiert, im Artikel |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“| wurden Kritikpunkte bereits eingeflochten und es wurde auf sie eingegangen. Nachfolgend werden die wichtigsten Kritikpunkte zusammengefasst und ihrerseits kritisch beleuchtet.

1.2 Bedeutet der Design-Ansatz Erkenntnisverzicht?

Ein Standardeinwand gegen den Design-Ansatz lautet, es gebe kein Forschungsinteresse, weil man bei offenen Fragen einen Designer ins Spiel bringe statt weiterzuforschen. Daher sei der Design-Ansatz sogar forschungsfeindlich. Dieser Einwand ist verfehlt, denn der Design-Ansatz ist selbst auf Forschung angewiesen. Wenn einem Verdacht auf Design nachgegangen werden soll, ist Forschung unerlässlich. Design-Indizien werden auf dem Wege der Forschung entdeckt (vgl. |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“|, Abschnitt „Design-Indizien“). Je besser ein biologisches System untersucht ist, desto eher können Hinweise auf Design gefunden werden. Der Design-Ansatz regt an, nach Design-Indizien zu suchen und ist breiter angelegt als eine Forschung, die nur ungelenkte Mechanismen als Erklärungen zulässt. Eine weltanschaulich nicht festgelegte Ursprungsforschung wird nämlich die Möglichkeit von Design nicht von vornherein ausschließen, sondern wird daher offen dafür sein, Spuren von Design zu suchen und eine entsprechende Methodik dafür ausarbeiten.

Der Vorwurf der Wissenschaftsfeindlichkeit des Design-Ansatzes wurzelt häufig in der Vermischung der Wie-Frage und der Woher-Frage. Wenn in der Woher-Frage auf Design verwiesen wird, ist damit kein Plädoyer für eine Beendigung der Forschung verbunden. Die Behauptung, der Design-Ansatz gefährde den wissenschaftlichen Fortschritt, z. B. in der Medizin, erweist sich letztlich als Polemik. Die Entstehungsfragen können ohnehin nicht direkt erforscht, sondern nur durch vorläufige abduktive Schlüsse beantwortet werden (Näheres im Artikel |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“|). Der Fortschritt der Wissenschaft in den Wie-Fragen muss nicht automatisch einen Fortschritt in Woher-Fragen bringen. Das Gegenteil kann zutreffen: Zunehmendes Wissen kann Unkenntnis in den Ursprungsfragen umso deutlicher offenbaren.

1.3 Ist Design falsifizierbar?

Ein zweiter Einwand lautet, Design sei nicht falsifizierbar. Man könnte in der Tat alles als designed erklären, auch solche Phänomene, die nachweislich durch natürliche Prozessen entstehen können. Auch ein beliebig geformter Felsbrocken könnte durch Design entstanden sein, ohne dass man Designer-Spuren daran nachweisen kann. Eine strikte Falsifizierung von Design dürfte daher nicht möglich sein, wenn Design so allgemein gefasst wird. Doch die Argumentation mit Design erfolgt nicht auf diese Weise. Wenn die Entstehung eines Phänomens durch natürliche Prozesse plausibel erklärbar ist, ist die Annahme von Design nicht mehr erforderlich und kann fallengelassen werden. Eine natürliche Erklärungsmöglichkeit würde „Schöpfung“ zwar nicht grundsätzlich widerlegen; ein Bezug auf einen Schöpfer wäre in der Erklärung des Entstehungsprozesses aber nicht nötig. Das aber käme dem Scheitern des Design-Ansatzes gleich, denn der Design-Ansatz beinhaltet auch die Erkennbarkeit von Design sowohl durch den Nachweis definierter Design-Indizien als auch durch das (vorläufige) Fehlen einer natürlichen Erklärung; vgl. die Ausführungen in |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“|.

Das heißt also: Das Design-Argument würde in dem Maße geschwächt werden, in welchem eine natürliche Entstehung plausibel gemacht werden kann. Design kann also in dem Sinne falsifiziert werden, als es als unnötig zum Verständnis erwiesen wird. Genau dies ist ja seit Darwin die Strategie, das Design-Argument zu Fall zu bringen. Offenbar sehen Design-Kritiker einen Ansatzpunkt für eine Falsifizierung im Nachweis, dass natürlicher Prozesse das zu leisten vermögen, was der Tätigkeit eines Designers zugeschrieben wird.

1.4 Ist das Fehlen eines Mechanismus ein Argument gegen Design?

Kritiker bemängeln, dass im Rahmen des Design-Ansatzes auf mechanismische Erklärungen (Erklärungen, in denen nur gesetzmäßig beschreibbare Mechanismen zugelassen werden) verzichtet werde. Es werde keine Aussage darüber getroffen, wie Design funktioniere, also mit welchen Mechanismen Design wirke.

Ein Charakteristikum von Design ist es nun aber gerade, dass es kein Mechanismus ist. Design ist unvorhersehbare Innovation. Design kann prinzipiell keine kausale Erklärung sein im Sinne der Rückführung beobachteter Befunde auf Gesetzmäßigkeiten und bestimmte Randbedingungen. Design bedeutet das schöpferische Sich-Zunutzemachen von Gesetzmäßigkeiten und gerade nicht bloße Gesetzmäßigkeit. Von Befürwortern des Design-Ansatzes eine in diesem Sinne kausale Erklärung zu fordern wäre genauso widersinnig, wie die Existenz einer Waschmaschine alleine auf Gesetzmäßigkeiten und passende Randbedingungen zurückführen zu wollen.

Evolutionstheoretiker weisen bisweilen darauf hin, dass die „Tatsache“ einer Evolution unabhängig davon gelte, ob man ihre Mechanismen herausgefunden habe, weil man genügend Indizien habe. Das Fehlen eines Mechanismus sei kein Argument gegen Evolution. So schreibt Neukamm (2002): „Selbst wenn wir über die Kausalfrage überhaupt nichts wüßten, bliebe die Deszendenzhypothese unangetastet.“ Wenn man dieses Argument gelten lässt, gilt es auch für den Design-Ansatz.

1.5 Erklärt Design überhaupt etwas?

Die Antwort auf diese Frage erfordert eine Verständigung darüber, was als Erklärung gelten kann, speziell in historischen Fragen. In Ursprungsfragen sind „Erklärungen“ im Sinne einer Ableitung aus Gesetzmäßigkeiten und Randbedingungen oft nicht möglich (Näheres dazu im Artikel |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“|. Vielmehr werden Befunde in ein vorgegebenes Paradigma eingebaut – man erschließt die Geschichte aus ihren Resultaten, die als Indizien fungieren. Nur in diesem Sinne kann man auch beim Design-Ansatz von Erklärungen sprechen, nämlich als Einordnen von Indizien in ein Paradigma. Diese Vorgehensweise ist in anderen Wissensgebieten eine Selbstverständlichkeit, in denen ebenfalls die Tätigkeit eines Designers Erklärung akzeptiert wird, z. B. wenn eine zielorientierte Bearbeitung als Erklärung für die Form eines Faustkeils herangezogen wird. Wenn eine zielorientierte Handlung im Falle von Faustkeilen als mögliche Erklärung akzeptiert wird, ist sie auch eine mögliche Erklärung bei den Lebewesen.

Im Rahmen des Naturalismus wird Teleologie als Erklärung für die Entstehung der Lebewesen jedoch ausgeschlossen. Der Ausschluss dieser Erklärung kann aber nicht methodisch begründet werden, sondern ist Ausdruck einer bestimmten Weltsicht, die man einnehmen kann, aber nicht muss. Wird also eine zielorientierte Handlung als Erklärung prinzipiell ausgeschlossen, kann Design niemals eine Erklärung sein. Doch wird damit eine möglicherweise zutreffende Erklärung ausgeschlossen.

1.6 Beruht der Schluss auf Design nur auf Nichtwissen?

Das argumentum ad ignorantiam (Berufung auf Nichtwissen), auf das man sich beim Design-Argument bezieht, wird von Kritikern fast immer sozusagen in den luftleeren Raum gesetzt: „Man weiß nicht, wie etwas auf natürliche Weise (durch Mechanismen) entstanden ist, also ist es designed worden.“ Das Argument muss aber in einem größeren Kontext betrachtet werden, und dieser lautet, dass wir wissen, dass Designer z. B. komplizierte Maschinen konstruieren können. Das Argument des Nichtwissens ist also in einen Kontext des Wissens eingebettet. Auch bei Lebewesen können wir davon ausgehen, dass sie durch Design entstehen können – das dürfte unstrittig sein. Wer diese Möglichkeit bestreitet, kann sich davon überzeugen, was man mittlerweile im Labor mit Design erreichen kann. Wir wissen vieles, was mit Design möglich ist und darauf nimmt der Schluss auf Design Bezug – er baut auf Wissen auf, nicht nur auf Nichtwissen.

Sind Lücken kein Argument? Ein häufig verwendetes Argumentationsmuster ist die Kennzeichnung offener Fragen als bloße Lücken. Jede Theorie sei lückenhaft und habe offene Fragen; dieser Umstand sei kein Grund, eine Theorie abzulehnen und eine Alternative an ihre Stelle zu setzen. Ob Erklärungslücken jedoch vorläufig und auf mangelhafte Kenntnisse zurückzuführen sind oder ob sie als Hinweis auf Grenzen natürliche Prozesse gelten können, muss so lange offen gelassen werden, wie es diese Lücken gibt. Bestenfalls kann die Forschungsgeschichte Tendenzen zeigen: Lücken werden kleiner bzw. verschwinden oder sie halten sich hartnäckig oder werden sogar größer. Gute Lücken-Argumente beruhen also auf einer sorgfältigen Untersuchung der Vorgänge in der Natur und ihrer Leistungsfähigkeit – also auf Wissen. „Gute Lückenargumente sind daher keine Argumente aus Nichtwissen, sondern Argumente des Wissens sowohl darüber, wozu die Natur gewöhnlich fähig ist, als auch über die Quellen, die mehr leisten können“ (Menuge 2007, 11).

1.7 Ist spezifisches Design anthropomorph?

Ein weiterer Kritikpunkt an der Argumentation mit Design lautet, man könne nur Design-Merkmale entdecken, die man von menschlichen Designern her kenne. In |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“| wurden solche Kennzeichen als „spezifisches Design“ (SD) bezeichnet. Daraus könne man aber nicht auf Design in nicht menschengemachten Systemen schließen. Tue man dies dennoch, würde man anthropomorph vom Designer denken.

Dass man nur nach solchem Design sucht, wie wir es von menschlicher Tätigkeit her kennen, ist aber selbstverständlich und unvermeidlich. Andersartiges Design könnten wir vermutlich gar nicht erkennen. Wir brauchen eine Wiedererkennung, einen Abgleich mit einem bekannten Muster. Sonst könnten wir nur konstatieren, dass bestimmte Phänomene durch natürliche Prozesse nicht erklärbar sind, die daher einen Verdacht auf Design wecken. Verdachtsmomente auf Design ergeben sich u. a. durch das Ausloten der Grenzen natürlicher Prozesse, die trotz Wissenszuwachs nicht mehr nennenswert verschoben werden. Wenn man so argumentiert, muss man über die genaue Identität des Designers und seine Methoden nichts wissen, sondern „nur“ möglichst gut die Welt untersuchen, in der definierte Design-Indizien gesucht werden. Der Verdacht auf Design wird erhärtet, wenn zusätzlich zum Befund der sich abzeichnenden Grenzen auch ein bekanntes Muster vorliegt, wie wir es aus der Erfahrung menschlicher Designertätigkeit her kennen. Dann aber müssen wir auch annehmen, dass der Designer solches Design erzeugt, wie wir es von Menschen kennen; wir müssen also ein SD-Modell aufstellen. SD ist also in der Tat in diesem Sinne anthropomorph, während der „klassische“ ID-Ansatz, der Aussagen über den Designer vermeiden will, nur einen Verdacht auf Design begründen kann.

1.8 Der Designer ist nicht beobachtbar und nicht fassbar

Dieser Einwand ist zwar richtig, aber nicht spezifisch für den Design-Ansatz; auch in anderen Konzepten sind nicht alle Aspekte fassbar (z. B. bei der Gravitation). Bei der Design-Thematik geht es um die Vergangenheit und um die Ursprünge. Die vergangenen Vorgänge sind grundsätzlich nicht direkt beobachtbar und fassbar, sondern können nur anhand von Indizien bzw. Auswirkungen erschlossen werden, wobei oft mit dem abduktiven Schluss gearbeitet wird (siehe dazu |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“|). So werden beispielsweise unbeobachtbare Meteoriteneinschläge der Vergangenheit anhand von Indizien wahrscheinlich gemacht. Entsprechend können Design-Kennzeichen, die von menschlichem Design bekannt sind, gesucht und ggf. wahrscheinlich gemacht werden und würden zur SD-Vorstellung von einem Designer passen, dessen Design ähnliche Kennzeichen trägt wie menschengemachtes Design.

1.9 Designer-Befürworter machen keine Forschung und tragen nichts zum Wissenszuwachs bei

In der empirischen Forschung hat man es mit den unmittelbaren Ursachen zu tun. In diesem Bereich kann es keine eigene Design-Forschung geben und es braucht diese auch nicht. Es geht in der Ursprungsforschung vielmehr darum, wie die vorhandenen Forschungsergebnisse im Hinblick auf Ursprungsfragen interpretiert werden können. Der Design-Ansatz kann dabei heuristisch wertvoll sein, indem er anregt, bestimmten Fragen nachzugehen, die man im Rahmen einer naturalistischen Sicht nicht stellt, und entsprechende Forschung zu machen (s. o.).

1.10. Der Bezug auf einen Designer hat in der Wissenschaft keinen Platz

Auch dieser Einwand gilt nur für den Bereich der unmittelbaren Ursachen. Die oft geäußerte Kritik, Befürworter des Design-Ansatzes würden Gott in Theorien einfügen, ist eine Erfindung von Kritikern. Ein Designer kann natürlich nicht Teil einer naturwissenschaftlichen Theorie sein, sondern es ist bestenfalls möglich, Designer-Spuren nach klar vorgegebenen Kriterien (|0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“|, dort Abschnitt „Design-Indizien“) nachzuweisen.

In diesem Zusammenhang wurde auch schon der Einwand erhoben, dass die Einbeziehung eines Designers nicht transsubjektiv möglich sei, da nicht alle Wissenschaftler die Existenz eines Designers für möglich halten. Wissenschaftliche Resultate müssten aber transsubjektiv gelten und für die gesamte Wissenschaftsgemeinde zugänglich sein, unabhängig von den Glaubensüberzeugungen ihrer Mitglieder. Dieser Forderung wird im Rahmen des Design-Ansatzes dadurch Rechnung getragen, dass Folgerungen aus diesem Ansatz auf der Ebene der unmittelbaren Ursachen formuliert werden, die sehr wohl transsubjektiv prüfbar sind.

1.11 Fazit

Alle hier besprochenen Einwände stellen den Design-Ansatz nicht in Frage. Der Design-Ansatz fördert keinen Erkenntnisverzicht, sondern braucht Forschung zu seiner Stärkung. Design-Hypothesen sind zwar wie alle Ursprungshypothesen nicht strikt falsifizierbar, sie würden aber geschwächt oder gar verzichtbar, wenn Erklärungen ohne Design auskommen. Damit wäre der Design-Ansatz gescheitert, weil dazu beides gehört: Nachweis von Design-Indizien und das (vorläufige) Scheitern von Hypothesen, die Design ausschließen. Einen Design-Mechanismus (im Sinne einer Gesetzmäßigkeit) kann es nicht geben, weil Design gerade beinhaltet, dass man mehr als natürliche Mechanismen benötigt, um die Entstehung bestimmter Strukturen zu erklären. Die Behauptung, Design würde nichts erklären, trifft nur dann zu, wenn nur Erklärungen in Form von Mechanismen zugelassen werden, was aber eine weltanschauliche Vorentscheidung erfordert.

Nur durch genaue Kenntnis der funktionellen Aspekte des Lebens („Wie?“ und „Wozu?“) kann die Kritik an natürlichen Entstehungsmechanismen plausibel formuliert und der Verdacht auf Design durch Nachweis von Design-Indizien (SD) erhärtet werden. Der Design-Ansatz beruft sich auf bekanntes biologisches Wissen und nicht nur einseitig auf Nichtwissen über natürliche Entstehungsprozesse. Darüber hinaus verweist der SD-Ansatz auf Analogien mit menschlichem Design. In diesem Sinne ist ein gewisser Anthropomorphismus nicht zu vermeiden, womit gleichzeitig eine Grenze der Design-Argumentation erreicht ist: Man kann Spuren, die für das Wirken eines bestimmten Designers typisch sind, an definierten Kennzeichen nachweisen. Dieser Nachweis ermöglicht jedoch keinen Gottesbeweis, da bestimmte Kennzeichen der Schöpfertätigkeit vorausgesetzt werden müssen, nach denen dann gesucht werden kann.

Es ist lehrreich, die hier zusammengestellten Argumente gegen den Design-Ansatz auf andere Gebiete anzuwenden, in denen Designer-Spuren gesucht und überprüft werden, z. B. in der Archäologie. Wenn man bei der Untersuchung von mutmaßlichen Steinwerkzeugen die Option prüft, dass es tatsächlich einen absichtsvoll agierenden Urheber gibt, dann übt man weder Erkenntnisverzicht, noch entzieht man sich der Falsifizierbarkeit (die Annahme eines Bearbeiters könnte sich als überflüssig erweisen). Es ist auch kein Einwand, dass man keinen gesetzmäßig beschreibbaren Mechanismus demonstrieren kann, durch den ein Faustkeil entsteht. Zu behaupten, ein Urheber würde nichts bezüglich der Entstehung eines Faustkeils erklären, wirkt hier sogar lächerlich. Es wird auch mit Nichtwissen über natürliche Prozesse argumentiert, um diese Möglichkeit auszuschließen (dieses Verfahren ist bei Lebewesen wie diskutiert viel schwieriger, aber grundsätzlich auch dort legitim). Und niemand dürfte sich daran stören, dass man „anthropomorph“ argumentiert. Wir können auch hier nur solches Design erkennen, wie wir es durch die Tätigkeit von Menschen kennen.

1.12 Literatur

Menuge AJL (2007) Releasing Captive Teachers: How to Refute the Case for Methodological Materialism. Paper presented at the EPS Meeting, Friday 16. Nov., 2007.

Neukamm (2002) VI. Die Struktur der Argumentation im Antievolutionismus. http://www.martin-neukamm.de/junker7.html

Eine sehr viel ausführlichere Diskussion bietet dieses Buch „Schöpfung ohne Schöpfer?“: https://www.wort-und-wissen.org/produkt/schoepfung-ohne-schoepfer/

 

Autor: Reinhard Junker, 07.01.2010

© 2010, https://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/i1622.php

Zurück zur Artikel-Übersicht: https://www.wort-und-wissen.org/publikationen/genesisnet/

 

 

0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“ (Experten)

2.0 Inhalt

Im Rahmen des Design-Ansatzes wird versucht, anhand von geeigneten Merkmalen der Lebewesen (evtl. auch der unbelebten Natur) Hinweise auf einen Urheber („Designer“) plausibel zu machen. Diese Vorgehensweise wird vielfach kritisiert. In diesem Artikel werden Kritikpunkte am Design-Argument vorgestellt und bewertet.

2.1 Bedeutet der Design-Ansatz Erkenntnisverzicht?

Ein Standardeinwand gegen den Design-Ansatz lautet, es gebe kein Forschungsinteresse, weil man bei offenen Fragen einen Designer ins Spiel bringe statt weiterzuforschen. Daher sei der Design-Ansatz sogar forschungsfeindlich.

Der Einwand, es würde einem Erkenntnisverzicht Vorschub geleistet, ist jedoch verfehlt, denn der Design-Ansatz ist selbst auf Forschung angewiesen. Es soll einem Verdacht auf Design nachgegangen werden; das geht nur durch Forschung und nicht durch vorschnelle Berufung auf einen Designer. Zu bedenken ist hier, dass die relevanten Fragen historische Fragen sind; es geht um die Interpretation der Ergebnisse der experimentellen Forschung im Hinblick auf Entstehungsfragen. Das heißt: zur Beurteilung der Tragfähigkeit des Design-Ansatzes trägt auch alle Evolutionsforschung bei, auch wenn sie in unter einem anderen Leitparadigma erfolgt.

Der Design-Ansatz regt an, nach Design-Indizien zu suchen und ist breiter angelegt als eine Forschung, die nur ungelenkte Mechanismen als Erklärungen zulässt. Eine weltanschaulich nicht festgelegte Ursprungsforschung wird nämlich die Möglichkeit von Design nicht von vornherein ausschließen, sondern wird daher offen dafür sein, Spuren von Design zu suchen und eine entsprechende Methodik dafür ausarbeiten. Dazu muss geklärt werden, welche Phänomene Design-Indizien sein könnten und warum dies der Fall ist; das wurde in |0.4.1.1.2 Einführung in „Intelligent-Design“| erläutert (Abschnitt „Design-Indizien“). Die Interpretation als Design-Indizien erfolgt an biologischen Systemen anhand besonders definierter Merkmalskonstellationen; diese Interpretation bewährt sich, wenn eine natürliche Entstehung mit zunehmender Kenntnis der Systeme nicht plausibel gemacht werden kann. Dieses Argument kann umso stärker werden, je besser das System untersucht wird. Diese Untersuchung kann jedoch auch zum gegenteiligen Ergebnis führen. In diesem Sinne sind Design-Argumente prüfbar und widerlegbar.

Der Vorwurf der Wissenschaftsfeindlichkeit des Design-Ansatzes wurzelt häufig in der Vermischung der Wie-Frage und der Woher-Frage. Wenn in der Woher-Frage auf Design verwiesen wird, ist damit kein Plädoyer für eine Beendigung der Forschung verbunden (s. o.). Die Behauptung, der Design-Ansatz gefährde den wissenschaftlichen Fortschritt, z. B. in der Medizin, erweist sich letztlich als Polemik. Die Entstehungsfragen können ohnehin nicht direkt erforscht, sondern nur durch vorläufige abduktive Schlüsse beantwortet werden (|0.4.1.1.2 Einführung in „Intelligent-Design“|, Abschnitt „Der Design-Ansatz in der Biologie – eine neue Art von Wissenschaft?“). Der Fortschritt der Wissenschaft in den Wie-Fragen muss nicht automatisch einen Fortschritt in Woher-Fragen bringen. Das Gegenteil kann zutreffen: Zunehmendes Wissen kann Unkenntnis in den Ursprungsfragen umso deutlicher offenbaren.

2.2 Ist Design falsifizierbar?

Ein zweiter Einwand lautet, Design sei nicht falsifizierbar. Auch dieser Einwand gehört auch zu den häufig genannten Kritikpunkten. Die Antwort muss differenziert ausfallen.

In gewissem Sinne trifft der Einwand zu, denn man könnte alles als designed erklären, auch solche Phänomene, die man mit natürlichen Prozessen erklären kann. Auch ein beliebig geformter Felsbrocken könnte durch Design entstanden sein, ohne dass man Designer-Spuren daran nachweisen kann. Eine strikte Falsifizierung von Design dürfte daher nicht möglich sein, wenn Design so allgemein gefasst wird. Doch die Argumentation mit Design erfolgt nicht auf diese Weise. Wenn die Entstehung eines Phänomens durch natürliche Prozesse plausibel erklärbar ist, ist die Annahme von Design nicht mehr erforderlich und kann fallengelassen werden. Eine natürliche Erklärungsmöglichkeit würde „Schöpfung“ zwar nicht grundsätzlich widerlegen; ein Bezug auf einen Schöpfer wäre in der Erklärung des Entstehungsprozesses aber nicht nötig. Das aber käme dem Scheitern des Design-Ansatzes gleich, denn der Design-Ansatz beinhaltet auch die Erkennbarkeit von Design sowohl durch den Nachweis definierter Design-Indizien als auch durch das (vorläufige) Fehlen einer natürlichen Erklärung; vgl. die Ausführungen in |0.4.1.1.2 Einführung in „Intelligent-Design“|.

Das heißt also: Das Design-Argument würde in dem Maße geschwächt werden, in welchem eine natürliche Entstehung plausibel gemacht werden kann. Es kann also nur um Plausibilitäten gehen. Das liegt aber nicht speziell in der Natur des Design-Ansatzes, sondern in der Natur der Ursprungsforschung. Hier sei an das zum abduktiven Schluss Gesagte (Abschnitt „Der Design-Ansatz in der Biologie – eine neue Art von Wissenschaft?“ in |0.4.1.1.2 Einführung in „Intelligent-Design“|) erinnert. Vergangene Geschichte kann nicht sicher aus ihren Resultaten erschlossen werden; es gibt nur Grade von Plausibilität. Dies kann sich aber je nach Befundlage ändern, und in diesem Sinne ist der Design-Ansatz prüfbar. Man kann also sagen: Der Design-Ansatz kann dadurch scheitern, dass er sich als überflüssig erweist. Die Existenz von Design-Indizien wie zum Beispiel nichtreduzierbare Komplexität kann in konkreten Fällen widerlegt werden, indem man zeigt, dass das betreffende Kennzeichen gar nicht existiert oder dass seine Entstehung auch nicht-teleologisch erklärbar ist (dann verlöre das Indiz seine Kraft). Ob eine Struktur nichtreduzierbar komplex ist, ist grundsätzlich nachweisbar, auch wenn das im Einzelfall sehr aufwändig sein kann. Der Nachweisversuch kann auch scheitern.

Immunisierung gegen Kritik? Waschke (2007) kritisiert: „[W|enn die Entstehung einer Struktur naturalistisch erklärt wurde, kann ID immer noch sagen, dass es durchaus noch andere Strukturen gibt, deren Genese eben noch nicht erklärt werden kann.“ Diese Art von Immunisierung wäre in der Tat zu kritisieren. Doch selbstverständlich muss nicht für jede Struktur nachgewiesen werden, dass eine evolutive Entstehung möglich ist. Wenn dieser Nachweis einige Male gelingt, so steigt die Plausibilität, dass dies auch bei vergleichbar komplexen Strukturen möglich ist. Nicht erst wenn alles erklärt wurde, ist der Design-Ansatz gescheitert (weil überflüssig), sondern bereits dann, wenn eines der komplexesten Designs naturalistisch erklärt würde. Diese Feststellung darf als eine Einladung zum Falsifizieren betrachtet werden; sie dokumentiert alles andere als eine Immunisierungsstrategie. Waschke meint dagegen. „Ein einziges Beispiel für Design würde auf der anderen Seite den Naturalismus endgültig widerlegen. Daher ist die naturalistische Position viel leichter prüfbar.“ Aber was würde denn der Naturalist als Design in der Biologie überhaupt anerkennen? Vermutlich nichts, denn er schließt Design und damit auch dessen Prüfung per definitionem aus (s. o.). Der Naturalismus zieht sich auf ein „wissen wir noch nicht“ zurück und immunisiert damit seine Position gegen Kritik.

2.3 Ist das Fehlen eines Mechanismus ein Argument gegen Design?

Kritiker bemängeln, dass im Rahmen des Design-Ansatzes auf mechanismische Erklärungen (Erklärungen, in denen nur gesetzmäßig beschreibbare Mechanismen zugelassen werden) verzichtet werde. Es werde keine Aussage darüber getroffen, wie Design funktioniere, also mit welchen Mechanismen Design wirke. So schreibt Waschke (2003): „Es gibt weder Aufstellungen von allgemeinen Gesetzesaussagen noch Erklärungen, wie Design mechanismisch funktionieren soll …“ Befürworter des Design-Ansatzes würden auch gar nicht den Anspruch stellen, mechanismische oder auch nur kausale Erklärungen zu liefern.

Ein Charakteristikum von Design ist es nun aber gerade, dass es kein Mechanismus ist. Design ist unvorhersehbare Innovation. Von Befürwortern des Design-Ansatzes einen Mechanismus zu fordern wäre daher ein Widerspruch in sich. Design kann prinzipiell keine kausale Erklärung sein im Sinne der Rückführung beobachteter Befunde auf Gesetzmäßigkeiten und bestimmte Randbedingungen. Design bedeutet das schöpferische Sich-Zunutzemachen von Gesetzmäßigkeiten und gerade nicht bloße Gesetzmäßigkeit. Von Befürwortern des Design-Ansatzes eine in diesem Sinne kausale Erklärung zu fordern wäre genauso widersinnig, wie die Existenz einer Waschmaschine alleine auf Gesetzmäßigkeiten und passende Randbedingungen zurückführen zu wollen.

Manche Kritiker behaupten, man wisse nichts, wenn man auf Design verweise. Der Vergleich mit der Waschmaschine zeigt, dass dem nicht so ist. Die Frage ist vielmehr, wie nachgewiesen oder wenigstens plausibel gemacht werden kann, dass ein Gegenstand auf Design zurückgeht.

Hier muss noch ein weiterer Aspekt bedacht werden: Jede Ursprungsforschung kann vergangene Prozesse grundsätzlich nur simulieren. Die seinerzeit abgelaufenen Vorgänge können nicht direkt erforscht werden. Auch die Evolutionsbiologie wird grundsätzlich nie demonstrieren können, durch welche Mechanismen z. B. erste Lebewesen auf der hypothetischen frühen Erde entstanden sind. Vielmehr könnte allenfalls durch Simulationsexperimente gezeigt werden, unter welchen Randbedingungen und auf welche Weise Leben entstehen könnte (was bislang keinesfalls gelungen ist, im Gegenteil, man ist – sofern man zielorientierte Steuerung ausschließt – davon so weit entfernt wie zur Zeit Darwins; vgl. Binder et al. [2006|). Und man kann versuchen abzuschätzen, welche damaligen Randbedingungen plausibel sind. Dass Leben durch gezieltes Eingreifen prinzipiell entstehen konnte, mag zutreffen (auch wenn das noch nicht demonstriert wurde). Welche Schlussfolgerungen werden nun gezogen, wenn alle Simulationsversuche, die ohne zielorientierte Steuerung durchgeführt werden, immer wieder Ergebnisse liefern, die eine Erklärung der nichtteleologischen Entstehung des Lebens in weite Ferne rücken? Natürlich hätte man auch bei anhaltendem Misserfolg ungelenkter Synthesen in Simulationsversuchen nicht gezeigt, wie Leben auf unserer Erde in der Vergangenheit tatsächlich entstanden ist. Aber es würde sich in diesem Fall immer mehr Design als verbleibende mögliche Erklärung herauskristallisieren. Mehr kann grundsätzlich nicht geleistet werden, weil es um ein Ereignis in der Vergangenheit geht – in dieser Hinsicht sitzen alle Ursprungsforscher im selben Boot. Man kann durchaus auch einen Design-Vorgang simulieren und aufzeigen, an welchen Stellen weshalb und wie Steuerung notwendig ist, um z. B. ein langkettiges DNA-Molekül zu erzeugen. Nach bisherigem Wissen wird es sich dabei aber nicht um einen bloßen Mechanismus handeln, auch wenn man Maschinen herstellen kann, die DNA synthetisieren – diese Maschinen sind aber sicher nicht durch einen bloßen Mechanismus entstanden.

2.4 Erklärt Design überhaupt etwas?

Die Antwort auf diese Frage erfordert eine Verständigung darüber, was als Erklärung gelten kann, speziell in historischen Fragen. Im Rahmen des Naturalismus wird Teleologie (Zielgerichtetheit) als Erklärung für die Entstehung der Lebewesen ausgeschlossen. Der Ausschluss dieser Erklärung kann aber nicht methodisch begründet werden, sondern ist Ausdruck einer bestimmten Weltsicht, die man einnehmen kann, aber nicht muss.

Die Frage, wie in historischen Fragen Erklärungen gefunden und begründet werden, wurde im Abschnitt „Der Design-Ansatz in der Biologie – eine neue Art von Wissenschaft?“ in |0.4.1.1.2 Einführung in „Intelligent-Design“| behandelt (abduktiver Schluss). In Ursprungsfragen geht es zum einen darum, Indizien zusammenzutragen, die einen hypothetischen vergangenen Ablauf plausibel machen sollen. Zum anderen sollen (im Rahmen des Evolutionsparadigmas) die Abstammungsabfolgen und ihre Verzweigungen nachgezeichnet werden. Beide Fragestellungen werden meistens unter Absehung von Mechanismenfragen verfolgt (wobei gelegentlich kontrovers diskutiert wird, ob das realistisch ist). Mechanismen der Entstehung können nicht direkt untersucht (weil der Vorgang in der Vergangenheit liegt), sondern nur simuliert werden.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Die als Archaeopteryx benannte Fossilgattung vereinigt Merkmale in sich, die teilweise typisch für bestimmte Dinosaurier sind und teilweise typischen Vogelmerkmalen gleichen. Wie wird eine solche Mosaikform erklärt? Im Rahmen der Evolutionslehre gilt Archaeopteryx als einer der Belege dafür, dass es eine stammesgeschichtliche Entwicklung von Reptilien zu Vögeln gegeben hat (vgl. |1.7.2.4.1 Entstehung der Vögel|). Die Evolutionstheorie kann jedoch keine Erklärung für die Existenz von Archaeopteryx geben, denn dazu müssten dessen Merkmale als Folge von Gesetzmäßigkeiten und Randbedingungen des Formenwandels nachgewiesen werden. Dies ist aber nicht möglich, da die damaligen Randbedingungen weitgehend unbekannt sind (es gibt nur hypothetische Szenarien), unter denen die bekannten Evolutionsmechanismen gewirkt haben sollen. Außerdem müsste gezeigt werden, nach welchen allgemeinen Gesetzmäßigkeiten aus welchen Vorstufen das zu erklärende Merkmal entstanden sein könnte. Ob und ggf. wie Archaeopteryx stammesgeschichtlich mit anderen Formen zusammenhängt, ist eine historische Frage mit vielen Unbekannten über die damaligen Randbedingungen. Genauso gut kann man Indizien zusammentragen, die Archaeopteryx als abgrenzbaren Grundtyp ohne stammesgeschichtliche Beziehungen zu anderen Grundtypen ausweisen. Verschiedene Erklärungen können mit abduktiven Schlüssen begründet werden.

Aufgrund dieser methodischen Begrenzungen kann man bei Ursprungsfragen in der Praxis kaum von „Erklärungen“ im Sinne einer Ableitung aus Gesetzmäßigkeiten und Randbedingungen sprechen. Tatsächlich ist es hier nur möglich, Befunde in ein vorgegebenes Paradigma einzubauen – man erschließt die Geschichte aus ihren Resultaten. Nur in diesem Sinne kann man auch beim Design-Ansatz von Erklärungen sprechen, nämlich als Einordnen in ein Paradigma. Diese Vorgehensweise ist in anderen Wissensgebieten eine Selbstverständlichkeit, in denen ebenfalls die Tätigkeit eines Designers in diesem Sinne als befriedigende Erklärung akzeptiert wird (abduktiver Schluss). Diese Erklärung wird bei den Lebewesen nur deshalb problematisiert, weil es sich eingebürgert hat, in diesem Bereich nur nicht-teleologische und naturalistische Erklärungen zu akzeptieren. Doch für diese Einschränkung gibt es keine objektive methodologische Begründung. In historischen Fragestellungen kann man einen Einfluss von Design nicht unter Berufung auf eine Methodologie ausschließen. Denn die relevante Frage lautet nicht: Auf welche natürlich erklärbare Weise sind das Leben und seine Vielfalt entstanden? Sondern: Auf welche Weise sind das Leben und seine Vielfalt überhaupt entstanden? – ohne Einschränkung der Antwortmöglichkeiten. Diese Offenheit ist notwendig, wenn Wissenschaft der Wahrheit verpflichtet ist, denn dann darf sie mögliche Optionen nicht von vornherein ausschließen.

Die Behauptung, Design erkläre nichts, ist also genauso überzeugend wie die Behauptung, dass eine zielorientierte Bearbeitung keine Erklärung für die Form eines Faustkeils sei. Wenn eine zielorientierte Handlung im Falle von Faustkeilen als mögliche Erklärung akzeptiert wird, ist sie auch eine mögliche Erklärung bei den Lebewesen. Wenn dagegen eine bewusste, zielorientierte Aktion als Erklärung prinzipiell nicht akzeptiert wird, kann der Design-Ansatz nie eine Erklärung anbieten. Dann wäre aber auch die Behauptung, dass die Form eines Faustkeils auf eine zielorientierte Aktion zurückzuführen sei, keine Erklärung, sondern nur eine Feststellung von Nichtwissen, wie es durch natürliche Vorgänge ging, aus dem man nichts weiter folgern kann.

2.5 Beruht der Schluss auf Design nur auf Nichtwissen?

Das argumentum ad ignorantiam (Berufung auf Nichtwissen), auf das man sich beim Design-Argument bezieht, wird von Kritikern fast immer sozusagen in den luftleeren Raum gesetzt: „Man weiß nicht, wie etwas auf natürliche Weise (durch Mechanismen) entstanden ist, also ist es designed worden.“ Das Argument muss aber in einem größeren Kontext betrachtet werden, und dieser lautet, dass wir wissen, dass Designer z. B. komplizierte Maschinen konstruieren können und dass wir auch einiges darüber wissen, warum bestimmte Prozesse nicht ablaufen. Das Argument des Nichtwissens ist also in einen Kontext des Wissens eingebettet. Auch bei Lebewesen können wir davon ausgehen, dass sie durch Design entstehen können – das dürfte unstrittig sein. (Wer diese Möglichkeit bestreitet, kann sich davon überzeugen, was man mittlerweile im Labor mit Design erreichen kann.)

Damit ist Design grundsätzlich im Rennen, und es stellt sich die Frage, ob Design überflüssig sein könnte. Ein Stück weit kann man experimentell nachvollziehen, wie mit Design beispielsweise Makromoleküle des Lebens (DNA, Proteine) entstehen. Dabei hat sich gezeigt, dass und warum ohne Lenkung keine solchen Makromoleküle entstehen. Damit wird ein Wissen über Grenzen natürlicher, ungelenkter, gesetzmäßig beschreibbarer Prozesse gewonnen, und auch ein Wissen, warum es diese Grenzen gibt. Vor diesem Hintergrund muss das argumentum ad ignorantiam gesehen werden. Der Versuch, ohne Design z. B. wenigstens Vorstufen des Lebens zu erzeugen, kann bislang als gescheitert gelten. Dasselbe gilt für den experimentellen Nachweis makroevolutiver Veränderungen von Lebewesen.

Sind Lücken kein Argument? Ein häufig verwendetes Argumentationsmuster ist die Kennzeichnung offener Fragen als bloße Lücken. Jede Theorie sei lückenhaft und habe offene Fragen; dieser Umstand sei kein Grund, eine Theorie abzulehnen und eine Alternative an ihre Stelle zu setzen. Würde man mit allen wissenschaftlichen Theorien so verfahren, bliebe nichts mehr von der Wissenschaft übrig. Diese Argumentation ist in zweifacher Hinsicht verfehlt. Zum einen geht es gar nicht darum, irgendwelche Theorien abzuschaffen, sondern ihre Erklärungskraft und die Erklärungsgrenzen sollen ausgelotet werden. Zum anderen geht es um die Frage, ob die Defizite evolutionärer Erklärungen bloße Lücken von in Grundzügen verstandenen Mechanismen sind oder ob die entscheidende Erklärung fehlt, die dann nicht als bloße „Lücke“ heruntergespielt werden könnte.

Ob Erklärungslücken vorläufig und auf mangelhafte Kenntnisse zurückzuführen sind oder ob sie als Hinweis auf Grenzen natürliche Prozesse gelten können, muss so lange offen gelassen werden, wie es diese Lücken gibt. Bestenfalls kann die Forschungsgeschichte Tendenzen zeigen: Lücken werden kleiner bzw. verschwinden oder sie halten sich hartnäckig oder werden sogar größer. Ratzsch (2001, 118) stellt dazu fest: „Wissenschaft bringt rationale wissenschaftliche Argumente für bestimmte Arten empirischer Unmöglichkeit, und es gibt keinen ersichtlichen Grund, weshalb der Ursprung des Lebens grundsätzlich vor dieser Möglichkeit gefeit sein sollte.“ Und weiter: „Es ist außerdem augenscheinlich so, dass daran nichts grundsätzlich Verdächtiges ist bezüglich des Vorkommens von Lücken in der Natur. Es gibt alle möglichen Arten von Dingen, die die Natur nicht tun kann“ (Ratzsch 2001, 119).

Gute Lücken-Argumente beruhen also auf einer sorgfältigen Untersuchung der Vorgänge in der Natur und ihrer Leistungsfähigkeit. Ziel ist herauszufinden, ob offene Fragen auf bloße Wissenslücken zurückgehen oder für eine tatsächliche Lücke in der Natur (eine Erklärungslücke) sprechen. „Gute Lückenargumente sind daher keine Argumente aus Nichtwissen, sondern Argumente des Wissens sowohl darüber, wozu die Natur gewöhnlich fähig ist, als auch über die Quellen, die mehr leisten können“ (Menuge 2007, 11). Solange die Leistungsfähigkeit natürlicher Vorgänge offen ist, bleibt auch die Frage nach Design offen. Nagel (2008, 190), der den Design-Ansatz ablehnt, stellt dazu fest: „Die Frage nach Lücken oder die Frage danach, was glaubwürdig durch eine bestimmte Art einer wissenschaftlichen Theorie oder durch irgendeine Theorie, die sich nur auf allgemeine physikalische Gesetze bezieht, erklärt werden kann, ist selbst eine wissenschaftliche Frage.“

Zusammenfassend kann man sagen: Lücken-Argumente sind kein Spezifikum des Design-Ansatzes und Lückenargumente sind nicht per se schlecht, sondern ein möglicher Teil wissenschaftlicher Argumentation.

2.6 Ist spezifisches Design anthropomorph?

Ein weiterer Kritikpunkt an der Argumentation mit Design lautet, man könne nur Design-Merkmale entdecken, die man von menschlichen Designern her kenne. Eingangs des Artikels |0.4.1.1.2 Einführung in „Intelligent-Design“| wurden solche Kennzeichen als „spezifisches Design“ (SD) bezeichnet. Daraus könne man aber nicht auf Design in nicht menschengemachten Systemen schließen. Tue man dies dennoch, würde man anthropomorph vom Designer denken.

Dass man nur nach solchem Design sucht, wie wir es von menschlicher Tätigkeit her kennen, ist aber selbstverständlich und unvermeidlich. Andersartiges Design könnten wir vermutlich gar nicht erkennen. Wir brauchen eine Wiedererkennung, einen Abgleich mit einem bekannten Muster. Sonst könnten wir nur konstatieren, dass bestimmte Phänomene durch natürliche Prozesse nicht erklärbar sind, die daher einen Verdacht auf Design wecken. Verdachtsmomente auf Design ergeben sich u. a. durch das Ausloten der Grenzen natürlicher Prozesse, die trotz Wissenszuwachs nicht mehr nennenswert verschoben werden. Wenn man so argumentiert, muss man über die genaue Identität des Designers und seine Methoden nichts wissen, sondern „nur“ möglichst gut die Welt untersuchen, in der definierte Design-Indizien gesucht werden. Der Verdacht auf Design wird erhärtet, wenn zusätzlich zum Befund, der sich abzeichnenden Grenzen auch ein bekanntes Muster vorliegt, wie wir es aus der Erfahrung menschlicher Designertätigkeit her kennen. Dann aber müssen wir auch annehmen, dass der Designer solches Design erzeugt, wie wir es von Menschen kennen; wir müssen also ein SD-Modell aufstellen. SD ist also in der Tat in diesem Sinne anthropomorph, während der „klassische“ ID-Ansatz, der Aussagen über den Designer vermeiden will, nur einen Verdacht auf Design begründen kann.

Der Einwand, dass Strukturen bei Lebewesen, die den Verdacht auf Design wecken, neben Gemeinsamkeiten mit menschlich erzeugtem Design zusätzliche Eigenschaften (Variationsfähigkeit, Fortpflanzungsfähigkeit) aufweisen, muss natürlich berücksichtigt werden. Darauf wurde in Abschnitt „Der Analogieschluss“ von |0.4.1.1.2 Einführung in „Intelligent-Design“| eingegangen, und es wurde gezeigt, dass die Unterschiede zwischen technischem und biologischem Design das Analogieargument nicht entkräften. Der Grund: Die zusätzlichen Eigenschaften helfen nicht zum Verständnis einer natürlichen Entstehung.

Außerweltlicher Designer? Manche Kritiker des Design-Ansatzes wenden ein, empirische Hinweise auf außerweltliche Designer könne es prinzipiell nicht geben. Doch um den Nachweis (oder Widerlegung) der Existenz außerweltlicher Designer geht es im Rahmen des Design-Ansatzes gar nicht, sondern um Argumente, dass es überhaupt einen Designer gibt. Zwar geht es im Rahmen des biblisch motivierten Schöpfungsparadigmas tatsächlich um einen außerweltlichen Designer, das aber spielt für die hier diskutierten Design-Argumente keine Rolle. Theologische Aspekte des Design-Ansatzes werden im Artikel |0.4.1.7 Design und Theologie| besprochen.

2.7 Der Designer ist nicht beobachtbar und nicht fassbar

Dieser Einwand ist zwar richtig, aber nicht spezifisch für den Design-Ansatz; auch in anderen Konzepten sind nicht alle Aspekte fassbar (z. B. bei der Gravitation). Bei der Design-Thematik geht es um die Vergangenheit und um die Ursprünge. Die vergangenen Vorgänge sind grundsätzlich nicht direkt beobachtbar und fassbar, sondern können nur anhand von Indizien bzw. Auswirkungen erschlossen werden, wobei oft mit dem abduktiven Schluss gearbeitet wird (Abschnitt „Der Design-Ansatz in der Biologie – eine neue Art von Wissenschaft?“ in |0.4.1.1.2 Einführung in „Intelligent-Design“|). So werden beispielsweise unbeobachtbare Meteoriteneinschläge der Vergangenheit anhand von Indizien („smoking guns“ nach Cleland 2001) wahrscheinlich gemacht. Entsprechend können Design-Kennzeichen, die von menschlichem Design bekannt sind, gesucht und ggf. wahrscheinlich gemacht werden und würden zur SD-Vorstellung von einem Designer passen, dessen Design ähnliche Kennzeichen trägt wie menschengemachtes Design.

2.8 Design-Befürworter machen keine Forschung und tragen nichts zum Wissenszuwachs bei

In der empirischen Forschung hat man es mit den proximaten (unmittelbaren) Ursachen zu tun. In diesem Bereich kann es keine eigene Design-Forschung geben und es braucht diese auch nicht. Es geht in der Ursprungsforschung vielmehr darum, wie die vorhandenen Forschungsergebnisse im Hinblick auf Ursprungsfragen (ultimate Ursachen, die nur indirekt erschlossen werden können) interpretiert werden können. Der Design-Ansatz kann aber heuristisch wertvoll sein, indem er anregt, bestimmten Fragen nachzugehen, die man im Rahmen einer naturalistischen Sicht nicht stellt, und entsprechende Forschung zu machen (s. o.). Inwieweit das in der Praxis umgesetzt werden kann, hängt auch davon ab, ob es entsprechend motivierte Wissenschaftler gibt, ob sie mit den dafür nötigen Mitteln ausgestattet werden und ob Zugang zu Fachjournalen gewährt wird. Wenn Letzteres mit Begründung abgelehnt wird, der Design-Ansatz sei außerhalb der Wissenschaft, dann kann den Befürwortern des Design-Ansatzes nur bedingt angelastet werden, sie würden keine eigene Forschung machen.

2.9 Der Bezug auf einen Designer hat in der Wissenschaft keinen Platz

Auch dieser Einwand gilt nur für den Bereich der proximaten Ursachen. Die oft geäußerte Kritik, Befürworter des Design-Ansatzes würden Gott in Theorien einfügen, ist eine Erfindung von Kritikern. Ein Designer kann natürlich nicht Teil einer naturwissenschaftlichen Theorie sein, sondern es ist bestenfalls möglich, Designer-Spuren nach klar vorgegebenen Kriterien (Abschnitt „Design-Indizien“ in |0.4.1.1.2 Einführung in „Intelligent-Design“|) nachzuweisen.

In diesem Zusammenhang wurde auch schon der Einwand erhoben, dass die Einbeziehung eines Designers nicht transsubjektiv möglich sei, da nicht alle Wissenschaftler die Existenz eines Designers für möglich halten. Wissenschaftliche Resultate müssten aber transsubjektiv gelten und für die gesamte Wissenschaftsgemeinde zugänglich sein, unabhängig von den Glaubensüberzeugungen ihrer Mitglieder. Dieser Forderung wird im Rahmen des Design-Ansatzes dadurch Rechnung getragen, dass Folgerungen aus diesem Ansatz auf der Ebene der proximaten Ursachen formuliert werden, die sehr wohl transsubjektiv prüfbar sind.

2.10 Fazit

Alle hier besprochenen Einwände stellen den Design-Ansatz nicht in Frage. Der Design-Ansatz fördert keinen Erkenntnisverzicht, sondern braucht Forschung zu seiner Stärkung. Design-Hypothesen sind zwar wie alle Ursprungshypothesen nicht strikt falsifizierbar, sie würden aber geschwächt oder gar verzichtbar, wenn Erklärungen ohne Design auskommen. Damit wäre der Design-Ansatz gescheitert, weil dazu beides gehört: Nachweis von Design-Indizien und das (vorläufige) Scheitern von Hypothesen, die Design ausschließen. Einen Design-Mechanismus (im Sinne einer Gesetzmäßigkeit) kann es nicht geben, weil Design gerade beinhaltet, dass man mehr als natürliche Mechanismen benötigt, um die Entstehung bestimmter Strukturen zu erklären. Die Behauptung, Design würde nichts erklären, trifft nur dann zu, wenn nur Erklärungen in Form von Mechanismen zugelassen werden, was aber eine weltanschauliche Vorentscheidung erfordert.

Nur durch genaue Kenntnis der funktionellen Aspekte des Lebens („Wie?“ und „Wozu?“) kann die Kritik an natürlichen Entstehungsmechanismen plausibel formuliert und der Verdacht auf Design durch Nachweis von Design-Indizien (SD) erhärtet werden. Der Design-Ansatz beruft sich auf bekanntes biologisches Wissen und nicht nur einseitig auf Nichtwissen über natürliche Entstehungsprozesse. Darüber hinaus verweist der SD-Ansatz auf Analogien mit menschlichem Design. In diesem Sinne ist ein gewisser Anthropomorphismus nicht zu vermeiden, womit gleichzeitig eine Grenze der Design-Argumentation erreicht ist: Man kann Spuren, die für das Wirken eines bestimmten Designers typisch sind, an definierten Kennzeichen nachweisen. Dieser Nachweis ermöglicht jedoch keinen Gottesbeweis, da bestimmte Kennzeichen der Schöpfertätigkeit vorausgesetzt werden müssen, nach denen dann gesucht werden kann.

Es ist lehrreich, die hier zusammengestellten Argumente gegen den Design-Ansatz auf andere Gebiete anzuwenden, in denen Designer-Spuren gesucht und überprüft werden, z. B. in der Archäologie. Wenn man bei der Untersuchung von mutmaßlichen Steinwerkzeugen die Option prüft, dass es tatsächlich einen absichtsvoll agierenden Urheber gibt, dann übt man weder Erkenntnisverzicht, noch entzieht man sich der Falsifizierbarkeit (die Annahme eines Bearbeiters könnte sich als überflüssig erweisen). Es ist auch kein Einwand, dass man keinen gesetzmäßig beschreibbaren Mechanismus demonstrieren kann, durch den ein Faustkeil entsteht. Zu behaupten, ein Urheber würde nichts bezüglich der Entstehung eines Faustkeils erklären, wirkt hier sogar lächerlich. Es wird auch mit Nichtwissen über natürliche Prozesse argumentiert, um diese Möglichkeit auszuschließen (dieses Verfahren ist bei Lebewesen wie diskutiert viel schwieriger, aber grundsätzlich auch dort legitim). Und niemand dürfte sich daran stören, dass man „anthropomorph“ argumentiert. Wir können auch hier nur solches Design erkennen, wie wir es durch die Tätigkeit von Menschen kennen.

 

Hinweis: Eine ausführlichere Diskussion bietet: Junker R (2009) Spuren Gottes in der Schöpfung? Eine kritische Analyse von Design-Argumenten in der Biologie. Studium Integrale. Holzgerlingen. ([#LINK 1 si/bio/spurengottes.html|; dort ist auch ein Link zum Inhalt und Vorwort)

2.11 Literatur

Binder H, Scherer S & Imming P (2006) Was ist über die Entstehung des Lebens bekannt? Religion • Staat • Gesellschaft 7, 389-416.

Cleland CE (2001) Historical science, experimental science, and the scientific method. Geology 29, 987-990.

Menuge AJL (2007) Releasing Captive Teachers: How to Refute the Case for Methodological Materialism. paper presented at the EPS Meeting, Friday 16. Nov., 2007.

Nagel T (2008) Public Education and Intelligent Design. Philosophy & Public Affairs 36, 187-205.

Waschke T (2003) Intelligent Design. Eine Alternative zur naturalistischen Wissenschaft? Skeptiker 16, 128-136. www.gwup.org/skeptiker/archiv/2003/4/intellegentdesigngwup.html

 

Autor: Reinhard Junker, 07.01.2010

© 2010, https://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/e1622.php

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0.4.1.4 Nichtreduzierbare Komplexität (Interessierte)

Jedes Lebewesen enthält irreduzibel komplexe Teilsysteme. Ein System ist irreduzibel komplex, wenn es notwendigerweise aus mehreren fein aufeinander abgestimmten, interagierenden Teilen besteht, die für eine bestimmte Funktion benötigt werden, so dass die Entfernung eines beliebigen Teils die Funktion restlos zerstört. Die evolutive Entstehung solcher Systeme auf der Basis ungerichteter Prozesse ist unbekannt. Aus Erfahrung ist jedoch bekannt, dass irreduzible Komplexität durch Einsatz von Know-how und Steuerung von außen möglich ist.

1.0 Inhalt

In diesem Artikel wird erklärt, was irreduzible Komplexität (IC) ist und gezeigt, weshalb die Entstehung von IC durch ungerichtete evolutive Prozesse derzeit unbekannt ist. Außerdem wird auf eine Reihe von Kritikpunkten gegen das IC-Argument eingegangen.

1.1 Was ist irreduzible Komplexität?

In der Diskussion um „Intelligent Design“ (ID) (|0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“| spielt irreduzible Komplexität („irreducible complexity“, IC) bei Lebewesen eine besondere Rolle. Organismen bestehen aus zahlreichen synorganisierten Teilsystemen, d. h. es wirken viele Komponenten zusammen, um eine oder mehrere Aufgaben zu erfüllen. Mindestens ein Teil dieser Systeme scheint unverzichtbar für die Funktion zu sein; er ist irreduzibel. Entsprechend wird irreduzible Komplexität wie folgt definiert: Ein System ist irreduzibel komplex, wenn es notwendigerweise aus mehreren fein aufeinander abgestimmten, interagierenden Teilen besteht, die für eine bestimmte Funktion benötigt werden, so dass die Entfernung eines beliebigen Teils die Funktion restlos zerstört (nach Michael Behe). Ein solches System wird nachfolgend als IC-System bezeichnet. Wichtig in der Definition von IC ist, dass es sich um interagierende Teile handelt, die aufeinander abgestimmt sind.

1.2 Das IC-Argument

In diesem Artikel wird vom IC-Argument die Rede sein. Damit ist gemeint: Es ist nicht möglich, ein IC-System schrittweise durch ungerichtete graduelle Prozesse aufzubauen. Denn solange ein IC-System nicht alle für die Ausübung der betreffenden Funktion erforderlichen Teile besitzt, ist es aufgrund seiner Funktionslosigkeit selektionsnegativ oder bestenfalls selektionsneutral (falls das System sehr einfach ist). Das heißt: Irreduzible Systeme sind so gestaltet, dass die Selektion erst greifen kann, wenn das System komplett ist. Das Konzept der irreduziblen Komplexität berücksichtigt also ausdrücklich den Selektionsaspekt.

Als eingängiges Anschauungsbeispiel für irreduzible Komplexität verwendet Michael Behe die Mausefalle. Auf keines ihrer fünf Teile kann verzichet werden, wenn die Funktion nicht vollständig verloren gehen soll. Die Entfernung irgendeines Teils zerstört die Funktion restlos. Außerdem müssen die Fallenteile auch zweckvoll gestaltet sein.

Wichtig ist: Das IC-Argument schließt nicht aus, dass die Einzelteile der IC-Struktur eine andere Funktion als die IC-Struktur selber ausüben können. So hat beispielsweise eine Feder eine Funktion auch dann, wenn sie nicht Bestandteil einer Mausefalle ist, sie übt allerdings nicht die Funktion einer Mausefalle aus.

Als reale biochemische Beispiele diskutiert Behe in seinem viel beachteten Buch „Darwin’s Black Box“ (Behe 1996) Cilien und die Bakteriengeißel, das Blutgerinnungssystem, den Transport durch die Zellmembran und das Immunsystem. Beispiele für irreduzible Komplexität gibt es auch auf morphologisch-anatomischer Ebene, doch dürften hier die Verhältnisse viel zu komplex und zu wenig durchschaut sein, um exakt argumentieren zu können. Doch kann irreduzible Komplexität mit solchen Beispielen auch dem Nichtbiologen leicht veranschaulicht werden.

Irreduzible Komplexität stellt ein schwerwiegendes Problem für die Vorstellung einer ungelenkten Evolution dar: Da Selektion erst greifen kann, wenn eine wenigstens minimale Funktion vorliegt, kann eine IC-Struktur nicht schrittweise evolutiv aufgebaut werden. Ihre Vorstufen wären ja völlig funktionslos und daher nicht selektierbar. Wie der Sprung zu einer IC-Struktur evolutiv (durch ungerichtete Prozesse) möglich sein könnte, ist daher nach derzeitigem Kenntnisstand unbekannt.

Darüber hinaus kann irreduzible Komplexität auch positiv als Argument für Design gewertet werden: Bei technischen Systemen ist bekannt, wie irreduzible Komplexität entsteht: durch das Wirken eines Konstrukteurs, der seine unfertigen, im Aufbau befindlichen Konstruktionen nicht einer Selektion ausliefern muss (sie müssen sich nicht im Wettbewerb des Handels durchsetzen). Eine vergleichare Konstellation von IC bei Lebewesen erlaubt daher einen Analogieschluss auf einen Urheber. Die mit diesem Schlussverfahren verbundenen und andere Probleme des Design-Arguments werden im Artikel |0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“| diskutiert. IC ist ein starker Hinweis auf ID, weil hier Zielgerichtetheit besonders klar zum Ausdruck kommt.

Irreduzible Komplexität muss gegen kumulative Komplexität abgegrenzt werden, also gegen eine Komplexität, die kleinschrittig allmählich aufgebaut werden kann.

Eine Konstruktion mag in manchen Fällen teilweise reduzierbar sein, ohne dass ihre Funktion verloren geht.Für das IC-Argument ist daher nur wichtig, dass es eine irreduzible Teilstruktur gibt (ein IC-Kernbereich). Das IC-Argument greift natürlich nur für den unverzichtbaren Teil; es wird daher nicht dadurch entkräftet, dass man zeigt, dass ein kleiner Teil eines Systems reduzibel ist.

Gegen das Konzept der irreduziblen Komplexität und das damit verbundene IC-Argument wurden verschiedene Kritikpunkte publiziert. Auf die wichtigsten kommen wir im Folgenden zu sprechen.

1.3 Theoretische Betrachtungen, die die Entstehung von IC plausibel machen sollen

Folgendes Gedankenexperiment wurde ins Spiel gebracht: Eine Struktur erhalte durch Einbau eines neuen Bauelements A eine neue Funktion, die jedoch noch nicht gut ausgeübt wird. Später kommt ein weiteres Element B hinzu, durch welches die Funktion von A verbessert wird. B ist also zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt erforderlich, aber nützlich. Durch spätere Veränderung von A oder anderen schon vorhandenen Bauteilen wird B aber unentbehrlich. In dieser Weise könnten weitere Teile eingebaut und sukzessive absolut notwendig werden; das System wird also irreduzibel. Beispielsweise war der Besitz einer Lunge bei Fischen ursprünglich nur nützlich (weil er die Eroberung eines neuen Lebensraums ermöglichte), nicht aber wirklich notwendig. Nach dem Erwerb von Beinen und dem Verlassen des Wassers wurde die Lunge dann aber unentbehrlich.

Diese Argumentation trifft das IC-Argument gar nicht, da in diesem Gedankenexperiment eine neue Funktion bereits durch ein einziges neues Element erworben und durch später hinzukommende Teile nur noch verstärkt bzw. verbessert wird. Das entspricht gerade nicht der Konstellation von IC-Strukturen. Das konkrete Beispiel Schwimmblase/Lunge/Fortbewegung startet zudem mit einem bereits funktionierenden Komplex von Systemen, dessen Einzelelemente mindestens teilweise bereits IC-Systeme sind (z. B. Cilien in der Lunge). Bei der IC-Argumentation geht es nach Behe um ein bestimmtes, abgegrenztes System, nicht um einen ganzen Komplex von Systemen. Die Betrachtung eines Systems muss auf die Ebene nicht mehr reduzierbarer Teilsysteme hinunterkommen; erst dann setzt die IC-Argumentation an. Auf höherer Systemebene sind die Bauelemente, ihre Verflechtungen und Funktionen im Detail bislang viel zu wenig bekannt, um exakte Aussagen über Irreduzibilität machen zu können.

Die weitere Einbeziehung der Fortbewegungsweise führt die Argumentation vollends vom Thema IC weg. Denn bei IC geht es darum, ob ein bestimmtes, abgegrenztes System seine Funktion komplett verliert, wenn ein beliebiges Element entfernt wird. Die Betrachtung müsste sich also auf die Lunge beschränken, was aber aus den im vorigen Abschnitt genannten Gründen immer noch viel zu grob ist.

Darüber hinaus muss noch – abgesehen von der IC-Problematik – angemerkt werden, dass es keineswegs klar ist, dass Schwimmblase, Lunge oder Beine durch Darwinsche Mechanismen entstanden ist. Dieser Nachweis ist bisher nicht erbracht worden.

Viele Kritiken des IC-Arguments bleiben auf der Ebene allgemeiner, unpräziser und unkonkreter Aussagen. Behe weist verschiedentlich darauf hin, dass es mit oberflächlichen Statements nicht getan ist, wenn man den Anspruch erhebt, die Entstehung einer IC-Struktur evolutiv zu erklären; dazu muss ins Detail gegangen werden.

1.4 Co-option und Funktionswechsel

Als weiterer Einwand gegen das Konzept der irreduziblen Komplexität wird angeführt, dass die Einzelteile eines irreduzibel komplexen Systems zuvor bereits andere Funktionen erfüllt haben können und in einen neuen Funktionszusammenhang übernommen worden seien. Man spricht von „co-option“. Es gibt reale Beispiele, die in diesem Sinne interpretiert werden.

Doch die Möglichkeit einer co-option trifft das IC-Argument nicht. Denn das IC-Argument lautet, dass die aktuelle Funktion eines Systems verloren geht, wenn ein beliebiges Bauelement entfernt wird. Ob die Einzelbausteine andere Funktionen haben (oder vor einem Einbau hatten), ist für das IC-Argument irrelevant. Um es unter Hinweis auf die Möglichkeit einer co-option zu widerlegen, müsste gezeigt werden, wie ein IC-System durch co-optionen auf der Basis bekannter Evolutionsmechanismen entstanden ist. Dazu muss folgendes geklärt werden: 1. die bisherige Funktion des eingebauten Bauteils, 2. die bisherige Funktion des Systems, in welches das Bauelement eingebaut wurde, 3. die Regulation des Einbaus und 4. die Selektionsdrücke, die dies gefördert haben, oder alternativ ein realistisches Modell, wie der Einbau durch die Mechanismen der neutralen Evolution erfolgt sein könnte. Für komplexe Systeme ist co-option bisher experimentell nicht nachgewiesen; dieser hypothetische Vorgang wird hauptsächlich aufgrund vergleichend-biologischer Argumente postuliert. Konkrete Beispiele, die im Zusammenhang mit IC vorgeschlagen wurden, werden im Expertenteil (|0.4.1.4.2 Irreduzible Komplexität|) diskutiert

1.5 Nachweis der evolutiven Entstehung einer IC-Struktur?

Das IC-Argument könnte durch den Nachweis einer evolutiven Entstehung einer IC-Struktur widerlegt werden. Es würde genügen, diesen Nachweis in nur einem einzigen Fall zu führen, um zumindest die Plausibilität des IC-Arguments entscheidend zu schwächen. Es ist also nicht erforderlich, für jede IC-Struktur deren evolutive Entstehung nachzuweisen; das wäre aus praktischen Gründen unmöglich. Wenn es jedoch nur einmal gelingt, könnte man mit einigem Recht argumentieren, dass vergleichbare (!) Komplexitäten auch evolutiv entstehen können. Dieser Sachverhalt soll besonders betont werden, da kritisiert wird, dass ID-Vertreter einfach auf ein neues, noch unerforschtes Beispiel übergehen würden, wenn die evolutive Entstehung einer IC-Struktur bewiesen würde. Es muss hier aber auch bedacht werden: Der Nachweis der evolutiven Entstehung einer geringfügig komplexen Struktur würde die Entstehung höher komplexer Strukturen nicht erklären. Dabei muss natürlich ein Maß für den Grad der Komplexität gefunden werden, damit exakt argumentiert werden kann.

Daher muss genau Rechenschaft darüber abgegeben werden, welche Qualität von Komplexität durch empirische Daten nachgewiesen werden kann. An diesem Punkt hakt Behe (2001) in seiner Antwort auf Kritiker ein. Er setzt sich mit einem Artikel von Miller auseinander, in welchem dieser behauptet, es sei bereits geglückt, die evolutive Entstehung einer IC-Struktur nachzuweisen. Miller beruft sich dabei auf eine Arbeit von Barry Hall über das Lactose verwertende System von E. coli. Tatsächlich wird in der Studie von Hall aber nur gezeigt, dass nach dem Ausschalten der Galactosidase, einem einzigen Teil des Systems, ein anderes Enzym dessen Funktion übernahm. Dabei waren nur geringfügige Änderungen mikroevolutiver Art erforderlich, denn das Ersatz-Enzym besaß bereits in gewissem Umfang die Fähigkeit, Lactose zu hydrolysieren. Eine solche Veränderung ist vergleichbar mit dem Erwerb von Antibiotikaresistenz und weit vom Erwerb einer neuen IC-Struktur entfernt. Der Ersatz durch das neue Enzym gelang zudem nicht durch ungelenkte Evolutionsmechanismen, denn das System musste durch Intervention künstlich am Leben erhalten werden, solange die Bakterien Lactose nicht verwerten konnten (Details dazu in Behe 2001, 689ff.). Damit zeigt die Originalarbeit von Hall das Gegenteil dessen, was Miller behauptete: Ohne Design geht die Funktion verloren. Hier wird auch beispielhaft deutlich, dass der Hinweis auf einen Designer kein Argument aufgrund von Nichtwissen ist, vielmehr wird der betreffende Vorgang aufgrund positiver Befunde angemessen beschrieben, wenn der Designer (der eingreifende Experimentator) nicht ausgeblendet wird.

Ein weiteres Beispiel wird im Expertenteil (|0.4.1.4.2 Irreduzible Komplexität|) ausführlich diskutiert.

1.6 Genduplikation

Als weiteren Schlüssel zum Verständnis der Evolution von IC wird auf Genduplikationen verwiesen. Durch Genduplikationen entstünden Gene, die zunächst noch nicht essentiell seien. Im Laufe der Zeit könnte das kopierte Gen sich ändern und eine neue, oft verwandte Funktion annehmen und schließlich essentiell werden. Dieses Szenario ist jedoch nicht experimentell belegt, sondern wird aufgrund vergleichend-biologischer Argumente theoretisch erschlossen. Bisherige experimentelle Studien zur Proteinevolution stützen die Vorstellung der Entstehung neuer Proteinfunktionen durch Evolutionsprozesse jedoch nicht (Leisola 2004). Der Hinweis auf das Vorkommen von Genduplikationen kann also nicht als Schwächung oder gar Widerlegung des IC-Arguments gelten.

Wichtig ist generell: Die Feststellung von IC steht am vorläufigen Ende einer Untersuchung, während am Anfang eine Vermutung steht, eine Hypothese, die Forschung anregt und prüfbar (und widerlegbar) ist.

1.7 Testbarkeit des IC-Arguments

Über die genannten Kritikpunkte hinaus wurde auch wissenschaftstheoretische Kritik formuliert. Darauf wird im Expertenteil (|0.4.1.4.2 Irreduzible Komplexität|) ausführlich eingegangen. Hier soll nur auf die Frage nach der Testbarkeit und Widerlegbarkeit des IC-Arguments eingegangen werden.

Die Evolvierbarkeit von IC könnte in Zukunft durchaus nachgewiesen und das IC-Konzept damit als überflüssig erwiesen werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Es wird gezeigt, dass eine IC-Struktur ohne Funktionsverlust schrittweise reduzibel ist, d. h. dass es sich bei der betreffenden Struktur nicht um irreduzible, sondern um kumulative Komplexität handelt (vgl. Einleitung). Wie weiter oben bereits erwähnt, ist es nicht erforderlich, dies für jede Struktur nachzuweisen, die irreduzibel komplex zu sein scheint. Wenn dieser Nachweis wenigstens einmal oder einige wenige Male gelingt, so steigt die Plausibilität, dass es auch für nicht untersuchte vergleichbar komplexe Strukturen ebenfalls möglich ist.
  2. Es wird experimentell gezeigt, dass eine IC-Struktur durch bekannte Evolutionsmechanismen ohne Eingriff eines Designers entstehen kann.

Das IC-Konzept kann durchaus Impulse für Forschung geben. Es regt an, genauer hinzuschauen. Nur ein detailliertes Studium eines IC-verdächtigen Systems kann zeigen, ob es wirklich IC ist, und nur die weiter verbesserte Kenntnis der Evolutionsmechanismen kann die Plausibilität einer evolutiven Entstehung einer IC-Struktur begründen, erhöhen oder verringern. Das Ergebnis steht nicht von vornherein fest.

 

1.8 Literatur

Behe MJ (1996) Darwin’s Black Box: the Biochemical Challenge to Evolution. New York.

Behe MJ (2001) Reply to my critics: A response to reviews of Darwin’s Black Box: the Biochemical Challenge to Evolution. Biol. Philos. 16, 685-709.

Leisola M (2004) Über die Entstehung neuer Proteine. Stud. Int. J. 11, 67-75.

 

Autor: Reinhard Junker, 15.09.2005

© 2005, https://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/i1624.php

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0.4.1.4 Nichtreduzierbare Komplexität (Experten)

Hinweis: Es gibt auch einen wissenschaftlichen Artikel zu diesem Thema: https://www.genesisnet.info/pdfs/Irreduzible_Komplexitaet.pdf

2.0 Inhalt

In diesem Artikel wird erklärt, was irreduzible Komplexität (IC) ist und gezeigt, weshalb die Entstehung von IC durch ungerichtete evolutive Prozesse derzeit unbekannt ist. Gegen das evolutionskritische IC-Argument wurde eine Reihe von Kritikpunkten vorgebracht; es wird gezeigt, dass diese nicht stichhaltig sind. Außerdem wird auf wissenschaftstheoretische Aspekte im Zusammenhang von IC und „Intelligent Design“ eingegangen.

2.1 Was ist irreduzible Komplexität?

In der Diskussion um „Intelligent Design“ (ID) (|0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“|) spielt irreduzible Komplexität („irreducible complexity“, IC) bei Lebewesen eine besondere Rolle. Die Auffassung, viele Strukturen in der Organismenwelt seien irreduzibel komplex, ist zwar in ihrem Grundgedanken keineswegs neu, wurde aber durch Michael Behes vielbeachtetes Buch „Darwin’s Black Box“ (Behe 1996) ziemlich populär.

Definition. Organismen bestehen aus zahlreichen synorganisierten Teilsystemen, d. h. es wirken viele Komponenten zusammen, um eine oder mehrere Aufgaben zu erfüllen. Mindestens ein Teil dieser Systeme scheint unverzichtbar für die Funktion zu sein; er ist irreduzibel. Entsprechend definiert Behe irreduzible Komplexität wie folgt: „A single system which is composed of several well-matched, interacting parts that contribute to the basic function, and where the removal of any one of the parts causes the system to effectively cease functioning“ (Behe 1996, 39). Später präzisierte er diese Definition, indem er folgende Ergänzung einbrachte: „A single system which is necessarily composed of several well-matched, interacting parts …“ (Behe 2001, 694). Ein System ist demnach irreduzibel komplex, wenn es notwendigerweise aus mehreren fein aufeinander abgestimmten, interagierenden Teilen besteht, die für eine bestimmte Funktion benötigt werden, so dass die Entfernung eines beliebigen Teils die Funktion restlos zerstört. Ein solches System wird nachfolgend als IC-System bezeichnet. Wichtig in der Definition von IC ist, dass es sich um interagierende Teile handelt, die aufeinander abgestimmt („well matched“) sind. In einer Antwort auf Kritiker hebt Behe (2000a, 156) dies besonders hervor. Außerdem weist er in einem anderen Artikel darauf hin, dass es möglich ist, Grade von IC zu bestimmen (Behe 2000b; vgl. den Schlussabschnitt „Das IC-Konzept als Impulsgeber für Forschung“).

2.2 Das IC-Argument

In diesem Artikel wird vom IC-Argument die Rede sein. Damit ist gemeint: Es ist nicht möglich, ein IC-System schrittweise durch ungerichtete graduelle Prozesse aufzubauen. Denn solange das System nicht alle für die Ausübung der betreffenden Funktion erforderlichen Teile besitzt, wäre es aufgrund seiner Funktionslosigkeit selektionsnegativ oder bestenfalls selektionsneutral (falls das System sehr einfach ist). Das heißt: Irreduzible Systeme sind so gestaltet, dass die Selektion erst greifen kann, wenn das System komplett ist. Das Konzept der irreduziblen Komplexität berücksichtigt also ausdrücklich den Selektionsaspekt.

Als eingängiges Anschauungsbeispiel für irreduzible Komplexität verwendet Behe die Mausefalle. Auf keines ihrer fünf Teile kann verzichet werden, wenn die Funktion nicht vollständig verloren gehen soll. Die Entfernung irgendeines Teils zerstört die Funktion restlos. Außerdem müssen die Fallenteile auch zweckvoll gestaltet sein.

Wichtig ist: Das IC-Argument schließt nicht aus, dass die Einzelteile der IC-Struktur eine andere Funktion als die IC-Struktur selber ausüben können. So hat beispielsweise eine Feder eine Funktion auch dann, wenn sie nicht Bestandteil einer Mausefalle ist, sie übt allerdings nicht die Funktion einer Mausefalle aus.

Als reale biochemische Beispiele diskutiert Behe in „Darwin’s Black Box“ Cilien und die Bakteriengeißel, das Blutgerinnungssystem, den Transport durch die Zellmembran und das Immunsystem. Francis (2000) diskutiert die bakterielle Zellteilung als IC-System. Beispiele für irreduzible Komplexität gibt es auch auf morphologisch-anatomischer Ebene, doch dürften hier die Verhältnisse viel zu komplex und zu wenig durchschaut sein, um exakt argumentieren zu können. Doch kann irreduzible Komplexität mit solchen Beispielen auch dem Nichtbiologen leicht veranschaulicht werden.

Irreduzible Komplexität stellt ein schwerwiegendes Problem für die Vorstellung einer ungelenkten Evolution dar: Da Selektion erst greifen kann, wenn eine wenigstens minimale Funktion vorliegt, kann eine IC-Struktur nicht schrittweise evolutiv aufgebaut werden. Ihre Vorstufen wären ja völlig funktionslos und daher nicht selektierbar. Wie der Sprung zu einer IC-Struktur evolutiv (durch ungerichtete Prozesse) möglich sein könnte, ist daher nach derzeitigem Kenntnisstand unbekannt.

Darüber hinaus kann irreduzible Komplexität auch positiv als Argument für Design gewertet werden: Irreduzible Komplexität kann als tertium comparationis zwischen technischen und lebendigen Systemen dienen, so dass in einem Analogieschluss beim Nachweis von irreduzibler Komplexität auf einen Urheber geschlossen werden kann. Die Begründung für diesen Analogieschluss lautet: Wir wissen, wie irreduzible Komplexität entsteht: durch das Wirken eines Konstrukteurs, der seine unfertigen, im Aufbau befindlichen Konstruktionen nicht einer Selektion ausliefern muss. Eine vergleichbare Konstellation bei Lebewesen erlaubt daher den Analogieschluss auf einen Urheber. Die mit diesem Schlussverfahren verbundenen und andere Probleme des Design-Arguments werden im Artikel |0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“| diskutiert.

IC ist ein starker Hinweis auf ID, weil hier Zielgerichtetheit besonders klar zum Ausdruck kommt: Das Zusammenwirken mehrerer Komponenten zum Erreichen eines Ziels, auf welches hin alle Teile zugeschnitten und fein aufeinander abgestimmt („well matched“) sind. Dies entspricht genau der Situation in der Technik.

Irreduzible Komplexität muss gegen kumulative Komplexität abgegrenzt werden, also gegen eine Komplexität, die kleinschrittig allmählich aufgebaut werden kann.

Wichtig ist auch noch folgendes: Eine Konstruktion mag teilweise reduzierbar sein, ohne dass ihre Funktion verloren geht. Anders ausgedrückt: Es ist denkbar, dass manche Konstruktionen aus einigen Teilen bestehen, die zwar nützlich, aber für die betreffende Funktion verzichtbar sind. Dies ist relativ leicht bei organismischen Strukturen denkbar. So könnten beispielsweise die Fangblätter des Sonnentaus auch funktionieren, wenn die Drüsenhaare kein ausgeprägtes Köpfchen besitzen. Dagegen könnte auf die Haare und die Verdauungsflüssigkeit zum Erhalt der Funktion nicht verzichtet werden. Es kommt also darauf an, herauszufinden, ob es eine irreduzible Teilstruktur gibt und deren IC zu begründen. Nur auf diesen IC-Kernbereich kommt es bei den Betrachtungen zu seiner Entstehung an. Ein System mag neben unverzichtbaren auch nützliche, aber für die Funktion redundante Teile enthalten. Das IC-Argument greift für den unverzichtbaren Teil. Das Argument wird nicht dadurch entkräftet, dass man zeigt, dass ein kleiner Teil eines Systems reduzibel ist.

Zusammenfassung des IC-Arguments. Organismen bestehen aus zahlreichen synorganisierten Teilsystemen. Diese besitzen häufig einen irreduziblen Kernbereich von mehreren, fein aufeinander abgestimmten Teilen. Das heißt: Die Entfernung eines beliebigen Teils zerstört die bisherige Funktion völlig. Der Zusammenbau der Teile der IC-Struktur ist einerseits durch die bekannten graduellen evolutionären Prozesse nicht möglich. Andererseits ist bekannt, dass die Entstehung von IC-Strukturen durch den Einsatz von Know how möglich ist, während die hochgradige Zielgerichtetheit solcher Strukturen ohnehin auf Zielsetzung (und damit Planung) hinweist und nicht ohne weiteres als Illusion abgetan werden kann. Daher sind IC-Strukturen bei den Lebewesen ein Hinweis auf einen Urheber.

Gegen das Konzept der irreduziblen Komplexität und das damit verbundene IC-Argument wurden verschiedene Kritikpunkte publiziert. Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen: Theoretische Betrachtungen bzw. Gedankenexperimente, reale biologische Befunde und wissenschaftstheoretische Gesichtspunkte.

2.3 Kritik: Theoretische Betrachtungen

Orr (1996/1997; 2005) hinterfragt das IC-Konzept durch folgendes Gedankenexperiment: Eine Struktur erhalte durch Einbau eines neuen Bauelements A eine neue Funktion, die jedoch noch nicht gut ausgeübt wird. Später kommt ein weiteres Element B hinzu, durch welches die Funktion von A verbessert wird. B ist also zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt erforderlich, aber nützlich. Durch spätere Veränderung von A oder anderen schon vorhandenen Bauteilen wird B aber unentbehrlich. In dieser Weise könnten weitere Teile eingebaut und sukzessive absolut notwendig werden; das System wird also irreduzibel.

Als biologisches Beispiel nennt Orr die Umwandlung der Schwimmblase in die Lunge. Ursprünglich war der Besitz einer Lunge (bei Fischen) nur nützlich (weil er die Eroberung eines neuen Lebensraums ermöglichte), nicht aber wirklich notwendig. Nach dem Erwerb von Beinen und dem Verlassen des Wassers wurde die Lunge dann aber unentbehrlich. Orr resummiert: „The punch-line is, I think, obvious: although this process is thoroughly Darwinian, we are often left with a system that is irreducibly complex“ (Orr 1996/1997).

Diese Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht fragwürdig. Das Gedankenexperiment können wir im Grunde genommen beiseite lassen, denn wenn es darum geht, einen Mechanismus zur Entstehung einer IC-Struktur aufzuzeigen, müssen biologische Befunde vorgelegt werden. Es trifft zudem das IC-Argument gar nicht, da in diesem Gedankenexperiment eine neue Funktion bereits durch ein einziges neues Element erworben und durch später hinzukommende Teile nur noch verstärkt bzw. verbessert wird. Das entspricht gerade nicht der Konstellation von IC-Strukturen. Das Gedankenexperiment ist also grundsätzlich verfehlt.

Beim Beispiel Schwimmblase/Lunge/Fortbewegung kann als Gegenkritik in Bezug auf das IC-Argument genannt werden: Es wird mit einem bereits funktionierenden System gestartet. Und: Das Beispiel Schwimmblase/Lunge/Fortbewegungsweise trifft das IC-Konzept gar nicht. Denn bei der IC-Argumentation geht es um ein bestimmtes System („a single system“ in der Definition von Behe), nicht um einen ganzen Komplex von Systemen (Atmung/Fortbewegung und weitere Körperteile). Nicht einmal die Schwimmblase bzw. die Lunge stellt ein einzelnes System dar, da das Lungengewebe seinerseits irreduzible Untersysteme wie z. B. Cilien enthält. Anders gesagt: Die Betrachtung eines Systems muss auf die Ebene nicht mehr reduzierbarer Teilsysteme hinunterkommen; erst dann setzt die IC-Argumentation an. Auf höherer Systemebene sind die Bauelemente, ihre Verflechtungen und Funktionen im Detail bislang viel zu wenig bekannt, um exakte Aussagen über Irreduzibilität machen zu können. (Man kann vermuten, dass die IC-Problematik auf dieser Ebene dieselbe ist, doch ist dies derzeit wegen zu geringer Kenntnisse noch nicht genauer erforschbar.) Im Zeitalter der Molekularbiologie ist es möglich geworden, vergleichsweise einfache Systeme zu erforschen und damit erst Hypothesen von IC genauer zu testen.

Die weitere Einbeziehung der Fortbewegungsweise durch Orr führt die Argumentation vollends vom Thema IC weg. Denn bei IC geht es darum, ob ein bestimmtes, abgegrenztes System seine Funktion komplett verliert, wenn ein beliebiges Element entfernt wird. Die Betrachtung müsste sich also auf die Lunge beschränken, was aber aus den im vorigen Abschnitt genannten Gründen immer noch viel zu grob ist. Auch wenn es seltsam klingt: Die Funktion der Lunge wird durch die Entfernung eines Beines nicht beeinträchtigt. Orr hat offenbar den ganzen Organismus im Blick (er schreibt: „… if you remove this part, the organism will eventually die“). Das IC-Argument bezieht sich aber nicht auf ganze Organismen. Das Beispiel von Orr ist also völlig verfehlt; es eignet sich allenfalls zur Illustration, wie das IC-Argument nicht gemeint ist.

Darüber hinaus muss noch – abgesehen von der IC-Problematik – angemerkt werden, dass es keineswegs klar ist, dass Schwimmblase, Lunge oder Beine durch Darwinsche Mechanismen entstanden ist, wie Orr fälschlicherweise behauptet („although this process is thoroughly Darwinian“). Dieser Nachweis ist bisher nicht erbracht worden. Nur weil für eine Struktur IC (noch) nicht nachgewiesen werden kann (weil die nötigen Detailkenntnisse dafür fehlen), bedeutet das schließlich nicht, dass sie durch ungerichtete evolutionäre Mechanismen entstanden ist oder entstehen kann.

Für ähnliche Beispiele wie z. B. das oft im Zusammenhang von IC aufgegriffene Linsenauge trifft die geschilderte Kritik genauso zu. Hier wird von Kritikern darauf hingewiesen, dass es eine kleinschrittig verbundene Folge von einfachsten Flachauge bis zum komplexen Linsenauge gebe. Behe weist aber schon in „Darwin’s Black Box“ darauf hin, dass man genauer hinsehen muss: dann werde deutlich, dass es sich keineswegs um kleine Schritte handelt: „Remember that the ‘light-sensitive spot’ that Dawkins takes as his starting point requires a cascade of factors … to function“ (Behe 1996, 38). Ebenso ist beispielsweise die Entwicklung einer „einfachen Linse“ keine einfache Angelegenheit. Das Ausmaß an Veränderungen und Erfindungen, die von Stufe zu Stufe erforderlich sind, wird in vereinfachten Darstellungen überspielt. Zudem gehen Modelle zur Entstehung des Linsenauges von biologisch unrealistischen Annahmen aus (Hansen 2003).

Waschke (2003) formuliert folgenden Einwand: „Auch wenn die derzeitige Struktur irreduzibel komplex ist, bedeutet das noch lange nicht, dass nicht ein weniger weit entwickelter Vorläufer vorhanden war, der redundante Komponenten enthielt. Diese Struktur wurde dann durch Mutation und Selektion ‘fein-getuned’ und erst das Ergebnis dieser Optimierung ist dann irreduzibel komplex. Darüber hinaus können die Einzelkomponenten auch auf eine ganz andere Funktion hin selektiert worden sein.“ Hier wird nur eine Spekulation angeboten, für die es keinerlei empirische Hinweise gibt. Darüber hinaus würde dieses Gedankenmodell, selbst wenn es dafür eine Entsprechung in der Realität gibt, das IC-Argument nicht entkräften. Im Eingangsteil wurde bereits darauf hingewiesen, dass die in Rede stehende Struktur daraufhin untersucht werden muss, ob sie einen IC-Kernbereich enthält. Das theoretische Beispiel von Waschke müsste also zunächst von den redundanten Elementen befreit und es müsste untersucht werden, ob nach deren Entfernung ein IC-Kernbereich übrig bleibt. Das von Waschke genannte Beispiel der Vogelfeder wird im Folgenden Abschnitt über „co-option“ besprochen.

Viele Kritiken des IC-Arguments bleiben auf der Ebene allgemeiner, unpräziser und unkonkreter Aussagen. Behe weist verschiedentlich darauf hin, dass es mit oberflächlichen Statements nicht getan ist, wenn man den Anspruch erhebt, die Entstehung einer IC-Struktur evolutiv zu erklären; dazu muss ins Deatil gegangen werden.

2.4 Kritik: Co-option und Funktionswechsel

Als weiterer Einwand gegen das Konzept der irreduziblen Komplexität wird angeführt, dass die Einzelteile eines irreduzibel komplexen Systems zuvor bereits andere Funktionen erfüllt haben können und in einen neuen Funktionszusammenhang übernommen worden seien (dies wurde auch im o.g. theoretischen Szenario von Waschke angenommen). Man spricht von „co-option“. Es gibt reale Beispiele, die in diesem Sinne interpretiert werden; eines davon (TTSS-Apparat) soll weiter unten diskutiert werden.

Doch die Möglichkeit einer co-option trifft das IC-Argument nicht. Denn das IC-Argument lautet, dass die aktuelle Funktion eines Systems verloren geht, wenn ein beliebiges Bauelement entfernt wird. Ob die Einzelbausteine andere Funktionen haben (oder vor einem Einbau hatten), ist für das IC-Argument irrelevant. Um es unter Hinweis auf die Möglichkeit einer co-option zu widerlegen, müsste gezeigt werden, wie ein IC-System durch co-optionen auf der Basis bekannter Evolutionsmechanismen entstanden ist. Dazu muss folgendes geklärt werden: 1. die bisherige Funktion des eingebauten Bauteils, 2. die bisherige Funktion des Systems, in welches das Bauelement eingebaut wurde, 3. die Regulation des Einbaus und 4. die Selektionsdrücke, die dies gefördert haben, oder alternativ ein realistisches Modell, wie der Einbau durch die Mechanismen der neutralen Evolution erfolgt sein könnte. Eine Einführung in die Problematik der Mechanismen eines solchen Einbaus gibt Neuhaus (2002). Für komplexe Systeme ist co-option bisher experimentell nicht nachgewiesen; dieser hypothetische Vorgang wird hauptsächlich aufgrund vergleichend-biologischer Argumente postuliert.

Waschke bringt folgendes Beispiel: „Ein klassisches Beispiel sind die Federn der Vögel. Diese Strukturen entstanden vermutlich nicht als Anpassung an das Fliegen, sondern als Wärmeisolierung. Diese Argumentation war schon seit Darwins Zeiten als Funktionswechsel bekannt. Man kann sich daher leicht vorstellen, wie Systeme, die im Nachhinein irreduzibel komplex sind, durchaus aus Einzelkomponenten zusammengesetzt wurden, die jeweils zu einem anderen Zweck in kleinen, jeweils selektionsbegünstigten Schritten entstanden sind. Die konkreten Details lassen sich aber nur durch naturalistische Forschung aufklären.“ Für die Behauptung, man könne sich „leicht vorstellen, wie Systeme, die im Nachhinein irreduzibel komplex sind, durchaus aus Einzelkomponenten zusammengesetzt wurden“, fehlen jedoch überzeugende Belege. Die vorgeschlagenen Modelle müssen im Detail betrachtet werden, um ihre Erklärungskraft einschätzen zu können. (Dies gilt insbesondere für das genannte Beispiel der Entstehung von Federn, bei welchem die im Übrigen spekulative Annahme des Funktionswechsels neue Fragen aufwirft.) Die Schritte, die zur Irreduzibilität geführt haben, müssen im einzelnen aufgezeigt werden. Allgemein und vage gehaltene Formulierungen reichen dafür nicht aus.

Das Beispiel der Entstehung der Vogelfeder ist jedoch geeignet, um das Procedere zu erläutern, das durchlaufen werden muss, um das Vorliegen von IC begründet behaupten zu können. Eine flugtaugliche Feder müsste nicht direkt aus Reptilschuppen oder anderen Vorstufen entstanden sein. Eine Wärmeisolierungsstruktur könnte in der Tat eine morphologische Vorstufe der flugtauglichen Feder sein. Für diesen Zweck bräuchte diese federartige Struktur weder Häkchen und noch andere Eigenschaften, die nur für das Fliegen erforderlich sind, besitzen. Eine wärmedämmende Federstruktur könnte grundsätzlich durchaus seine Vorstufe einer flugtauglichen Feder sein. Zu überbrücken wären dann die Wege von einer hypothetischen Vorläuferstruktur bis zu dieser wärmedämmenden Struktur und dann von dieser bis zur flugtauglichen Feder. Zu klären ist also, ob bei diesen Schritten IC-Komplexität dazukommen muss oder ob sie mit ungelenkten Mechanismen durchlaufen werden können. Dies erfordert eine eingehende Analyse und vermutlich noch einiges an Forschungsarbeit.

Wichtig ist: Die Feststellung von IC steht dann am vorläufigen Ende einer Untersuchung, während am Anfang eine Vermutung steht, eine Hypothese, die Forschung anregt und prüfbar ist.

2.5 Kritik: Funktionsfähige Vorstufen eines IC-Systems?

Nachweis der evolutiven Entstehung einer IC-Struktur? Das IC-Argument könnte durch den Nachweis einer evolutiven Entstehung einer IC-Struktur widerlegt werden. Es würde genügen, diesen Nachweis in nur einem einzigen Fall zu führen, um zumindest die Plausibilität des IC-Arguments entscheidend zu schwächen. Es ist also nicht erforderlich, für jede IC-Struktur deren evolutive Entstehung nachzuweisen; das wäre aus praktischen Gründen unmöglich. Wenn es jedoch nur einmal gelingt, könnte man mit einigem Recht argumentieren, dass vergleichbare (!) Komplexitäten auch evolutiv entstehen können. Dieser Sachverhalt soll besonders betont werden, da kritisiert wird, dass ID-Vertreter einfach auf ein neues, noch unerforschtes Beispiel übergehen würden, wenn die evolutive Entstehung einer IC-Struktur bewiesen würde. Es muss hier aber auch bedacht werden: Der Nachweis der evolutiven Entstehung einer geringfügig komplexen Struktur würde die Entstehung höher komplexer Strukturen nicht erklären. Dabei muss natürlich ein Maß für den Grad der Komplexität gefunden werden, damit exakt argumentiert werden kann.

Daher muss genau Rechenschaft darüber abgegeben werden, welche Qualität von Komplexität durch empirische Daten nachgewiesen werden kann. An diesem Punkt hakt Behe (2001) in seiner Replik auf Kritikpunkte ein. Er setzt sich mit einem Artikel von Miller auseinander, in welchem dieser behauptet, es sei bereits geglückt, die evolutive Entstehung einer IC-Struktur nachzuweisen. Miller beruft sich dabei auf eine Arbeit von Barry Hall über das Lactose verwertende System von E. coli. Tatsächlich wird in der Studie von Hall aber nur gezeigt, dass nach dem Ausschalten der Galactosidase, einem einzigen Teil des Systems, ein anderes Enzym dessen Funktion übernahm. Dabei waren nur geringfügige Änderungen mikroevolutiver Art erforderlich, denn das Ersatz-Enzym besaß bereits in gewissem Umfang die Fähigkeit, Lactose zu hydrolysieren. Eine solche Veränderung ist vergleichbar mit dem Erwerb von Antibiotikaresistenz und weit vom Erwerb einer neuen IC-Struktur entfernt. Der Ersatz durch das neue Enzym gelang zudem nicht durch ungelenkte Evolutionsmechanismen, denn das System musste durch Intervention künstlich am Leben erhalten werden, solange die Bakterien Lactose nicht verwerten konnten (Details dazu in Behe 2001, 689ff.). Damit zeigt die Originalarbeit von Hall das Gegenteil dessen, was Miller behauptete: Ohne Design geht die Funktion verloren. Hier wird auch beispielhaft deutlich, dass der Hinweis auf einen Designer kein Argument aufgrund von Nichtwissen ist, vielmehr wird der betreffende Vorgang aufgrund positiver Befunde angemessen beschrieben, wenn der Designer (der eingreifende Experimentator) nicht ausgeblendet wird.

Der TTSS-Apparat. Miller (2004) führt den „Type III Secretory Apparatus“ (TTSS) als Vorstufe der Bakteriengeißel an. Der TTSS-Apparat ermöglicht gram-negativen Bakterien, Proteine direkt ins Cytoplasma einer Wirtszelle einzuschleusen. Der TTSS-Apparat weist eine große Anzahl von Homologien mit der Bakteriengeißel auf: 18 Proteine des TTSS-Apparats sind auch Bestandteile der Bakteriengeißel, die aus 40 Proteinen besteht. Diese Homologien würden beweisen – so Miller (2004, 86) –, dass die Bakteriengeißel nicht irreduzibel komplex sei. Evolutionäre Prozesse hätten offenbar wesentliche Teile des TTSS-Apparats mit anderen Proteinen kombiniert (co-option) und dadurch eine neue Funktion geschaffen (S. 87). Der TTSS-Apparat sei voll funktional, obwohl ihm viele Teile der Bakteriengeißel fehlen, die Bakteriengeißel mithin nicht irreduzibel komplex.

Diese Argumentation widerlegt das IC-Argument jedoch in keiner Weise. Miller macht nämlich einige unzutreffende Behauptungen über das IC-Konzept, vor allem die Behauptung, Einzelteile eines IC-Systems dürften keine Funktion haben (S. 87, 91). Das ist falsch (wie oben bereits vermerkt), vielmehr dürfen Einzelteile nicht dieselbe Funktion haben wie das in Rede stehende IC-System (hier: wie die Bakteriengeißel). Selbstverständlich dürfen Einzelteile andere Funktionen ausüben, ohne dass dadurch das IC-Argument tangiert wird. Das gilt schon für das Mausefallen-Beispiel: deren Einzelteile besitzen teilweise ebenfalls eine Funktion (und dies wird von Behe sogar besprochen). Schon aus diesem Grund eignet sich der TTSS-Apparat nicht als Kritik am IC-Konzept.

Es gibt aber noch weitere kritische Anmerkungen zu machen. Der TTSS-Apparat könnte als Vorstufe der Bakteriengeißel angesehen werden. Eine Analyse auf irreduzible Komplexität beinhaltet – wie oben dargelegt – den Versuch, mögliche Wege zur Entstehung einer IC-Struktur so kleinschrittig wie möglich zu zerlegen und auf diese Weise eine Kette von funktionsfähigen Zwischenstufen zu bilden. Erst wenn dies erfolgt ist, kann geprüft werden, ob diese minimalen Schritte evolutiv überbrückbar sind. Im Falle des TTSS-Apparats und der Bakteriengeißel kann es keinen Zweifel geben, dass die Schritte bis zum TTSS-Apparat und weiter von diesem zur Bakteriengeißel nicht überbrückt sind. Dies räumt auch Miller (2004, 88) ein. Und in diesen Fällen sind die zu überbrückenden Schritte gewaltig, denn immerhin 13 Proteine des Geißelmotors sind nur dort bekannt und sonst nirgendwo in Lebewesen gefunden worden (Minnich & Meyer 2004, 8). Von was wurden sie also rekrutiert, um mit dem TTSS-Apparat zur Bakteriengeißel zusammengebaut zu werden?

Die Homologien zwischen dem TTSS-Apparat und der Geißel stellen nur ein vergleichend biologisches Argument dar, dem für sich alleine keinerlei Beweiskraft zugunsten Evolution zukommt (Junker 2002, Kap. 2) und welches vor allem nichts über Mechanismen aussagt, um die es hier (und allgemein bei ID) gerade geht. Vergleichend-biologische Betrachtungen (das Auftreten von Homologien) liefern keinen Schlüssel für Mechanismen; das IC-Argument wird durch Argumente aus der Vergleichenden Biologie gar nicht tangiert. Hinweise auf gemeinsame Abstammung sind keine Hinweise darauf, dass diese durch ausschließlich natürliche, ungerichtete Prozesse verlief (wenn es sie denn überhaupt gab). Diese eigentlich selbstverständliche Unterscheidung wird von vielen Kritikern nicht beachtet.

Schließlich sprechen Vergleiche der Gensequenzen und andere Argumente dafür, dass der TTSS-Apparat nicht eine Vorstufe der Bakterien-Geißel war, sondern allenfalls (wenn man einen phylogenetischen Kontext zugrundelegt) aus ihr hervorging (Minnich & Meyer 2004, 8; Pitman 2005). Demnach könnte – evolutionstheoretisch betrachtet – die TTSS-Pumpe aus dem Motor evolviert sein, nicht umgekehrt, und dabei einige Teile (und damit auch seine ursprüngliche Funktion) verloren haben. Schon dieser Umstand alleine macht das IC-kritische Argument in diesem Beispiel zunichte.

Insgesamt bietet der TTSS-Apparat keinerlei Anhaltspunkte für eine Kritik der IC-Argumentation anhand der Bakteriengeißel. Auf ein weiteres Beispiel (Blutgerinnungssystem) wird im PDF zu diesem Artikel eingegangen.

2.6 Kritik: Genduplikation

Als weiteren Schlüssel zum Verständnis der Evolution von IC wird auf Genduplikationen verwiesen (z. B. Orr 1996/1997; vgl. Behe 2000b). Durch Genduplikationen entstünden Gene, die zunächst noch nicht essentiell seien. Im Laufe der Zeit könnte das kopierte Gen sich ändern und eine neue, oft verwandte Funktion annehmen und schließlich essentiell werden. Dieses Szenario ist jedoch nicht experimentell belegt, sondern wird aufgrund vergleichend-biologischer Argumente theoretisch erschlossen. Das heißt: Es gibt ähnliche Proteine (wie z. B. im oben besprochenen TTSS-Sysetm und bei der Bakteriengeißel), und aufgrund des Homologie-Arguments wird daraus eine gemeinsame Abstammung abgeleitet, an deren Beginn eine Genduplikation stand. Bisherige experimentelle Studien zur Proteinevolution stützen die Vorstellung der Entstehung neuer Proteinfunktionen durch Evolutionsprozesse jedoch nicht (Leisola 2004). Der Hinweis auf das Vorkommen von Genduplikationen kann also nicht als Schwächung oder gar Widerlegung des IC-Arguments gelten. Hier gilt wiederum das, was weiter oben schon gesagt wurde: Mögliche Hinweise auf gemeinsame Abstammung (hier: Indizien auf Genduplikationen) sind an sich keine Hinweise auf zugrundeliegende Mechanismen (vgl. Behe 2000b). „To test natural selection requires much more evidence than mere sequence similarity: it requires experimentation“ (Behe 1997; Hervorhebung im Original).

2.7 Wissenschaftstheoretische Fragen

Das IC-Konzept spielt eine bedeutende Rolle im Rahmen des Arguments für Intelligent Design (ID-Argument, sieh e |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“|). Denn der Nachweis von IC gilt als ein positives Argument für das Wirken eines Urhebers. Eine Auseinandersetzung mit der Kritik des ID-Arguments bietet der Artikel |0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“|.

Ist IC empirisch prüfbar? Ob eine Struktur irreduzibel komplex ist, ist empirisch im Prinzip einfach prüfbar. Man kann jedes einzelne Element des Systems aus dem System entfernen und untersuchen, ob die Funktion wenigstens teilweise noch erhalten bleibt. Deutlich schwieriger ist die Entstehungsweise von IC und damit das mit IC verbundene Argument für ID (also das oben so genannte IC-Argument) zu prüfen. Hier wird im Kern mit einem Analogieschluss gearbeitet. Wir wissen, dass IC durch Einsatz von Intelligenz hergestellt werden kann, sei es in Laborstudien oder auch im technischen Bereich. Dieses Wissen wird aufgrund vergleichbarer Konstellationen auf die unbekannte und nicht direkt erforschbare Entstehung von IC-Strukturen in Lebewesen angewendet. (Zu diesem Analogieschluss und zur Kritik siehe ebenfalls |0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“|.)

Ist IC widerlegbar? Viele Kritiker halten das ID-Konzept für unwissenschaftlich, weil es allgemein nicht widerlegbar sei. Abgesehen von der nicht trivialen Problematik der Abgrenzung von Wissenschaft und Nichtwissenschaft (vgl. Meyer 2002) wird diese pauschale Behauptung durch solche Kritiker widerlegt, die ID-Argumente entkräften oder zu widerlegen versuchen. Dies gilt auch für das IC-Argument. Oben wurden Argumente erläutert, die als Widerlegungsversuche in die Diskussion eingebracht wurden. Damit ist klar, dass das IC-Konzept widerlegbar ist.

Wenn kritisch hinterfragt wird, ob IC und das damit verbundene ID-Argument widerlegbar ist, muss man umgekehrt auch die Frage stellen, ob die Behauptung, eine IC-Struktur sei durch Evolutionsmechanismen entstanden, widerlegbar ist. Wie sollte dies möglich sein? Man kann bei jedem Scheitern eines Versuches, IC durch bekannte Evolutionsmechanismen zu erklären, auf noch unbekannte Mechanismen verweisen. So gesehen ist das IC-Konzept grundsätzlich leichter angreifbar als die Behauptung, natürliche Mechanismen hätten eine bestimmte Struktur hervorgebracht. Daher sei die Frage in den Raum gestellt: Wie kann widerlegt werden, dass in der Vergangenheit natürliche Mechanismen IC-Strukturen hervorgebracht haben?

Die Schwierigkeit der Widerlegung liegt darin begründet, dass wir es mit vergangenen Prozessen zu tun haben. Im Artikel |1.1.3.2 Methodik der historischen Forschung| wird gezeigt, dass eine strikte Falsifizierung von Theorien, die vergangene Prozesse beschreiben, nicht möglich ist, sondern nur Plausibiltitätsbetrachtungen angestellt werden können. Die Kritik, IC sei nicht falsifizierbar, muss auch aufgrund dieses Sachverhalts relativiert werden.

Sprunghafte Entstehung einer IC-Struktur? Gegen das IC-Argument könnte man folgenden Einwand formulieren: Zwar sei unklar, wie eine IC-Struktur gradualistisch-evolutionär entstehen könne, dennoch bestehe die Möglichkeit einer sprunghaft-evolutionären Entstehung. Solche sprunghaft verlaufenden Änderungen, die zu einer zuvor noch nicht vorhandenen IC-Struktur führen, sind jedoch nicht bekannt. Hier bietet sich aber eine Widerlegungsmöglichkeit für eine naturalistische Entstehung von IC an. Denn ob graduell oder sprunghaft: Gelingt der Nachweis einer naturalistischen Entstehung einer IC-Struktur, ist das IC-Argument widerlegt.

Verhindert der Verweis auf IC Forschung? An der ID-Theorie wird weiter wissenschaftstheoretisch kritisiert, sie verhindere Forschung, weil bei offenen Fragen auf einen Urheber verwiesen werde, statt die offenen Fragen durch Forschung einer Antwort zuzuführen. Im Artikel |0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“| wird auf diesen Einwand in allgemeiner Form eingegangen. Am Beispiel von IC kann man ihn jedoch besonders gut entkräften. Wie schon gesagt steht die Feststellung von IC nicht am Anfang einer Untersuchung, sondern kann erst nach eingehender Forschung begründet werden. Am Anfang steht die Hypothese, eine Struktur könnte IC sein. Diese Hypothese muss geprüft werden; der Nachweis von IC kann erst durch Forschung erfolgen. IC kann sich durch weitere Forschung aber auch als Schein erweisen. Weitere Forschung kann also die Plausibilität des Vorliegens von IC verringern; sie kann sie aber auch erhöhen.

Das IC-Konzept ist also kein „Forschungskiller“, im Gegenteil, es regt Forschung an (wie weiter unten noch weiter gezeigt wird) und bietet für Befunde aus verschiedenen Disziplinen eine Erklärung.

Beruht das IC-Argument auf Nichtwissen? Ist zu wenig über die Evolutionsfähigkeit bekannt? Wie bei Argumenten für ID allgemein kann auch im Falle von IC argumentiert werden, dass noch zu wenig über die Evolutionsfähigkeit der Lebewesen bekannt sei, um eine naturalistische Entstehung von IC nachzuweisen. Das ist richtig, ist aber kein Argument gegen das IC-Konzept. Denn wie für alle empirisch begründeten Aussagen gilt auch für Behauptungen von IC, dass sie vorläufig sind. Es wird sich zeigen müssen, ob weitere Erkenntnisse das IC-Argument in konkreten Fällen stützen oder schwächen werden. Schon der Hinweis, man wisse möglicherweise zu wenig über die Evolutionsfähigkeit der Lebewesen, impliziert eine Prüfbarkeit des IC-Konzepts (indem man weiterforscht).

Das IC-Argument stützt sich auf Kenntnisse über den Aufbau der Lebewesen, sei es im molekularen oder im anatomischen oder einem anderen Bereich. Mangels Kenntnissen konnte Darwin über IC im molekularen Bereiche nichts wissen. Für ihn konnte es daher in diesem Bereich das IC-Argument nicht geben. Damit ist klar: Das IC-Argument stützt sich gerade nicht auf Nichtwissen, sondern kann u. U. erst durch neue Erkenntnisse nahegelegt werden. Weitere Forschung kann das Blatt freilich wenden (s.o.).

Kann bewiesen werden, dass IC nicht evolvierbar ist? Vermutlich ist dies nicht möglich, sondern es können nur Plausibilitäten abgeschätzt werden, was immer auch mit subjektiven Komponenten verbunden ist. Um zu einer Einschätzung kommen zu können, muss ein Maß für die irreduzible Komplexität gefunden werden und es muss geklärt werden, welches Ausmaß an Komplexitätssteigerung unter Erhalt der Konkurrenzfähigkeit durch bekannte Evolutionsfaktoren von einer Generation zur nächsten möglich sind. (Die Forderung „von einer Generation zur nächsten“ ist nötig, weil die Organismen nicht einige Generationen wegen Umbau schließen können, wie Günther Osche so treffend formuliert hat.) Beispielhaft wird dies in Junker & Scherer (2001, 128ff.) beim Bakterienmotor durchgeführt. Ein weiteres Beispiel diskutiert Scherer (1995). Mir ist nicht bekannt, ob Kritiker Fehler in der sehr konkreten Argumentation dieser Beispiele aufgezeigt haben.

Doch man kann sich immer auf den Standpunkt zurückziehen, es könnten noch unentdeckte Evolutionsprozesse geben, die die natürliche Entstehung von IC erklären. Daher hat Darwin (1859) nicht recht, wenn er sagt: „If it could be demonstrated that any complex organ existed which could not possibly have been formed by numerous, successive, slight modifications, my theory would absolutely break down.“ Ein solcher Unmöglichkeitsbeweis ist in einer historischen Wissenschaft nicht stringent führbar.

Erkenntniszuwachs und das IC-Argument: Fördert das IC-Konzept Forschung? Zu Darwins Zeit waren die zellulären Vorgänge weitgehend eine „Black Box“. Welche Probleme darin für eine evolutive Erklärung ihrer Entstehung liegen könnten, war damals unbekannt. Wissenszuwachs hat in diesem Bereich aber nicht zu einer Lösung der Ursprungsfrage geführt, sondern die Probleme oft erst besonders deutlich werden lassen, und diese Probleme wurden mit zunehmender Kenntnis nicht kleiner. In Behes (2004, 367) Worten: „Fifty years ago, the cell seemed much simpler, and in our innocnence it was easier then to think that Darwinian processes might have accounted for it. But as biology progressed and the imagined simplicity vanished, the idea of design became more and more compelling.“ Auch für das Paradebeispiel für irreduzible Komplexität, die Bakteriengeißel, ist für Behe die Entwicklung in diese Richtung gelaufen: Die moderne Forschung habe den Design-Gedanken motiviert statt ihn zu zerstreuen. Forschung hat also IC zutage gefördert und dieses Konzept wiederum regt insofern Forschung an, als es genaue Analysen motiviert (s.o.; damit soll nicht bestritten werden, dass es auch andere Motivationen für weitere Analysen gibt!). Wird dagegen die Möglichkeit von IC negiert, besteht die Gefahr, dass die Probleme unter den Tisch gekehrt werden statt dass man sich ihnen stellt.

Ist der Bezug auf einen Designer erlaubt? Das Argument, IC weise auf einen Urheber hin, wird häufig abgelehnt, weil damit ein Schöpfer ins Spiel gebracht werde, dessen Aktionen wissenschaftlich nicht fassbar seien. So schreibt Harold: „We should reject, as a matter of principle, the substitution of intelligent design for the dialogue of chance and necessity (Behe 1996); but we must concede that there are presently no detailed Darwinian accounts of the evolution of any biochemical system, only a variety of wishful speculations“ (zit. in Behe 2004, 356). Obwohl Harold einräumt, dass die Frage nach der Entstehung von IC ungeklärt ist, schließt er ID von vornherein aus. Dies kann nur durch eine Vorfestlegung begründet werden, nicht unter Berufung auf empirische Daten. Durch eine solche Vorfestlegung wird die Grenze zu einer nur philosophisch begründbaren Weltanschauung überschritten.

Künstliche Konstruktion irreduzibler Komplexität. Man könnte versuchen, experimentell Leben im Labor zu erzeugen oder irreduzible Komplexität herzustellen. Man kann dann ggf. sagen: So ungefähr könnten Leben oder irreduzible Komplexität entstanden sein. Wenn man überhaupt ein Ergebnis erzielen wird, wird es vermutlich lauten: Mit durchdacht konstruierten Apparaturen ist beides möglich. Man wird vermutlich herausfinden, dass man unter Einsatz von ID Leben oder wenigstens Makromoleküle oder sonstige Bausteine des Lebens erzeugen kann. Dies könnte als positive Evidenz dafür gelten, dass man ohne ID nicht auskommt.

Schlussfolgerungen. Wie kann die Evolvierbarkeit von IC bestätigt oder widerlegt werden?

Die Evolvierbarkeit von IC könnte in Zukunft durchaus nachgewiesen und das IC-Konzept damit als überflüssig erwiesen werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Es wird gezeigt, dass eine IC-Struktur ohne Funktionsverlust schrittweise reduzibel ist, d. h. dass es sich bei der betreffenden Struktur nicht um irreduzible, sondern um kumulative Komplexität handelt (vgl. Einleitung). Wie weiter oben bereits erwähnt, ist es nicht erforderlich, dies für jede Struktur nachzuweisen, die irreduzibel komplex zu sein scheint. Wenn dieser Nachweis wenigstens einmal oder einige wenige Male gelingt, so steigt die Plausibilität, dass es auch für nicht untersuchte vergleichbar komplexe Strukturen ebenfalls möglich ist.
  2. Es wird experimentell gezeigt, dass eine IC-Struktur durch bekannte Evolutionsmechanismen ohne Eingriff eines Designers entstehen kann.

2.8 Das IC-Konzept als Impulsgeber für Forschung

Das IC-Konzept regt an, genauer hinzuschauen. Nur ein detailliertes Studium eines IC-verdächtigen Systems kann zeigen, ob es wirklich IC ist, und nur die weiter verbesserte Kenntnis der Evolutionsmechanismen kann die Plausibilität einer evolutiven Entstehung einer IC-Struktur begründen, erhöhen oder verringern. Das Ergebnis steht nicht von vornherein fest.

In einer seiner Antworten auf Kritiker macht Behe (2000b) einige Vorschläge dazu, wie das IC-Konzept Forschung anregen kann. Zum einen ist es wichtig, nicht nur festzustellen, welche Teile eines Systems zum irreduziblen Kernbereich gehören, sondern es müssen auch die Teile selbst genauer auf ihre Komplexität hin untersucht werden. Weiter muss danach geforscht werden, woher die Einzelteile eines IC-Systems kommen könnten.

Behe schlägt weiter vor, IC „evolutionär“ zu definieren, das heißt, nicht den heute vorliegenden Zustand eines Systems zugrundezulegen, sondern einen hypothetischen Entstehungsweg. Dabei kann geprüft werden, ob jeder Schritt dieses Weges selektierbar ist. Wenn ein System mehrere nicht selektierbare Schritte durchlaufen muss, ist nach heutiger Kenntnis die weitere Evolution verbaut. Zu prüfen ist dabei auch, ob die neutrale Theorie der Evolution weiterhilft (vgl. die Diskussion dazu in Junker & Scherer 2001). Im diesem Sinne schlägt Behe (2000b) folgende vorläufige Definition eines irreduzibel komplexen Entstehungsweges vor:

Ein irreduzibel komplexer evolutionärer Entstehungsweg beinhaltet einen oder mehrere nicht selektierbare Schritte (d. h. eine oder mehrere notwendige, aber nicht selektierbare Mutationen). Das Maß der irreduziblen Komplexität bemisst sich an der Anzahl der nicht selektierten Schritte im Entstehungsweg.

Diese Definition hat – so Behe – den Vorteil, Forschung anzuregen: es müssen genaue, detaillierte evolutionäre Entstehungswege aufgezeigt, Mutationsraten berücksichtigt und es muss Rechenschaft über Selektionsbedingungen gegeben werden. Darauf aufbauend können Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen angeschlossen werden.

Hinweis: Weitere Details und z. T. detailliertere Begründungen finden sich im PDF (|0.4.1.4.3 Irreduzible Komplexität|) zu diesem Artikel.

Dank: Zahlreiche wertvolle Hinweise für diesen Artikel erhielt ich von Markus Rammerstorfer.

2.9 Literatur

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Behe M (1997) The sterilty of Darwinism. The Boston Review, Feb/March 1997. http://bostonreview.net/br22.1/behe.html. Zugriff am 27. 6. 05.

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Behe (2000b) In Defense of the Irreducibility of the Blood Clotting Cascade: Response to Russell Doolittle, Ken Miller and Keith Robison. www.discovery.org/scripts/viewDB/index.php? command=view&id=442

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Im Zusammenhang mit dem Design-Ansatz wird eine Reihe theologischer Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel: Wird mir dem Design-Ansatz ein Gottesbeweis angestrebt? Wird Gott zum Lückenbüßer degradiert? Wie kann man Unvollkommenheiten in der Schöpfung verstehen? Wenn im Rahmen des Design-Ansatzes keine Aussage über Gott gemacht wird, welchen theologischen Wert hat dieser Ansatz dann? Im welchem Zusammenhang steht der Design-Ansatz zu dem Gott, den die Heilige Schrift bezeugt?

Autor: Reinhard Junker, 09.09.2005

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0.4.1.7 Design und Theologie

1.0 Inhalt

Im Zusammenhang mit dem Design-Ansatz wird eine Reihe theologischer Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel: Wird mir dem Design-Ansatz ein Gottesbeweis angestrebt? Wird Gott zum Lückenbüßer degradiert? Wie kann man Unvollkommenheiten in der Schöpfung verstehen? Wenn im Rahmen des Design-Ansatzes keine Aussage über Gott gemacht wird, welchen theologischen Wert hat dieser Ansatz dann? Im welchem Zusammenhang steht der Design-Ansatz zu dem Gott, den die Heilige Schrift bezeugt? Um Fragen dieser Art geht es in diesem Artikel.

1.1 Einleitung

Naturwissenschaftliche und wissenschaftstheoretische Aspekte des Design-Ansatzes werden in den Artikeln |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“| und |0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“| behandelt.

1.2 Der Design-Ansatz und Apologetik

Apologetik ist die Auseinandersetzung mit Einwänden gegen Inhalte des christlichen Glaubens. Damit sollen aber nicht die Glaubensinhalte als wissenschaftlich wahr demonstriert werden. Diese können sich bestenfalls als wahrscheinlich erweisen, und oft kann man nur Angriffe gegen die geglaubten Inhalte abwehren. An dieser Stelle liegt der apologetische Wert des Design-Ansatzes. Mit guten Design-Argumenten kann man zeigen, dass die Behauptung, für den biblischen Schöpfungsglauben gebe es keinerlei naturwissenschaftlich nachweisbare Anhaltspunkte, nicht stimmt. Ein wissenschaftlich gültiger Beweis für Schöpfung oder ein Gottesbeweis wird damit aber nicht angestrebt. Gott muss und kann nicht durch das Studium seiner Werke bewiesen werden. Dass Gott Schöpfer ist, wissen wir zuallererst aus seiner Offenbarung im biblischen Wort. Aber da dieses Wort angefochten wird, ergibt sich die Aufgabe, sich mit den Einwänden zu befassen. Der christliche Glaube beinhaltet einen ausgeprägten Bezug zur gegenständlichen Welt und diese Beziehung wirft oft kritische Fragen auf. Der Realitätsbezug des christlichen Glaubens macht ihn angreifbar. Man kann z. B. historische Fakten, auf die sich der Glaube bezieht (z. B. das Wirken Jesu) mit historischen Argumenten bestreiten. Dann ist eine Gegenkritik gefragt. Daher hat christliche Apologetik ihr volles Recht.

Im Rahmen des Design-Ansatzes bleibt die genaue Identität des Schöpfers offen. Wer dieser Gott ist, kann durch Naturbetrachtung nur ansatzweise beantwortet werden. Paulus schreibt im 1. Kapitel des Römerbriefs, dass an den Werken der Schöpfung die Macht und Größe Gottes erkannt werden können, nicht aber die Attribute und die Taten Gottes. Die Menschen brauchen mehr Wissen über Gott als die Erkenntnis seiner Größe in der Schöpfung, um in eine Beziehung zu ihm treten zu können. Wenn sich aber gerade heute viele Menschen mit Verweis auf die Schöpfungsfrage der Erkenntnis Gottes verschließen und der Weg zu einer persönlichen Beziehung zu Gott gleichsam im Vorfeld schon verbaut ist, kann der Hinweis auf nachvollziehbare Argumente durchaus eine Hilfe sein. Die „Wegweiser“ in der Schöpfung verdienen Beachtung und darin liegt der apologetische Wert des Design-Ansatzes. „Wenn der Gott der Bibel der Schöpfer des Universums ist, dass ist es nicht möglich, die Prozesse der Natur vollständig oder auch nur angemessen ohne Bezugnahme auf Gott zu verstehen. Wenn im Gegenteil die Natur angemessen verstanden werden kann ohne Bezugnahme auf den Gott der Bibel, dann kann Gott nicht der Schöpfer des Universums sein und konsequenterweise kann er nicht wahrhaft Gott sein und man kann ihm auch nicht vertrauen als Quelle moralischer Lehre“ (Pannenberg 1993, 16).

Nimmt man die biblischen Beschreibungen der Schöpfermacht und das biblische Zeugnis vom besonderen Schöpferwirken ernst, ist der Design-Ansatz also offenkundig theologisch legitimiert. Natürlich ersetzt die durch das Betrachten der Schöpfung gewonnene Erkenntnis nicht den Schritt des persönlichen Glaubens.

Wichtig ist noch: Beim Design-Ansatz geht es nicht um die Frage, wie die leidvollen Seiten der Schöpfung verstanden werden können. Diese für die christliche Theologie unabweisbare Frage wird an dieser Stelle nicht behandelt; es sei auf die Artikel unter |0.5.2.0 Sündenfall und Biologie| verwiesen.

1.3 Erstursache und Zweitursachen

Wer an einen Schöpfer glaubt und zugleich den Design-Ansatz ablehnt, kann Gottes schöpferisches Wirken ausschließlich als indirektes Geschehen begreifen. Gott hätte sich demnach nur der Zweitursachen bedient, um die Schöpfung ins Dasein zu bringen, die innerhalb des Systems nicht als teleologisches Wirken erkennbar wären. Ist ein solches Schöpfungsverständnis biblisch begründet? Die Bibel bezeugt Gott als souveränen Herrn der Schöpfung und der Geschichte und als einen Gott, der sich den Menschen offenbart, vor allem in der Menschwerdung Jesu, die in Raum und Zeit geschah. Kann man alleine schon vor diesem Hintergrund vertreten, dass Gott sich ausschließlich der Zweitursachen bedient und nie direkt eingreift? Dass die Zweitursachen auch in Beziehung zu Gottes Wirken bestehen, ist unbestritten. Schon der Schöpfungsbericht macht dies deutlich, wenn es heißt, dass die Erde Gras und Kraut hervorbringen und dass das Wasser von Lebewesen wimmeln solle. Allerdings gehören hier die Zweitursachen in die Schöpfungswerke hinein, deren Vollendung am Ende des jeweiligen Schöpfungstages mit der Wendung „und es geschah so“ gemeldet wird; ferner wird die Vollendung der Schöpfungswerke als Zusammenfassung des Schöpfungsberichts auch an anderen Stellen des AT im Sinn eines „im Nu“ kommentiert: „Er spricht und es geschieht“ (Psalm 33,9; vgl. Psalm 148,5; Jesaja 48,13). Ebenso macht Jesus in der Bergpredigt deutlich, dass die gewöhnlichen Naturvorgänge und Gottes Handeln zusammengehören. Das ist kein strittiger Punkt, sondern die Frage, ob sich Gottes Wirken im indirekten Handeln erschöpft. Und dagegen spricht biblisch gesehen Vieles. Neben den bereits genannten Aspekten sind hier die Taten Jesu und seiner Jünger zu nennen, wie sie in den Evangelien und in der Apostelgeschichte beschrieben werden. Die spontane Heilung Schwerkranker oder die Auferweckung Toter auf ein bloßes Wort hin sind kaum als indirektes Wirken begreifbar. Wenn die biblische Offenbarung Gott aber als direkt handelnden Schöpfer bezeugt, ist es kein großer Schritt mehr, Gottes Wirken in der Schöpfung auch im direkten Sinne zu verstehen. Die Parallelen zwischen dem Handeln Jesu und dem schöpferischen Wirken Gottes, wie es im Alten Testament beschrieben wird, sind augenfällig, und gerade diese Parallelen sind es ja, die Jesus Christus als Gott selbst ausweisen. Beispielhaft sei noch einmal an Psalm 33,9 erinnert (s. o.). Genau dieses augenblickliche Erschaffen sehen wir bei Jesus Christus. Gott wird im AT als Herr über die Naturgewalten beschrieben. Auch hier findet sich eine Parallele zum Handeln Jesu: „Wer ist der, dem sogar Wind und Wellen gehorchen?“ (Mk 4,41) Die Sturmstillung Jesu wird in den Evangelien nicht als ein Ereignis beschrieben, in dem nur Zweitursachen gewirkt haben. Die Parallelen zum schöpferischen Handeln Gottes sind offenkundig.

1.4 Das angebliche Lückenbüßer-Problem

Einer der Haupteinwände gegen den Design-Ansatz lautet, es werde mit „Nichtwissen“ und mit (gegenwärtigen) Grenzen unseres Wissens argumentiert. Man könne aber nicht aus Nichtwissen auf das Wirken eines Urhebers schließen (vgl. |0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“|, wo gezeigt wurde, dass das Nichtwissen-Argument in grundlegendes Wissen eingebettet ist und dadurch seine Kraft hat).

Das Nichtwissen-Argument wird nun aber auch in theologischer Hinsicht eingebracht. So schreibt Kotthaus (2003, 59): „Tatsächlich verkommt Gott […| zu einem Lückenbüßer, zu einem Erklärungsansatz dessen, was nicht verstanden wird, der aber verschwindet, sobald das Problem durchdacht werden kann.“ Dieser Einwand kommt auch regelmäßig von Theologen. So sagte Bischof Wolfgang Huber in einer Rede über Bonhoeffer: „Die Stärke von Bonhoeffers Theologie im Ganzen hat damit zu tun, dass er keine Angst vor der Moderne hat. […| Lücken des jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstands zu nutzen, um in ihnen einem als Lückenbüßer verstandenen Gott noch eine Funktion zuzuweisen, ist […| intellektuell unredlich“ (Huber 2006). Der Design-Ansatz gilt für viele daher auch als schlechte Theologie.

Doch so einfach ist der Sachverhalt nicht. Zunächst muss man sich in Erinnerung rufen, dass das zielorientierte Wirken eines Schöpfers Lücken in naturalistischen Erklärungen implizieren kann. Es ist also durchaus zu erwarten, dass die Tätigkeit eines Designers aus der Perspektive naturalistischer Erklärungen den Eindruck von „Lücken“ erweckt. „Lücken“ bedeuten dabei nicht ein paar offene untergeordnete Fragen, sondern kennzeichnen einen grundsätzlichen Mangel. Strukturen, die nur teleologisch erklärbar sind, offenbaren sich notwendigerweise durch eine „Lücke“ in solchen Erklärungen, die Teleologie ausschließen. Natürliche Prozesse können nichts verursachen, was auf Ziele hin gerichtet ist (man denke wieder an die Faustkeile). Zielorientierung aber ist typisch für Akteure. Die Suche nach prinzipiellen Erklärungslücken der Naturwissenschaft ist daher nicht „leidig“ (Hemminger 2007, 62), sondern folgerichtig; und es gibt keinen Grund, die Existenz solcher Lücken von vornherein auszuschließen. Diese Suche erübrigt sich nur bei Annahme einer kausal geschlossenen Sicht über die Gesamtwirklichkeit. Von Wachter (2007, 381f.) hält das Lückenbüßer-Argument für nicht haltbar. „Jedes Eingreifen Gottes auszuschließen ist genauso falsch wie die Annahme eines Eingreifens Gottes bei jedem Ereignis, für das wir keine natürliche Erklärung haben.“ Es seien die Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen möglichen Erklärungen abzuwägen, und die beste Erklärung sei anzunehmen.

Um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen, sei angemerkt, dass die Vorstellung von einer creatio continua von dieser Argumentation unberührt ist und dass die Suche nach Erklärungslücken keineswegs impliziert, dass die naturgesetzlichen Abläufe ohne Gott funktionieren. Es geht nicht um eine Entgegensetzung von natürlichem Ablauf und Handeln Gottes und es wäre theologisch verkehrt, das Reden von Gottes Handeln auf solche Fälle zu beschränken, in denen das Fehlen natürlicher Ursachen plausibel ist. Es geht beim Design-Ansatz aber um die creatio originalis (also um die Urschöpfung am Anfang) und um damit die Frage, ob es Hinweise auf Gottes besonderes Eingreifen gibt.[1| Gottes Wirken manifestiert sich nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift auch in den Gesetzmäßigkeiten der Natur, doch das ist nicht der Gegenstand des Design-Ansatzes.

Wenn sich in naturalistischen Erklärungen trotz allen Wissensfortschritts markante Lücken zäh halten oder sogar noch größer bzw. deutlicher werden (das ist ein Teil der Design-Apologetik), stützt dies die Annahme eines direkten Eingreifens Gottes in der creatio originalis (1. Mose 1). Dass das Lücken-Argument zusammenbrechen könnte, macht es nicht schlecht; im Gegenteil, es zeigt sich gerade daran sein Realitätsbezug. Und es wird dann stark, wenn es sich gegen immer neue Anläufe naturalistischer Erklärungsversuche behaupten kann. Könnten aber alle Ursprungsfragen rein naturgesetzlich erklärt werden, bliebe für Gott nur noch die Rolle des Uhrmachers oder „Ur-Machers“ übrig, der am Anfang alles so eingerichtet hat, dass sich der Kosmos und das Leben von alleine entwickeln konnten, und der ansonsten den Bestand der Welt garantiert (creatio continua). Das wäre nicht der souveräne Schöpfer, den die Heilige Schrift offenbart – von den theologischen Problemen einer „theistischen Evolution“ ganz zu schweigen, die hier nicht thematisiert werden sollen (dazu siehe |0.5.1.2 Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament|).

Ein Eingreifen Gottes ist dabei nicht so zu verstehen, als wäre Gott ein weiterer Kausalfaktor neben anderen. Gottes Wirken ist vielmehr Ausdruck einer übergeordneten Instanz, die sich die innerweltlichen Kausalmechanismen beliebig zunutze machen kann, ähnlich wie ein Konstrukteur über dem von ihm gestalteten Material und seinen Gesetzmäßigkeiten steht. Gottes Wirken ist mehr als bloße Kausalität, nämlich Finalität bzw. Teleologie. Es ist plausibel, Gottes Wirken als Technik-analog bzw. Informations-analog und damit Intelligenz-analog, also final bzw. teleologisch aufzufassen. Das „Eingreifen“ Gottes kann beispielsweise bedeuten, dass Gott Ausgangszustände (fertige Arten von Lebewesen) und die ihnen eignenden Variationsmechanismen hervorbringt.

Der Design-Ansatz kann scheitern (durch den Nachweis plausibler Mechanismen, die Design-Indizien hervorbringen können. Man könnte dann zwar nach wie vor glauben, dass Gott geschaffen hat; doch gäbe es in diesem Fall keine naturwissenschaftlich nachweisbaren Hinweise auf das Wirken eines Schöpfers. Daher wäre es verkehrt, den Schöpfungsglauben an äußeren Kennzeichen der Lebewesen festmachen zu wollen. Der biblische Schöpfungsglaube gründet in jedem Fall in der Offenbarung Gottes in seinem Wort. Andererseits darf die Gefahr der falschen Fundierung des Schöpfungsglaubens nicht dazu führen, den Design-Ansatz als nutzlos abzutun. Methodisch sauberer Design-Ansatz kann die Vernünftigkeit des Schöpfungsglaubens ein Stück weit mit naturwissenschaftlichen Argumenten demonstrieren, weil er rational kontrollierbare Bedingungen nennt, die seine Aussagen stützen können (nämlich wenn sich bei zunehmendem Wissen die Erklärungslücken hartnäckig halten oder sogar größer werden). In einer wissenschaftsgläubigen Welt sollte man das nicht verachten.

1.5 Die Kennzeichen von Gottes schöpferischem Wirken

Der SD-Ansatz („spezifisches Design“) nimmt Bezug auf die Identität des Designers und auf die mutmaßlichen Kennzeichen seines Designs (vgl. |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“|). Damit wir Designer-Indizien überhaupt erkennen können, benötigen wir eine Vorstellung davon, wie solche Design-Kennzeichen aussehen könnten. Dabei können wir uns nur an dem orientieren, welche Designer-Erfahrungen wir haben, und das sind Erfahrungen, wie wir sie mit menschlicher Designertätigkeit machen. Es hat sich gezeigt, dass von menschlicher Tätigkeit bekannte Kennzeichen von Design auch bei den Lebewesen (trotz mancher Unterschiede) gefunden werden. Soll nun ein Bezug zum schöpferischen Wirken Gottes hergestellt werden, stellt sich die Frage, wie und woran wir das Design Gottes erkennen können. Schließlich können wir sein schöpferisches Wirken nicht beobachten und wir haben auch keinen Zugang zu seinen Bauplänen. Wenn sich der Design-Ansatz bewährt, stellt sich daher für Christen immer noch die Frage, mit welcher Begründung das erkannte Design der Lebewesen dem in der Bibel bezeugten Schöpfer des Himmels und der Erde zugeschrieben werden kann.

Hier muss man die Annahme treffen, dass das göttliche Design dem menschlichen teilweise ähnlich ist. Ist dies biblisch begründbar? Gibt es biblische Aussagen über Gott als Schöpfer, die es rechtfertigen, Gottes schöpferisches Wirken mit menschlicher kreativer Tätigkeit zu vergleichen? Das kann durchaus bejaht werden, denn der Mensch ist zum Bilde Gottes (1. Mose 1,27) und als Gegenüber Gottes geschaffen, das mit Gott kommunizieren kann. Gott spricht mit dem Menschen. Kommunikation setzt Ähnlichkeit voraus. Schöpfung im biblischen Sinne heißt auch: Alle Gaben des Menschen kommen von Gott, auch seine Kreativität. Dies alles legt eine gewisse Ähnlichkeit auch im schöpferischen Wirken Gottes und des Menschen nahe. In der Bergpredigt vergleicht Jesus die Pracht der Kleidung Salomos mit der Schönheit der Lilien (Mt 6,29). Die Schöpfung ist noch überaus prächtiger als menschliche Werke; ein solcher Vergleich setzt Vergleichbarkeit voraus. Überhaupt gebrauchen Jesus und die biblischen Autoren häufig Vergleiche mit der Natur, um dem Menschen Wahrheiten über Gott nahezubringen. Dass wir diese Vergleiche verstehen, zeugt ebenfalls von einer Ähnlichkeit zwischen Gott und Mensch.

Dazu noch ein Beispiel: Die Heilige Schrift bezeugt, dass Gott reichlich und im Überfluss gibt (das war schon im Garten Eden so), mehr als unbedingt nötig (vgl. z. B. Luk. 6,38). Vor diesem Hintergrund ist es durchaus naheliegend, nach Kennzeichen von Überfluss und Luxus auch in der Schöpfung zu suchen. Das Design-Indiz der spielerischen Komplexität (vgl. |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“| dort Abschnitt „Design-Indizien“|) passt daher gut zum Gott der Bibel.

1.6 Design-Fehler

Als ein Standardeinwand gegen den Design-Ansatz werden Unvollkommenheiten, Konstruktionsfehler, Design-Fehler und Mängel aller Art ins Feld geführt, die sich an den Lebewesen zeigen sollen. Entsprechend wird das sogenannte „Unvollkommenheits-Argument“ gegen den Design-Ansatz verwendet, indem argumentiert wird, dass ein Schöpfer vermeintlich fehlerhafte Konstruktionen nicht verwirklicht hätte, wenn er sie tatsächlich erschaffen hätte. Im Kern handelt es sich also um ein theologisches Argument, da es nicht ohne Aussagen (bzw. Mutmaßungen) über die Handlungsweise eines Schöpfers auskommt. Unvollkommene Konstruktionen seien mit einem Schöpfungsglauben unvereinbar, denn ein vernünftiger Schöpfer würde dergleichen niemals erschaffen. Es handelt es sich um ein Argument auf der Basis von SD („spezifisches Design“), denn es müssen konkrete Vorstellungen über die Attribute und das Wirken des Designers zugrundegelegt werden.

Da dieses Thema im Artikel |0.4.2.1 Argumente gegen Design| behandelt wird, sollen hier nur die wichtigsten Argumente gegen das Unvollkommenheitsargument kurz erläutert werden (vgl. auch Junker [2002| und Rammerstorfer [2006, 67-92|).

Unvollkommenheiten widersprechen intentionalem Design nicht. Selbst wenn bestimmte Konstruktionen der Lebewesen fehlerhaft wären, würde dies nichts an den diskutierten Argumenten für Design ändern. Die Fülle hervorragender Konstruktionen, die einer Erklärung bedürften, wäre damit nicht aus der Welt geschafft. Für sie wäre Design eine begründete Option. Außerdem widerspräche fehlerhaftes Design nicht einem intentionalen Design. Beim Design-Ansatz geht es zunächst um die Frage, ob Anzeichen einer Planung erkennbar sind, nicht um die Frage, wie gut der Designer „gearbeitet“ hat. Die Frage nach der Qualität des Designs ist erst von Interesse, wenn der Designer spezifiziert wird (z. B. als der Gott der Bibel).

Nachweis von Unvollkommenheit. Das „Unvollkommenheits-Argument“ ist darüber hinaus problematisch, weil es nur sticht, wenn die Unvollkommenheit auch nachgewiesen oder wenigstens plausibel gemacht werden kann. Das Unvollkommenheits-Argument steht und fällt mit dem Nachweis, dass die betrachtete Struktur besser konstruiert werden könnte. Dieser Nachweis aber gestaltet sich als äußerst schwierig, wenn nicht als unmöglich. Das gilt insbesondere auch für das „Paradebeispiel“ von vermeintlicher Unvollkommenheit: die inverse Lage der Netzhaut der Linsenaugen der Wirbeltiere. Die Forschung hat schon seit Jahrzehnten zahlreiche funktionale Gründe für den Bau und die Lage der Netzhaut nachgewiesen, so dass ein Konstruktionsfehler nicht nachweisbar ist; das scheint eher in die Konstruktion hineingelesen zu werden (zusammenfassende Darstellung dazu in Ullrich et al. 2006, http://www.si-journal.de/index2.php?artikel=jg13/heft1/sij131-1.html; vgl. auch Ullrich 2008, http://www.si-journal.de/index2.php?artikel=jg15/heft1/sij151-4.html).

Aber auch wenn die Funktionalität eines Organs nicht vollständig geklärt ist, kann man allenfalls von möglichen Hinweisen auf Unvollkommenheiten sprechen; das „Unvollkommenheits-Argument“ ist in jedem Fall ein „weiches“ Argument, da es jederzeit durch Erweiterung der Funktionskenntnisse des jeweils in Rede stehenden Organs widerlegt werden kann. Außerdem ist ein echter Vergleich zwischen der realen Ausprägung eines vermeintlich fehlerhaften Organs und einem fiktiven, vermeintlich besser konstruierten Organ gar nicht möglich. Erst ein solcher Vergleich könnte die Überlegenheit einer anderen als der verwirklichten Konstruktion demonstrieren.

Der Teil und das Ganze. Die Organe der Lebewesen sind in der Regel polyfunktional. Sie üben gleichzeitig verschiedene Funktionen aus. Das bedeutet notwendigerweise, dass nicht jede einzelne Struktur für jeden Zweck, den sie erfüllt, optimal sein kann. Kompromisse sind unvermeidlich. Ein Urteil über die Vollkommenheit eines Organs kann nur gefällt werden, wenn der Organismus als Ganzes im Blick ist. Dabei muss auch seine Ontogenese berücksichtigt werden. Die isolierte Betrachtung einzelner Organe ist verfehlt, erst recht, wenn diese im Hinblick auf nur eine von eventuell mehreren Funktionen bewertet werden.

Grundtypen und Mikroevolution. Wenn mutmaßliche Unvollkommenheiten durch mikroevolutive, degenerative Prozesse im Grundtyprahmen erklärbar sind (vgl. Junker & Scherer 2006, Junker 2006), sind sie auch im schöpfungstheoretisch interpretierten Grundtypmodell (vgl. |0.3.2.1 Heutige Grundtypen| erklärbar und können in diesem Rahmen durchaus auch erwartet werden.

Theologische Aspekte. Das Argument der Unvollkommenheit kann nur im Zusammenhang mit Mutmaßungen über die Handlungsweisen eines Schöpfers formuliert werden; mehr noch: Es kann nur auf der Basis bestimmter Gottesvorstellungen formuliert werden. Wer dieses Argument (trotz der vorgenannten Kritikpunkte) nutzt, sollte angeben, welches Schöpfungsverständnis und welches Gottesbild zugrundegelegt werden. Im Rahmen einer an der Bibel orientierten Schöpfungslehre ist zu bedenken, dass nach biblischen Aussagen die heutige Schöpfung von einer ursprünglichen unterschieden wird. Während die Schöpfung heute als „unter der Knechtschaft der Vergänglichkeit seufzend“ geschildert wird (Römer 8,19ff.), gab es in der ursprünglichen Schöpfung keinen Tod (vgl. Junker 1994, Stephan 2005; 2007). Vom Menschen wird dies explizit gesagt; von der Tierwelt indirekt. Eine seufzende, geknechtete Schöpfung – auch die außermenschliche – ist nicht identisch mit der ursprünglichen (eine detaillierte Betrachtung dazu bietet Chang 2000). Naturwissenschaftlich untersuchbar ist aber nur die heutige Schöpfung, einschließlich der fossil erhaltenen Zeugnisse. Die ursprüngliche Schöpfung (der „Urstand“) ist hingegen dem forschenden Zugriff des Menschen grundsätzlich entzogen. Aus der Struktur der heutigen Schöpfung kann daher nicht unmittelbar auf Gottes ursprüngliches Schöpfungshandeln geschlossen werden (vgl. dazu Junker 1994, dort Abschnitt 5.2). Damit ist dem Argument der Unvollkommenheit im Rahmen einer biblischen Theologie der Boden entzogen. (Siehe dazu auch |0.5.2.2 Biblische Aussagen zur Existenzweise der Lebewesen|.)

1.7 Das biblische Schöpfungsverständnis als Voraussetzung für Wissenschaft

Der Design-Ansatz wird von vielen Kritikern als wissenschaftshemmend oder gar als wissenschaftsfeindlich betrachtet. Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte zeigt jedoch, dass ein wichtiger Ursprung der modernen Naturwissenschaft in der Akzeptanz des biblischen Wirklichkeitsverständnisses liegt. Denn aufgrund biblischer Schöpfungsaussagen wurde die Welt gerade nicht als von willkürlich agierenden Göttern beherrscht betrachtet. Vielmehr geht es gemäß christlicher Schöpfungsanschauung in der Welt mit regelhaften Abläufen zu, die erforschbar sind, weil die Welt von Gott geschaffen wurde und von ihm nach Ordnungen regiert wird; das garantiert Regelhaftigkeiten (biblische Grundaussagen dazu sind Genesis 8,22 sowie Jeremia 31,35f. und 33,25). Dieses Weltverständnis war geschichtlich der Ausgangspunkt für die Naturwissenschaft, wie wir sie heute betreiben (vgl. Jaeger 2007; Schaeffer 2000, 127ff.). Kausalität wurde aufgrund der Rationalität Gottes erwartet, aber die Kausalität wurde in ein offenes System eingebettet: „Diese modernen Wissenschaftler, die auf einer christlichen Grundlage aufbauten, glaubten an die Gleichförmigkeit natürlicher Kausalität in einem offenen System, oder, wie man es auch ausdrücken kann, die Gleichförmigkeit natürlicher Ursachen in einer begrenzten Zeitspanne. Gott hatte ein Universum geschaffen, in dem das Kausalitätsprinzip gilt; deshalb läßt sich aus der Wirkung etwas über die Ursache herausfinden. Aber (und dieses Aber ist von größter Bedeutung) es ist ein offenes Universum, weil sich Gott und der Mensch außerhalb der Gleichförmigkeit natürlicher Ursachen befinden“ (Schaeffer 2000, 138; Hervorhebungen im Original).

Wissenschaft sei gerade in einer geschaffenen Welt möglich, so Jaeger (2007). Denn die von Gott eingesetzte Ordnung und seine Herrschaft durch die Zweiten Ursachen ermögliche Regelmäßigkeiten des Weltgeschehens und die Unveränderlichkeit ihrer Ordnungen. Einige Passagen der Bibel drücken auch explizit die Überzeugung aus, „dass die Gesetze der Schöpfung universell sind“ (S. 61). „Diese Universalität leitet sich aus dem biblischen Monotheismus ab“, denn alles ist seiner Herrschaft unterstellt, und nur ein allmächtiger Schöpfer „kann die Stabilität der im Schöpfungsakt eingesetzten Ordnungen garantieren“ (S. 62). Diese Ordnung ist für den Menschen verstehbar und der Garant für erfolgreiche wissenschaftliche Forschung. „Da Gott sowohl die Natur als auch den menschlichen Geist erschaffen hat, garantiert dieser gemeinsame Ursprung, dass zumindest einige Facetten der geschaffenen Ordnung für den Menschen zugänglich sind“ (S. 65).

Hier ist die Unterscheidung der Wie-Frage und der Woher-Frage wichtig. Die Erforschung des „Wie“ wird durch den Schöpfungsglauben motiviert; für das „Woher“ dagegen folgen Grenzen des Erforschbaren, wenn Gott durch sein Wort geschaffen hat, wie es die Heilige Schrift bezeugt. Wo diese Grenzen liegen, steht aber nicht im Vorhinein fest, sondern kann nur durch Forschung ausgelotet werden. Genau das ist das Programm des Design-Ansatzes.

1.8 Lenkt der Designer die Evolution?

Von Kritikern des Design-Ansatzes wird das zielorientierte Wirken des Designers oft so verstanden, als würde der Schöpfer in den normalerweise gesetzmäßig verlaufenden Evolutionsvorgang gelegentlich eingreifen. Manche Äußerungen von ID-Befürwortern legen ein solches Verständnis nahe, auch wenn es nicht explizit so gesagt wird. Eine andere Möglichkeit, Design mit Evolution zu kombinieren, ist die Idee einer weitgehenden Vorprogrammierung („front loading“, vor allem von Gene [2007| vertreten). Damit ist gemeint, dass das Leben nach Plan evolutionsfähig geschaffen wurde, so dass die gesamte Vielfalt des Lebens aus einem ersten, genial vorprogrammierten Lebewesen entstanden ist. Man könnte das mit einer Fabrik vergleichen, in der Autos durch Roboter produziert werden (Lennox 2007, 186). Die Autos erwecken zwar den Eindruck, dass sie durch Menschenhand gebaut worden seien, das menschliche Design wäre aber nur indirekt wirksam (wenn auch dadurch umso erstaunlicher). Kann man ein solches indirektes Design auf Evolution anwenden? (Makro-)Evolution wäre in diesem Fall nicht Ergebnis ungerichteter Veränderungen und der Selektion, sondern letztlich Resultat einer vorausschauenden Planung.

Eine Deutung der Evolution durch „Front loading“ hätte allerdings genausowenig empirische Befunde über Evolutionsmechanismen auf ihrer Seite wie eine Makroevolution durch ungerichtete Prozesse. „Front loading“ (d. h. programmierte Evolutionsmechanismen) und ungerichtete Mutationen, die größtenteils ausselektiert werden müssen, scheinen sich gegenseitig auszuschließen. Die empirisch nachweisbaren Variationsmechanismen durch eine hypothetische Vorprogrammierung zu ergänzen, würde bedeuten, dass die vorprogrammierten Schritte sich gegen ein Übermaß an negativen Veränderungen durchsetzen müssen. Oder kurz: Es fehlt ein Algorithmus, der zur Entstehung neuer Konstruktionen (Makroevolution) führt.

Design kann man, muss man aber nicht mit Evolution zusammenbringen. Design-Argumente wie die im Artikel |0.4.1.1 Einführung in „Intelligent-Design“| besprochenen passen natürlich bestens zur Grundtypenbiologie der Schöpfungslehre, wonach polyvalente Grundtypen in komplexer Ausprägung geschaffen wurden (vgl. |0.3.2.4 Genetisch polyvalente Stammformen von Grundtypen|). Das schließt ein, dass „Design-Indizien“ in den geschaffenen Grundtypen bereits verwirklicht waren. (Mikro-)Evolution ist demnach nur auf der Basis geschaffener Grundtypen möglich, die Variationsprogramme enthalten, die ihnen eine große Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verschaffen.

Ein weiterer Aspekt: Den Evolutionsprozess als Vorgang der Schöpfung zu sehen (ob vorprogammiert oder nicht) würde über das Gesagte hinaus bedeuten, dass nach heutigem Verständnis das Wechselspiel von Mutation und Selektion der zentrale Mechanismus ist. Beide Faktoren sind mindestens notwendige Voraussetzungen für Evolution, vielleicht – auch im Rahmen des Evolutionsparadigmas – keine hinreichenden. Eine Evolutionsvorstellung ohne diese beiden Faktoren ist jedenfalls nicht in Sicht. Aus theologischer Sicht ist das aber sehr fragwürdig, denn die ungerichteten Mutationen führen unbestritten in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle zu Defekten, die selektiv wieder eliminiert werden müssen. Mit biblischen Charakterisierungen des Schöpfungshandelns Gottes ist das kaum zu vereinbaren, da Gottes schöpferisches Wirken durch Kraft, Weisheit und Einsicht gekennzeichnet wird (z. B. Jer 10,12), als gewirkt durch seinen Willen (z. B. Mk 1,40-42; Offb 4,11) und als augenblickliches Geschehen (Ps. 33,9, Mk 1,40-42). Diese Kennzeichen erscheinen mit den realen, bekannten Variationsmechanismen unvereinbar, wenn sie als Schöpfungsprozesse interpretiert werden. Dazu kommen die an anderer Stelle ausführlich diskutierten Probleme, wenn man die biblische Heilsgeschichte mit einer evolutiven Weltsicht zu harmonisieren versucht (siehe |0.5.1.2 Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament|).

1.9 Denken Befürworter des Design-Ansatzes zu gering von Gott?

An die Adresse der Befürworter des Design-Ansatzes wird häufig der Vorwurf gerichtet, sie dächten zu gering von Gott. Gott werde viel größer gedacht, wenn er einen Prozess entworfen habe, in dessen Verlauf von alleine die ganze Vielfalt des Lebens entstanden sei (Evolution), als wenn er wie ein Handwerker herumgeflickt habe. Die Frage, was größer von Gott gedacht sei, ist jedoch ausgesprochen subjektiv und vor allem nicht relevant; für einen Theisten stellt sich vielmehr die Frage, ob wir etwas darüber wissen können, wie Gott geschaffen hat, weil er es geoffenbart hat. Maßgeblich ist die Offenbarung Gottes, nicht wie wir über Gott denken.

Aber davon abgesehen: Manifestiert sich in der Evolution eine „Schöpfungsmethode“, in der sich die Größe Gottes besonders zeigt? Ist eine Methode, die auf ungerichteten und großenteils schädlichen Mutationen beruht, die in fast allen Fällen mühsam und langwierig durch Selektion wieder ausgemerzt werden müssen, wirklich genial? Ist eine Methode, die auf Jahrmilliarden Jahre langes Leiden und Sterben der Organismen setzt, bewunderungswürdig? Handelt es sich dabei um einen Vorgang, den man mit „Kraft“, „Weisheit“ und „Einsicht“ Gottes als Schöpfer (Jer 10,12) charakterisieren kann? Die Stammesgeschichte verläuft quälend langsam, mühsam, mit einer Fülle von Sackgassen und andauernd durch Leid und Tod.

Vertreter einer theistischen Evolution scheinen diese Problematik zu übersehen. Es gehört zu den theologischen Standardkritiken, die an die Adresse der Befürworter des Design-Ansatzes gerichtet werden, dass nach ihren Vorstellungen Gott doch recht stümperhaft gearbeitet hätte (s. o.). Dabei wird nun aber übersehen, dass der Einwand der „Inkompetenz“ eines Designers (Miller 2000, 102) immer auch einen durch Evolution schaffenden Gott trifft, gleichgültig, ob man den Design-Ansatz ablehnt oder nicht. Denn wenn Lebewesen tatsächlich Konstruktionsmängel hätten, wäre der Designer auch dann für sie verantwortlich, wenn er sie durch Evolution geschaffen hätte, und die oben genannten Probleme kämen noch dazu. Das gilt erst recht für moralische Mängel, auch diese wären ein Ergebnis der Evolution und mithin dem Wirken des Schöpfers entsprungen, wenn sich durch Evolution die Schöpfung vollzieht.

2.10 Fazit

Der christliche Glaube baut auf das Wort Gottes und nicht auf Argumente. Da Gott der Schöpfer und der Herr der Geschichte ist, sind Aussagen des Glaubens nicht losgelöst von der gegenständlichen Welt. Diese Tatsache wirft Fragen nach der Verhältnisbeziehung zwischen dem in der Bibel gegebenen Wort Gottes und den Daten der Natur- und Geschichtswissenschaft auf. Insbesondere ist angesichts einer geschaffenen Welt die Frage legitim, ob und wie Spuren von Gottes schöpferischem Wirken erkannt werden können. Das gilt umso mehr, als die Schöpfung nach Römer 1,19ff. als Wegweiser auf die ewige Macht und göttliche Größe Gottes gesehen werden soll. Die Gefahr der falschen Fundierung des Schöpfungsglaubens darf also nicht dazu führen, den Design-Ansatz als theologisch irrelevant abzutun. Ziel ist nicht, das Schöpfersein Gottes mit naturwissenschaftlichen Daten und Argumenten zu demonstrieren, sondern zu zeigen, dass die Schöpfungsperspektive eine schlüssige Deutung vieler biologischer Daten erlaubt und dass der Schöpfungsglaube nicht gegen gesichertes biologisches Wissen steht. „Schöpfung“ ist kein Lückenbüßer, sondern Ausgangspunkt für die Interpretation naturwissenschaftlicher Erkenntnisse.

Der Design-Ansatz lässt die Frage nach Gottes beständigem Wirken (creatio continua) und sein Wirken durch Zweitursachen unberührt. Das indirekte Handeln Gottes in der Welt wird durch einen Design-Ansatz nicht in Frage gestellt, es kann genauso gedacht werden wie in einem Evolutionskosmos. Dass Gott aber nicht nur vermittels Zweitursachen wirkt, ist vielfaches Zeugnis der Heiligen Schrift. Die Frage nach dem Leid und nach den Unvollkommenheiten in der Schöpfung stellt sich im Rahmen des Design-Ansatzes nicht schärfer als im Rahmen eines evolutionären Ansatzes. Die Vorstellung von einem „Bastler“-Gott ist eine Karikatur der Kritiker des Design-Ansatzes. Denn auch dessen Befürworter wissen: Schöpfung durch das Wort ist ein Geheimnis, das nicht durch Forschung gelüftet und durch Modelle beschrieben werden kann.

 

Anmerkung

1 Der Design-Ansatz bezieht sich zwar auf heutige erforschbare Prozesse (wie etwa den Bau und die Funktionsweise des Rotationsmotors bei Bakterien). Ziel dabei ist aber ein Rückschluss (Analogieschluss) auf Gottes Schöpferhandeln „am Anfang“.

 

1.10 Literatur

Chang H-K (2000) Die Knechtschaft und Befreiung der Schöpfung. Wuppertal.

Hemminger H (2007) Mit der Bibel gegen die Evolution. EZW Texte 195. Berlin.

Huber W (2007) „Das Vermächtnis Dietrich Bonhoeffers und die Wiederkehr der Religion“ – Vortrag zum 100. Geburtstag von Dietrich Bonhoeffer in der Humboldt-Universität zu Berlin. http://www.ekd.de/vortraege/huber/060204_huber_berlin.html

Jaeger L (2007) Wissenschaft ohne Gott? Bonn.

Junker R (1994) Leben durch Sterben? Neuhausen-Stuttgart.

Junker R (2002) Ähnlichkeiten, Rudimente, Atavismen. Holzgerlingen.

Junker R (2006) Zur Abgrenzung von Mikroevolution und Makroevolution. Stud. Int. J. 13, 59-67. (online: http://www.si-journal.de/jg13/heft2/sij132-1.html)

Junker R & Scherer S (2006) Evolution – ein kritisches Lehrbuch. Gießen.

Lennox J (2007) Intelligent Design. Some critical reflections on the current debate. In: Stewart RB (ed) Intelligent Design. Minneapolis, pp 179-195.

Miller KR (2000) Finding Darwin’s God. New York.

Pannenberg W (1993) Toward a Theology of Nature. Essays on Science and Faith. Louisville, Kentucky.

Rammerstorfer M (2006) Nur eine Illusion? Biologie und Design. Marburg.

Schaeffer F (2000) Wie sollen wir denn leben? Aufstieg und Niedergang der westlichen Kultur. Neuhausen.

Stephan M (2005) Entgegnung auf einige Aspekte der Kritik an der biblisch-urgeschichtlichen Geologie. [#LINK 1 artikel/a01/a01.pdf|

Stephan M (2007) |0.2.1.1 Die biblische Urgeschichte – wirkliche Geschichte|

Ullrich H (2008) Augenblicke – raffiniertes Design der Linsenaugen. Stud. Int. J. 15, 32-35.

Ullrich H, Winkler N & Junker R (2006) Zankapfel Auge. Stud. Int. J. 13, 3-14.

Von Wachter D (2007) Die kausale Struktur der Welt. Eine philosophische Untersuchung über Verursachung, Naturgesetze, freie Handlungen, Möglichkeit und Gottes kausale Rolle in der Welt. Eingereicht als Habilitationsschrift an der Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München. (online: http://epub.ub.uni-muenchen.de/1975/1/wachter_2007-ursachen.pdf)

 

Autor: Reinhard Junker, 30.12.2009

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0.4.2 Design-Fehler

Nach Auffassung vieler Biologen weisen zahlreiche Konstruktionen der Lebewesen Mängel auf, sogenannte „Design-Fehler“. Daraus resultiert ein „Unvollkommenheits-Argument“: Ein allmächtiger Schöpfer würde keine fehlerhaften Konstruktionen erschaffen, daher weisen „Design-Fehler“ auf einen evolutionären Ursprung der Lebewesen hin. Dieses Argument kann jedoch mit mehreren Argumenten wirkungsvoll entkräftet werden.

0.4.2.1 Argumente gegen Design (Interessierte)

1.0 Inhalt

In diesem Artikel wird das sog. „Argument der Unvollkommenheit“ vorgestellt, wonach es in der Schöpfung „Design-Fehler“ gebe, die mit der Vorstellung von einer Schöpfung unvereinbar seien. Dieses Argument wird aus theologischer, wissenschaftstheoretischer und biologischer Sicht kritisch hinterfragt.

Biologen vertreten häufig die Auffassung, aus zahlreichen heutigen Konstruktionen der Lebewesen könne auf einen evolutiven Ursprung geschlossen werden. Neben dem Ähnlichkeits-Argument (vgl. |1.3.5.1 Morphologie und Anatomie|) werden für diese Auffassung vor allem Beispiele von Unvollkommenheiten der Natur angeführt. Zum einen wird auf Rudimentäre Organe (|1.3.5.3.1 Rudimentäre Organe|) oder auf scheinbar unverständliche Entwicklungsabläufe in der Embryonalentwicklung (|1.3.5.5 Biogenetische Grundregel|) verwiesen, zum anderen aber auch auf regelrechte Konstruktionsfehler. Daraus wird ein „Argument aufgrund von Unvollkommenheit“ abgeleitet. Dieses soll im Folgenden beleuchtet werden.

1.1 Darstellung des Arguments

Das Unvollkommenheits-Argument findet sich bereits ausdrücklich bei Charles Darwin. In den 1980er Jahren wurde es besonders durch Stephen J. Goulds „Der Daumen des Panda“ in die Diskussion gebracht und stark popularisiert. Da der seltsame Panda-Daumen sozusagen als Kronzeuge für die Existenz von Unvollkommenheiten in der Schöpfung herangezogen wird, wird in diesem Zusammenhang auch vom „Panda-Prinzip“ gesprochen.

Abb. 107: Der Daumen des Panda. Nach Gould 1989

Der Daumen des Pandabären ist deshalb sonderbar, weil er anatomisch gar kein Daumen ist, sondern aus dem radialen Sesambein der Hand gebildet wird (Abb. 107). Dieser zusätzliche Daumen bildet einen sechsten Finger, mit dessen Hilfe die Pandas sehr geschickt Blätter abstreifen können. Warum aber ist der Daumen nicht so konstruiert wie beim Menschen, weshalb ist diese seltsame Konstruktion eines sechsten Fingers verwirklicht? „Die beste Lösung eines Ingenieurs wird von der Geschichte verhindert. … Der Sesambein-Daumen gewinnt keinen Preis in einem Ingenieurswettbewerb“, schreibt Gould (1989, S. 24). Der ursprüngliche Daumen sei durch die vorlaufende Evolution auf eine andere Rolle verpflichtet, aus der er nicht entlassen werden konnte, so dass ein vergrößerter Handwurzelknochen als Ersatz verwendet werden mußte. Evolutionär konnte nur am Vorhandenen umgebaut werden. Ein Schöpfer dagegen, der neu erschaffen kann, hätte es besser gemacht, als es verwirklicht ist,

Solche scheinbar nur zweitbesten Lösungen und seltsamen Konstruktionen versteht Gould als untrüglichen Hinweis auf eine evolutive Entstehung. Die (mutmaßlich) defekten Konstruktionen sind es, die auf Evolution hinweisen, nicht die perfekten, denn Perfektion lasse sich ebensogut mit einem Schöpfungsglauben vereinbaren. Unvollkommene Konstruktionen dagegen seien mit einem Schöpfungsglauben unvereinbar, denn ein vernünftiger Schöpfer würde dergleichen niemals erschaffen.

Abb. 45: Das klassische Beispiel für Bauplanähnlichkeiten, die gewöhnlich auf gemeinsame Abstammung zurückgeführt werden. Quelle: Nach Objekten aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde, Münster.

Diese Argumentation findet sich auch bei zahlreichen anderen Biologen. Beispielsweise meint Kull (1994): „Der Mensch beispielsweise ist keine mechanisch optimale Konstruktion; sein mechanisches System in Bindegewebe und Knorpel hat die Aufrichtung noch nicht bewältigt – die Folgen sind Plattfüße, Hängebauch, Bandscheibenschäden. … Die vorausgegangene Evolution macht es in manchen Fällen unmöglich, das eigentliche Optimum zu erreichen.“ (Diese Beispiele sind freilich fragwürdig, denn die genannten Mängel haben eher mit ungesunder Lebensweise als mit schlechter Konstruktion zu tun.)

Viele Autoren finden es auch seltsam, dass häufig gleiche Baupläne für verschiedene Funktionen verwendet werden. Paradebeispiel sind die Skelette der Gliedmaßen der Wirbeltiere, die trotz gleichem Bauplan für sehr verschiedene Zwecke wie Laufen, Greifen, Graben oder Fliegen verwendet werden (vgl. Abb. 45). Ein Schöpfer hätte, so wird (schon von Darwin) argumentiert, verschiedene Baupläne verwendet. Bei solchen Beispielen wird also nicht damit argumentiert, dass die Konstruktionen Mängel hätten, sondern dass sie irgendwie seltsam seien, wenn sie geschaffen worden wären. Dagegen sei im Rahmen der Evolutionslehre verständlich, dass einmal erworbene Baupläne auch bei Funktionswechsel erhalten blieben (vgl. dazu aber den Artikel |1.3.5.1 Morphologie und Anatomie|).

1.2 Die Struktur des Arguments

Das „Unvollkommenheits-Argument“ versteht sich nicht primär als Beleg für Evolution, sondern als Indiz gegen Schöpfung, denn – so wird argumentiert – ein Schöpfer würde keine Unvollkommenheiten oder seltsame Konstruktionen in der Natur erschaffen. Diese Argumentationsstruktur soll im Folgenden analysiert und kritisiert werden.

 

Theologische Argumentation. Das Argument kann nur im Zusammenhang mit Mutmaßungen über die Handlungsweisen eines Schöpfers formuliert werden: Ein Schöpfer würde keine Unvollkommenheiten erschaffen oder er würde nicht dieselben Baupläne für verschiedene Funktionen verwenden (vgl. Knochengerüst der Gliedmaßen der Landwirbeltiere). Damit wird aber eine Grenzüberschreitung begangen und eine Aussage über Gott getroffen. Dies sollte aber kenntlich gemacht und es sollte angegeben werden, was für ein Schöpfungsverständnis und welches Gottesbild zugrundegelegt werden. Im Rahmen einer an der Bibel orientierten Schöpfungslehre ist zu bedenken, dass nach biblischen Aussagen die heutige Schöpfung von einer ursprünglichen unterschieden wird. Während die Schöpfung heute als „unter der Knechtschaft der Vergänglichkeit seufzend“ geschildert wird (Römer 8,19ff.), gab es in der ursprünglichen Schöpfung keinen Tod (vgl. |0.5.1.2 Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament|). In biblischer Perspektive kann aus der Struktur der heutigen Schöpfung gar nicht unmittelbar auf Gottes ursprüngliches Schöpfungshandeln geschlossen werden. Damit ist dem Argument der Unvollkommenheit im Rahmen einer biblischen Theologie der theologische Boden entzogen.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Grundtypmodell (|0.3.2.1 Heutige Grundtypen|) mikroevolutive Prozesse einschließt. In deren Rahmen kann es auch zu Rückbildungen und auf diese Weise zu „Unvollkommenheiten“ kommen.

Darüber hinaus müsste auch dargelegt werden, wie die Lebensstrukturen besser konstruiert sein müssten, wenn sie von einem „intelligenten Schöpfer“ erschaffen wurden. Darüber wird gewöhnlich keine Rechenschaft abgegeben.

 

Wissenschaftstheoretische Aspekte. Die Argumentation mit „Unvollkommenheit“ beruht des weiteren stillschweigend auf einem „Entweder – Oder“: Entweder Schöpfungsglaube oder Evolutionslehre. Doch Kritik an einer bestimmten Ursprungsvorstellung begründet nicht eine andere. Was gegen Schöpfung spricht oder sprechen soll, passt nicht automatisch zur Evolutionstheorie. Dies gilt natürlich auch anders herum.

 

1.3 Biologische Kritik

Nachweis von Unvollkommenheit. Das „Unvollkommenheits-Argument“ ist auch biologisch problematisch, weil es nur sticht, wenn die Unvollkommenheit auch nachgewiesen wird oder wenigstens plausibel gemacht werden kann. Bei der Präsentation des Arguments anhand des Panda-Daumens stellt Gould (1989, 21) selber fest, dass er über die Geschicklichkeit der Tiere erstaunt sei. Wieso sollte der Panda-Daumen also unvollkommen sein? Das Unvollkommenheits-Argument steht und fällt mit dem Nachweis, dass die betrachtete Struktur besser konstruiert werden könnte. Dieser Nachweis aber gestaltet sich als äußerst schwierig, wenn nicht als unmöglich.

Genauere Untersuchungen der Panda-Tatze haben gezeigt, dass bei ihr viel feinere Greifmechanismen verwirklicht sind, als früher vermutet worden war. Die Pandabären setzen ihre Tatze offenbar sehr gekonnt und zweckmäßig ein. Daher bleibt wenig Raum für den Nachweis einer „Unvollkommenheit“. Das „Panda-Prinzip“ steht ausgerechnet im Falle seines Kronzeugen auf schwachen Füßen.

Vermutlich gibt es zahlreiche Organe, deren Funktionalität – anders als beim Panda-Daumen – nicht vollständig geklärt ist. Aber auch dann gilt, dass es sich allenfalls um mögliche Hinweise auf Unvollkommenheiten in der Natur handeln könnte; das „Unvollkommenheits-Argument“ ist auch dann ein „weiches“ Argument, da es jederzeit durch Erweiterung der Funktionskenntnisse des jeweils in Rede stehenden Organs widerlegt werden kann.

Als Ergebnis kann festgehalten werden: Unvollkommenheiten in der Natur können nicht objektiv festgestellt werden und damit nicht als Belege für Evolution dienen.

 

Der Teil und das Ganze. Die Organe der Lebewesen sind in der Regel polyfunktional [= viele Funktionen ausübend]. Sie müssen gleichzeitig verschiedene Zwecke erfüllen. Das bedeutet notwendigerweise, dass nicht jede einzelne Struktur für jeden Zweck, den sie erfüllt, optimal sein kann. Kompromisse sind unvermeidlich. Ein Urteil über die Vollkommenheit eines Organs kann sinnvollerweise nur gefällt werden, wenn der Organismus als Ganzes im Blick ist. Dabei muss auch seine Ontogenese [= individuelle Entwicklung von der Befruchtung bis zum Tod] berücksichtigt werden. Die isolierte Betrachtung einzelner Organe ist verfehlt, erst recht, wenn diese im Hinblick auf nur eine von evtl. mehreren Funktionen bewertet werden.

Grundtypen und Mikroevolution. Wenn mutmaßliche Unvollkommenheiten durch mikroevolutive Prozesse im Grundtyprahmen erklärbar sind (vgl. |1.3.1.3 Mikro- und Makroevolution| und |0.3.2.1 Heutige Grundtypen|), sind sie auch im schöpfungstheoretisch interpretierten Grundtypmodell erklärbar und können in diesem Rahmen durchaus auch erwartet werden. Es kann sich um Degenerationen handeln oder auch um Kompromisse zwischen verschiedenen Funktionen (s.o.).

1.4 Zusammenfassung

Das „Unvollkommenheits-Argument“ kann in Frage gestellt werden.

Erstens handelt es sich im Kern um ein theologisches und nicht um ein naturwissenschaftliches Argument, da es nur auf der Basis bestimmter Gottesvorstellungen formuliert werden kann.

Zweitens stellen Argumente gegen Schöpfung nicht notwendigerweise Argumente für Evolution dar.

Und drittens sind Unvollkommenheiten kaum nachweisbar, sondern evolutionstheoretisch begründete Vermutungen, deren Plausibilität mit der evolutionstheoretischen Voraussetzung steht oder fällt. Einzelne Organe dürfen zudem nicht (nur) isoliert betrachtet, sondern müssen im Organismus-Ganzen bewertet werden, wenn eine Einschätzung über mögliche Unvollkommenheiten erfolgen soll. Und schließlich muss geprüft werden, ob die zur Diskussion stehenden Beispiele sich im mikroevolutiven Rahmen innerhalb von Grundtypgrenzen bewegen.

1.5 Literatur

Gould SJ (1989) Der Daumen des Panda. Frankfurt.

Kull U (1994) Turgeszenz, Hydraulik, Information und das Maschinenkonzept in der Biologie. In: Maier W & Zoglauer T (Hg) Technomorphe Organismuskonzepte. Bad-Cannstatt, S. 199-211.

 

Autor: Reinhard Junker, 29.03.2004

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0.4.2.1 Argumente gegen Design (Experten)

Hinweis: Hier gibt es einen wissenschaftlichen Artikel zum Thema: https://www.genesisnet.info/pdfs/Designfehler-Das_Argument_der_Unvollkommenheit.pdf

2.0 Inhalt

In diesem Artikel wird das sog. „Argument der Unvollkommenheit“ vorgestellt, wonach es in der Schöpfung „Design-Fehler“ gebe, die mit der Vorstellung von einer Schöpfung unvereinbar seien. Dieses Argument wird aus theologischer, wissenschaftstheoretischer und biologischer Sicht kritisch hinterfragt.

2.1 Einleitung

Biologen vertreten häufig die Auffassung, aus zahlreichen heutigen Konstruktionen der Lebewesen könne auf einen evolutiven Ursprung geschlossen werden. Neben dem Ähnlichkeits-Argument (vgl. |1.3.5.1 Morphologie und Anatomie|) werden für diese Auffassung vor allem Beispiele von Unvollkommenheiten der Natur angeführt. Zum einen wird auf Rudimentäre Organe (|1.3.5.3.1 Rudimentäre Organe|) oder auf scheinbar unverständliche ontogenetische Entwicklungsabläufe (|1.3.5.5 Biogenetische Grundregel|) verwiesen, zum anderen aber auch auf funktionell scheinbar nicht erklärbare Ähnlichkeiten bei Lebewesen und auf regelrechte Konstruktionsfehler. Letzteres ist Thema dieses Artikels.

Aus dem (vermeintlichen) Vorkommen von Konstruktionsfehlern wird häufig ein „Argument aufgrund von Unvollkommenheit“ gemacht. Die Struktur dieses in verschiedenen Spielarten und Zusammenhängen vorkommenden Arguments wird im Folgenden dargestellt und kritisiert.

2.2 Darstellung des Arguments

Das Unvollkommenheits-Argument findet sich bereits ausdrücklich bei Charles Darwin (1859). In den 1980er Jahren wurde es besonders durch Stephen J. Goulds „Der Daumen des Panda“ in die Diskussion gebracht und stark popularisiert. Da der seltsame Panda-Daumen sozusagen als Kronzeuge für die Existenz von Unvollkommenheiten in der Schöpfung herangezogen wird, wird in diesem Zusammenhang auch vom „Panda-Prinzip“ gesprochen.

Der Daumen des Pandabären ist deshalb sonderbar, weil er anatomisch gar kein Daumen ist, sondern aus dem radialen Sesambein der Hand gebildet wird (s. Abb. 107). Dieser zusätzliche Daumen bildet einen sechsten Finger, mit dessen Hilfe die Pandas sehr geschickt Blätter abstreifen können. Warum aber ist der Daumen nicht so konstruiert wie beim Menschen, weshalb ist diese seltsame Konstruktion eines sechsten Fingers verwirklicht? „Die beste Lösung eines Ingenieurs wird von der Geschichte verhindert. … Der Sesambein-Daumen gewinnt keinen Preis in einem Ingenieurswettbewerb“, schreibt Gould (1989, S. 24). Der ursprüngliche Daumen sei durch die vorlaufende Evolution auf eine andere Rolle verpflichtet, aus der er nicht entlassen werden konnte, so dass ein vergrößerter Handwurzelknochen als Ersatz verwendet werden musste.

Abb. 107: Der Daumen des Panda. Nach Gould 1989

Solche scheinbar nur zweitbesten Lösungen und seltsamen Konstruktionen versteht Gould als untrüglichen Hinweis auf eine evolutive Entstehung. Die (mutmaßlich) defekten Konstruktionen sind es, die auf Evolution hinweisen, nicht die perfekten, denn Perfektion lasse sich ebenso gut mit einem Schöpfungsglauben vereinbaren (Gould 1989, 39). Unvollkommenes dagegen sei mit einem Schöpfungsglauben unvereinbar. „Eine ideale Formgebung und Gestaltung ist ein schlechtes Argument für die Evolution; denn es äfft nur die vorausgesetzten Handlungen eines allmächtigen Schöpfers nach. Sonderbare Anordnungen und komische Lösungen sind der Beweis für die Evolution – also Wege, welche ein vernünftiger Schöpfer niemals eingeschlagen hätte, denen aber natürliche Prozesse unter dem Zwang der Entwicklungsgeschichte notgedrungen folgen“ (Gould 1989, 20f.).

Diese Argumentation findet sich auch bei zahlreichen anderen Biologen. Beispielsweise meint Kull (1994): „Der Mensch beispielsweise ist keine mechanisch optimale Konstruktion; sein mechanisches System in Bindegewebe und Knorpel hat die Aufrichtung noch nicht bewältigt – die Folgen sind Plattfüße, Hängebauch, Bandscheibenschäden. … Die vorausgegangene Evolution macht es in manchen Fällen unmöglich, das eigentliche Optimum zu erreichen.“ (Diese Beispiele sind freilich fragwürdig, denn die genannten Mängel haben eher mit ungesunder Lebensweise als mit schlechter Konstruktion zu tun.)

„Darwins Rätsel“. Nicht nur bei unvollkommen erscheinenden Strukturen wird auf diese Weise argumentiert. So schreibt Penzlin (1994): „Eine Funktion ist erst dann richtig verstanden, wenn sie auch als ein im historischen Prozess der Evolution Gewordenes begriffen wird. Wie wäre es sonst verständlich, dass die Wale ihren Sauerstoff aus der Luft beziehen und nicht, wie die meisten Bewohner des Meeres, mit Hilfe von Kiemen atmen?“ Dieses Argument findet sich bereits ausführlich bei Darwin; es wird häufig am Beispiel des Extremitätengerüsts der Landwirbeltiere festgemacht (s. Abb. 45). Darwin (1859, 415) schreibt: „What can be more curious than that the hand of a man, formed for grasping, that of a mole for digging, the leg of a horse, the paddle of the porpoise, and the wing of the bat, should all be constructed on the same pattern, and should include the same bones, in the same relative positions?“ Es erscheint nicht einsichtig, weshalb trotz verschiedener Funktionen der Extremitäten bei den Wirbeltieren derselbe Bauplan verwirklicht ist.

Abb. 45: Das klassische Beispiel für Bauplanähnlichkeiten, die gewöhnlich auf gemeinsame Abstammung zurückgeführt werden. Quelle: Nach Objekten aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde, Münster.

ReMine (1993, 15) nennt dieses Argument „Darwins Rätsel“: Weshalb sollte ein Schöpfer ähnliche Designs für verschiedene Zwecke (z. B. Vorderextremitäten der Wirbeltiere) und in anderen Fällen verschiedene Designs für denselben Zweck verwenden (Analogie [= Ähnlichkeiten aufgrund ähnlicher Funktion trotz verschiedenem Bauplan], z. B. Vogelflügel, Fledermausflügel, Insektenflügel)? Die Verwendung gleicher Baupläne für verschiedene Zwecke widerspreche der Freiheit eines Schöpfers.

Ridley argumentiert am Beispiel der Bauchknochen der Walartigen (s. Abb. 77), dass die Tatsache, dass sie nicht funktionslos seien, nicht gegen ihre Homologie spreche; und in der Homologie mit Becken- und Extremitätenknochen der Landsäugetiere liege ein Beleg für Makroevolution. Denn: „Why, if whales originated independently of other tetrapods, should they use bones that are adapted for limb articulation to support their reproductive organs? If they were truely independent, some other support would be used“ (Ridley 1996, 57).

Abb. 77: Skelett des Grönlandwals (Balaena mysticetus) mit Becken- und Hinterextremitätenrudiment. Quelle: Nach MÜLLER

2.3 Die Struktur des Arguments

Das „Unvollkommenheits-Argument“ versteht sich nicht primär als Beleg für Evolution, sondern als Indiz gegen Schöpfung, denn – so wird argumentiert – ein Schöpfer würde keine Unvollkommenheiten oder seltsame Konstruktionen in der Natur erschaffen. Nelson (1996) hat das Argument wie folgt formalisiert:

Voraussetzungen:

  1. Wenn p ein Beispiel für Design ist, dann wurde p entweder durch einen weisen Schöpfer („wise creator“) erschaffen oder entstand durch Evolution.
  2. Wenn die Design-Struktur p von einem intelligenten Schöpfer erschaffen wurde, dann sollte p perfekt sein (oder keine Unvollkommenheiten aufweisen).
  3. Die Design-Struktur p ist nicht perfekt (oder weist Unvollkommenheiten auf).

Folgerung: Die Design-Struktur p wurde nicht von einem intelligenten Schöpfer erschaffen, sondern entstand durch Evolution.

Diese Argumentationsstruktur soll im Folgenden analysiert und kritisiert werden. Die Kritik setzt an den theologischen, wissenschaftstheoretischen und biologischen Aspekten der Argumentation ein.

2.4 Theologische Argumentation

Die ersten beiden Voraussetzungen sind offenkundig theologischer Natur, da sie nur im Zusammenhang mit Mutmaßungen über die Handlungsweisen eines Schöpfers formuliert werden können: Ein Schöpfer würde keine Unvollkommenheiten erschaffen oder er würde nicht dieselben Baupläne für verschiedene Funktionen verwenden (vgl. Extremitätenknochen der Landwirbeltiere).

Gleichwohl ist diese Art der theologischen Argumentation sehr problematisch, denn woher sollte einem der Empirie [= Erfahrung, Beobachtung| verpflichteten Naturwissenschaftler bekannt sein, wie ein Schöpfer bei der Erschaffung vorgeht? Aussagen über die Handlungsweisen eines Schöpfers könnten nur durch Offenbarung gewonnen werden.

Wenn also Aussagen über Gottes Handeln zugrundegelegt werden, wird eine Grenzüberschreitung begangen. Dabei müsste angegeben werden, was für ein Schöpfungsverständnis und welches Gottesbild zugrundegelegt werden. Im Rahmen einer an der Bibel orientierten Schöpfungslehre ist zu bedenken, dass nach biblischen Aussagen die heutige Schöpfung von einer ursprünglichen unterschieden wird. Während die Schöpfung heute als „unter der Knechtschaft der Vergänglichkeit seufzend“ geschildert wird (Römer 8,19ff.), gab es in der ursprünglichen Schöpfung keinen Tod (vgl. |0.5.1.2 Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament|). In biblischer Perspektive kann aus der Struktur der heutigen Schöpfung gar nicht unmittelbar auf Gottes ursprüngliches Schöpfungshandeln geschlossen werden. Damit ist dem Argument der Unvollkommenheit sozusagen der theologische Boden entzogen, jedenfalls im Rahmen einer biblischen Theologie.

Damit gelangen wir zu einem weiteren Aspekt. Das Unvollkommenheits-Argument setzt eine statische Schöpfung voraus, indem es davon ausgeht, an der heutigen Schöpfung unmittelbar Gottes Schöpfungshandeln ablesen zu können. Doch wie gerade erläutert, ist dies keine notwendige Voraussetzung für ein Schöpfungskonzept; vielmehr beinhaltet die biblische Schöpfungslehre sogar ausdrücklich eine dynamische Schöpfungsvorstellung. Dazu gehört zum einen der erwähnte theologisch begründete Unterschied zwischen der heutigen und ursprünglichen Schöpfung. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass das Grundtypmodell (|0.3.2.1.1 Heutige Grundtypen|) mikroevolutive Prozesse einschließt. In deren Rahmen kann es auch zu Rückbildungen und auf diese Weise zu „Unvollkommenheiten“ kommen. Wird also theologisch argumentiert, so muss erklärt werden, welches Schöpfungsverständnis zugrundegelegt wird.

Darüber hinaus muss aber auch dargelegt werden, wie die Lebensstrukturen aussehen müssten, die von einem „intelligenten Schöpfer“ erschaffen wurden. Darüber wird gewöhnlich nicht explizit Rechenschaft abgegeben.

Die eingangs dieses Abschnitts präsentierte Argumentationskette ist also dann anfechtbar, wenn keine klaren Vorstellungen darüber entwickelt und begründet werden, was im Rahmen eines Schöpfungsverständnisses der Natur in Bezug auf den Bau und die Merkmalsverteilungen der Lebewesen zu erwarten wäre.

2.5 Wissenschaftstheoretische Aspekte

Contra Schöpfung = Pro Evolution? Die Argumentation mit „Unvollkommenheit“ beruht des weiteren stillschweigend auf einem „Entweder – Oder“: Entweder Schöpfungsglaube oder Evolutionslehre – wobei ein ganz bestimmter Schöpfungsglaube im Hintergrund steht, nämlich der Glaube von einer heute perfekten Schöpfung (siehe oben). Es wurde bereits vermerkt, dass diese undifferenzierte Form der Schöpfungsvorstellung nicht allein maßgeblich ist und insbesondere nicht der biblischen entspricht. Aber auch wissenschaftstheoretisch ist die Argumentation nicht haltbar. Denn Kritik an einer bestimmten Ursprungsvorstellung begründet nicht eine andere. Was gegen Schöpfung spricht oder sprechen soll, passt nicht automatisch zur Evolutionstheorie. Dies gilt natürlich auch anders herum.

Gould und andere argumentieren, man könne an den vollkommenen Strukturen keine Geschichte ablesen, wohl aber an den unvollkommenen. Doch das stimmt nicht, denn weshalb müssen Unvollkommenheiten eine Geschichte haben? Dafür gibt es keine Notwendigkeit. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass „Unvollkommenheit“ relativ ist und aus einem Design-Kompromiss herrühren kann, der im Rahmen einer Schöpfungsvorstellung genauso zu fordern ist wie im Rahmen von Makroevolution (vgl. dazu w. u.). „Unvollkommenheiten“ können also durchaus in der verwirklichten Form als geschaffen interpretiert werden.

Insgesamt fehlt dem „Unvollkommenheits-Argument“ damit auch eine solide wissenschaftstheoretische Basis.

Ist eine Design-Theorie testbar? Häufig werden schöpfungstheoretische Überlegungen als unwissenschaftlich oder pseudowissenschaftlich bezeichnet, da sie keine Testmöglichkeiten böten. Andererseits wird im Zusammenhang mit dem Unvollkommenheits-Argument behauptet, Erwartungen der Schöpfungslehre seien widerlegt worden. Hier liegt eine offenkundige Inkonsistenz der Kritik vor, denn eine nicht-prüfbare Theorie könnte auch nicht widerlegt werden. Die Frage nach der Testbarkeit einer Design-Theorie wird im Artikel |0.4.1.2 Kontroverse um „Intelligent-Design“| behandelt, aber auch weiter unten im Abschnitt „Design-Fehler, Forschungsanreize und Testbarkeit“ angesprochen.

2.6 Biologische Kritik

Nachweis von Unvollkommenheit. Das „Unvollkommenheits-Argument“ ist auch biologisch problematisch, weil es nur sticht, wenn die Unvollkommenheit auch nachgewiesen wird oder wenigstens plausibel gemacht werden kann. Bei der Präsentation des Arguments anhand des Panda-Daumens stellt Gould (1989, 21) selber fest, dass er über die Geschicklichkeit der Tiere erstaunt sei. Wieso sollte der Panda-Daumen also unvollkommen sein? Das Unvollkommenheits-Argument steht und fällt mit dem Nachweis, dass die betrachtete Struktur besser konstruiert werden könnte. Dieser Nachweis aber gestaltet sich als äußerst schwierig, wenn nicht als unmöglich.

Ein japanisches Forscherteam (Endo et al. 1999) hat vor einigen Jahren mit modernsten Forschungsmethoden wie Computertomographie und Magnetresonanzverfahren die Panda-Tatze erneut untersucht. Die Forscher zeigten, dass die Funktionsweise des Pseudodaumens im Zusammenspiel mit einer weiteren anatomischen Besonderheit verstanden werden muss. Der Panda kann einen effektiven Zangengriff ausüben und dadurch mit großer Geschicklichkeit und Genauigkeit zu seiner Lieblingsnahrung greifen (vgl. Abb. 108). Endo et al. (1999) haben damit gezeigt, dass bei der Panda-Tatze viel feinere Greifmechanismen verwirklicht sind, als in früheren morphologischen Modellen vermutet worden war. Angesichts dieser Ergebnisse und der Tatsache, dass die Pandabären ihre Tatze offenbar sehr gekonnt und zweckmäßig einsetzen, bleibt wenig Raum für den Nachweis einer „Unvollkommenheit“. Das „Panda-Prinzip“ steht ausgerechnet im Falle seines Kronzeugen auf schwachen empirischen Füßen.

Abb. 108: Schematische Zeichnung des Greifmechanismus der Panda-Hand. a Finger gestreckt, b,c Einkrümmen der Finger, d Muskelaktion (Pfeile) beim Zangengriff. Nach Endo et al. 1999

Das Beispiel des Panda-Daumens zeigt, dass Behauptungen über Unvollkommenheiten mit Vorsicht zu betrachten sind. Ohne Rückgriff auf stammesgeschichtliche Hypothesen kann zunächst allenfalls nur festgestellt werden, dass der Bau eines Organs unverstanden ist. Die Behauptung einer Unvollkommenheit nimmt Bezug zu einer mutmaßlichen evolutionären Vorgeschichte. Wenn beim Panda-Bären eine phylogenetische Beziehung zu anderen Bären hergestellt wird, dann kann natürlich im Nachhinein dessen Tatze im Sinne eines Anbaus gedeutet werden; die Argumentation hängt damit aber von der Vorgabe evolutionärer Vorstellungen ab. Entsprechendes gilt für die Behauptung von Funktionslosigkeit (|1.3.5.3.1 Rudimentäre Organe|).

Vermutlich gibt es zahlreiche Organe, deren Funktionalität – anders als beim Panda-Daumen – nicht hinreichend geklärt ist. Aber auch dann gilt, dass es sich allenfalls um mögliche Hinweise auf Suboptimalität in der Natur handelt; das „Unvollkommenheits-Argument“ ist auch dann ein „weiches“ Argument, da es jederzeit durch Erweiterung der Funktionskenntnisse des jeweils in Rede stehenden Organs widerlegt werden kann.

Als Ergebnis kann festgehalten werden: Unvollkommenheiten in der Natur können nicht objektiv festgestellt werden und damit nicht als Belege für Evolution dienen, sondern lediglich im Nachhinein unter Vorgabe der Evolutionstheorie gedeutet werden (im Sinne eines evolutiven Umbaus oder einer Verkümmerung).

Der Teil und das Ganze. Die Organe der Lebewesen sind in der Regel polyfunktional [= viele Funktionen ausübend]. Sie müssen gleichzeitig verschiedene Zwecke erfüllen. Das bedeutet notwendigerweise, dass nicht jede einzelne Struktur für jeden Zweck, den sie erfüllt, optimal sein kann. Kompromisse sind unvermeidlich. Ein Urteil über die Vollkommenheit eines Organs kann sinnvollerweise nur gefällt werden, wenn der Organismus als Ganzes, einschließlich seiner Ontogenese [= individuelle Entwicklung von der Befruchtung bis zum Tod], im Blick ist. Die isolierte Betrachtung einzelner Organe ist verfehlt, erst recht, wenn diese im Hinblick auf nur eine von evtl. mehreren Funktionen bewertet werden.

Nelson (1996, 505f.) präsentiert dazu folgendes Beispiel: Die Schwimmflossen von Meeresschildkröten scheinen schlecht gebaut zu sein, um mit ihnen für die Eiablage Löcher im Sand von Stränden zu graben. Dieselben Flossen sind jedoch für die Fortbewegung im Wasser, wo sich die Meeresschildkröten meistens aufhalten, sehr effektiv gestaltet.

Das Vorliegen oder das Fehlen von Optimalität kann nur festgestellt werden, wenn alle Funktionen bekannt sind und berücksichtigt werden.

Nicht-Vorhersagbarkeit und Plastizität von Evolutionstheorien. Die Anatomie des Panda-Daumens wurde nicht aufgrund von evolutionstheoretischen Überlegungen heraus vorhergesagt. Das gilt auch für andere „Unvollkommenheiten“, folglich können sie auch nicht als Belege für Evolution gelten. Man könnte im evolutionstheoretischen Rahmen nämlich durchaus auch die Erwartung formulieren, dass der erste Finger der Panda-Tatze wieder in eine opponierbare [= hier: den übrigen Fingern entgegengestellte| Stellung hätte gebracht werden können. Wer evolutionstheoretisch orientiert ist, muss evolutionären Prozessen noch viel gewaltigere Umbauvorgänge zutrauen. Warum also hätte der Panda-Daumen nicht aus seiner mit den anderen Fingern fixierten Position wieder herausgelöst werden können?

Offenbar laufen also evolutionstheoretische Deutungen hier nicht nach dem Muster „Vorhersage – Prüfung – Bestätigung/Widerlegung“ ab, vielmehr liegt eine Art Wechselwirkung zwischen den Daten und der jeweiligen Formulierung evolutionstheoretischer Hypothesen vor. Die Evolutionstheorie wird den Daten immer wieder neu angepasst. Auch überraschende Daten führen nicht zur Hinterfragung der Evolutionstheorie, sondern nur zu ihrer Modifikation. Die Option einer Widerlegung scheint dabei ausgeschlossen zu sein. ReMine (1993) spricht in diesem Zusammenhang von der Plastizität der Evolutionstheorie (vgl. dazu auch |1.1.3.4 Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft|).

Man hätte beispielsweise erwarten können, dass es keine nennenswerten Widersprüche zwischen morphologisch begründeten und molekularen Stammbäumen geben sollte (vgl. Hillis 1987; Patterson 1993). Ebenso könnte man aus der Evolutionstheorie die Erwartung folgern, dass aufgrund der zugrundeliegenden Zufallsprozesse keine oder allenfalls nur sehr ausnahmsweise Konvergenzen auftreten (vgl. |1.3.5.1 Morphologie und Anatomie|). Beides ist bekanntlich nicht der Fall, ohne dass Makro-Evolution damit in Frage gestellt wird. Vielmehr führen diese Befunde dazu, neue evolutionstheoretische Vorstellungen zu entwickeln. Genau darin zeigt sich die Plastizität der Evolutionstheorie.

Es soll damit nicht behauptet werden, dass Schöpfungsvorstellungen weniger plastisch wären, sondern es geht um die Einsicht, dass erst die Vorgabe einer Ursprungsvorstellung Deutungen erlaubt und dass die Daten nicht bestimmte Deutungen erzwingen. Während Schöpfungsvorstellungen häufig mit dem Einwand konfrontiert werden, dass in deren Deutungsrahmen alles vorhergesagt werden könne, so dass keine Prüfungs- und Widerlegungsmöglichkeit gegeben sei, seien evolutionäre Deutungen prüfbar und widerlegbar. Es hat sich aber gezeigt, dass diese Behauptung in dieser einfachen Form nicht stimmt. (Weiteres dazu in |1.1.3.4 Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft|.)

Grundtypen und Mikroevolution. Wenn mutmaßliche Unvollkommenheiten durch mikroevolutive Prozesse im Grundtyprahmen erklärbar sind (vgl. |1.3.1.3.1 Mikro- und Makroevolution| und |0.3.2.1.1 Heutige Grundtypen|), sind sie auch im schöpfungstheoretisch interpretierten Grundtypmodell erklärbar und können in diesem Rahmen durchaus auch erwartet werden. Entsprechendes gilt für Homologiefeststellungen innerhalb von Grundtypen. Bauplangemeinsamkeiten innerhalb von Grundtypen werden auch in schöpfungstheoretischer Perspektive durch Abstammung von einem gemeinsamen Vorläufer interpretiert (Grundtypdiversifikation, die meist durch Spezialisierungen erfolgt).

Als möglicherweise suboptimal im Rahmen einer Mikroevolution angepasst kann beispielsweise die Hawaiigans (s. Abb. 109) betrachtet werden. Im Gegensatz zu den anderen Gänsen ist sie weder ein Schwimmvogel noch ein Zugvogel. Von Menschen auf Hawaii verschleppt, hat sie sich als Landgans spezialisiert und lebt auf Lavaflächen (Bardell 1997). Gelegenheit zum Schwimmen gibt es kaum. Passend für diesen Lebensraum hat die Hawaiigans längere Beine und kräftigere Zehen entwickelt. Die Schwimmhäute sind reduziert, jedoch nicht ganz verschwunden. Ideal wäre es auf dem oft rauen Untergrund vermutlich, wenn sie gar keine Schwimmhautreste mehr hätte. Alle Gänse gehören zusammen mit den Enten und Schwänen zu einem Grundtyp (siehe |1.3.1.4.1 Artbegriffe| und |0.3.2.1.1 Heutige Grundtypen|). Nach dem Grundtypmodell handelt es sich bei der Hawaiigans demnach um eine Spezialisierung innerhalb eines Grundtyps. Das heißt, sie wurde nicht in der jetzt vorliegenden spezialisierten Ausprägung erschaffen, und ihre mutmaßliche „Unvollkommenheit“ kann im Rahmen der Grundtypenbiologie nicht auf das Konto der Schöpfung geschlagen werden.

Abb. 109: Hawaiigans Branta sandvicensis Foto: R. Wiskin

Optimalität als Indiz gegen Evolution? In evolutionstheoretischer Perspektive sind optimale Strukturen nicht unbedingt zu erwarten. Zoglauer (1991) weist darauf hin, „dass der Vorstellung einer Optimierung durch Evolution eine falsche Projektion der Struktur technischen Handelns auf die Natur zugrundeliegt“ (S. 194). Technische Werte würden vom Menschen definiert, weil mit der Konstruktion eines Objekts ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. Dieses Ziel bestimme den Wert der zu optimierenden Größe. Da bei der biologischen Evolution dieses Ziel von vornherein fehle, könne man den Naturprodukten auch keine Werte oder Qualitäten zusprechen (S. 209). Andernfalls müsse man eine teleologische Biologie voraussetzen. „Jede Ware hat einen Wert für den Verbraucher, während die Fitness eines Organismus keinen Wert für irgendjemanden darstellt“ (S. 210). Aufgrund dieser Überlegungen bezweifelt Zoglauer, „daß es in der Evolution Größen gibt, die optimiert werden“ (S. 211). „Optimierung ist an Ziele oder Zwecke gebunden, die es in der Natur nicht gibt. … Optimalität ist daher kein Wesensmerkmal der Natur, das ihr unabhängig von unserem Erkennen und unserem Dasein zukommen würde“ (S. 212).

An diese Argumentation kann sich eine interessante Fragestellung anschließen: Können optimal konstruierte Strukturen nachgewiesen werden, deren Optimalität unter evolutionstheoretischen Prämissen gar nicht zu erwarten wäre? Genau das behauptet Weindel (2000) für ein biochemisches Beispiel: die Bindestärke der Basenpaarung der DNA. Weindel zeigt, dass unter Ursuppenbedingungen auf der alleinigen Basis physico-chemischer Vorgänge eine maximale, nicht aber eine für die biologische Funktion optimale Bindestärke der Nucleobasen zu erwarten gewesen wäre. Da jedoch die biochemisch optimale Bindestärke verwirklicht ist, komme man nicht umhin, eine Zielvorgabe zu postulieren. Doch genau dies kann evolutionstheoretisch nicht vorausgesetzt werden. Es könnte eine reizvolle Aufgabe sein, weitere Beispiele dieser Art aufzuspüren.

Die Aufgabe kann noch etwas weiter gefasst werden: Leisten manche Strukturen des Lebens mehr, als vom Standpunkt des Überlebensvorteils und der Nachkommenproduktion zu erwarten wäre? Das wäre sozusagen das umgekehrte Argument zum Unvollkommenheitsargument. Dieses Argument wird im Artikel |0.4.1.5 Spielerische Komplexität| behandelt.

2.7 Design-Fehler, Forschungsanreize und Testbarkeit

Weiter oben wurde gezeigt, dass das Unvollkommenheits-Argument auf konkreten theologischen Vorstellungen über den Schöpfer aufbaut. Denn ein unbekannter Schöpfer könnte schließlich ebensogut sehr gute als auch fehlerhafte Konstruktionen erschaffen, wenn es ihm beliebt. Ohne konkrete Vorstellungen über die Attribute des Urhebers können also keine Erwartungen an die Qualität der lebendigen Konstruktionen abgeleitet werden.

Daraus folgt aber auch, dass ohne Konkretisierungen des Gottesbildes auch nichts darüber gesagt werden kann, ob Design-Fehler erwartet werden können. Einem Schöpfer steht es ja frei, Unvollkommenes, Fehlerhaftes zu erschaffen. Wenn aber Design-Fehler die Existenz eines intelligenten Urhebers nicht in Frage stellen könnten, wäre das Intelligent-Design-Konzept auf diesem Wege auch nicht prüfbar. Sowohl das Fehlen als als auch das Vorkommen von Design-Fehlern wäre mit der Existenz eines Urhebers bzw. mit dem Intelligent Design-Konzept kompatibel.

Wird jedoch konkret vom christlichen Gottesbild ausgegangen, das sich auf die biblische Überlieferung stützt, können daraus allgemeine Attribute des Schöpfers abgeleitet werden. Wenn etwa der Prophet Jeremia auf die „Kraft“, „Weisheit“ und „Einsicht“ der Schöpfers hinweist (Jeremia 10,12; vgl. Kapitel 1), so folgen kaum beliebige Erwartungen an die geschaffenen Konstruktionen der Lebewesen. Vielmehr kann man folgende Erwartung formulieren:

Eine primäre (schöpfungsbedingte) Funktionslosigkeit, die weder als Rückbildung (vgl. |1.3.5.3.1 Rudimentäre Organe|) noch als Luxusstruktur (vgl. |0.4.1.5 Spielerische Komplexität|) plausibel gemacht werden kann, ist im Rahmen des Schöpfungsparadigmas nicht zu erwarten.

Mutmaßliche Design-Fehler als Forschungsanreiz. In |0.1.1.2 Schöpfung und Wissenschaft| wird im Anhang 1 („Evolutionsparadigma als Forschungshindernis?“) darauf hingewiesen, dass im Rahmen des Evolutionsparadigmas der Verweis auf Konstruktionsmängel eher dazu angetan ist, Forschung zu verhindern als zu fördern. Denn wenn bestimmte Organe als evolutionsbedingt funktionslos oder funktionsschwach beurteilt werden, kann diese Deutung kaum die Erforschung funktioneller Zusammenhänge anregen. Wenn die Suche nach Funktionen trotzdem vorangetrieben wird, dann ist dies kaum durch das Evolutionsparadigma motiviert, sondern eher durch die Vorstellung von der Zweckhaftigkeit der Organe. Die oben formulierte biblisch motivierte Voraussetzung, ein Schöpfer werde nichts Fehlerhaftes erschaffen, bietet jedenfalls einen starken Forschungsanreiz, vermeintlichen Fehlern auf den Grund zu gehen und auf diesem Wege neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Evolutionstheoretisch könnte man allenfalls annehmen, dass Diskrepanzen zwischen Struktur und Funktion im Laufe der Zeit selektiv eliminiert werden. Das heißt: Funktionslos gewordene Strukturen werden solange abgebaut (durch Verlustmutationen), bis eine vorübergehende Diskrepanz zwischen Struktur und Funktion wieder ausgeglichen ist. Solche Diskrepanzen wären evolutionstheoretisch daher nur in einer vorübergehenden Phase als Ausnahmen zu erwarten. Aufgrund der Selektionsdrücke sollten Diskrepanzen zwischen Struktur und Funktion nach einiger Zeit verschwinden. Findet man dennoch Beispiele vermeintlicher Diskrepanzen, könnte man daher auch unter evolutionstheoretischen Prämissen motiviert sein, die Kenntnisse über Struktur-Funktions-Beziehungen zu erweitern, um die nicht erwartete Diskrepanz als nur scheinbar zu entlarven.

Als in den letzten Jahren häufig diskutiertes Beispiel kann hier die Deutung scheinbar funktionsloser DNA als „Junk-DNA“ bzw. als evolutionärer Müll erwähnt werden. Die Suche nach Funktionen der nicht protein-codierenden DNA ist sicher nicht durch die Vorstellung motiviert, dass es sich dabei um evolutiven Müll handelt. Auch hier können spezielle Evolutionstheorien die Suche nach Funktionen motivieren; diese Suche ist aber von vornherein im Rahmen des Schöpfungsparadigmas motiviert, wenn eine intelligente Schöpfung vorausgesetzt wird.

Wichtig für die Frage nach der heuristischen Fruchtbarkeit des Schöpfungsparadigmas ist die Feststellung, dass in dessen Denkrahmen Forschung stark motiviert ist, wenn Konstruktionen mangelhaft erscheinen. Zunächst vermutete Diskrepanzen zwischen Struktur und Funktion können nur durch weitere Forschungen aufgelöst werden. Forschung könnte aber auch dazu führen, dass diese Diskrepanzen umso deutlich hervortreten und zunehmend plausibler werden. Damit aber würde die biblische Sicht vom Intelligenten Design an Plausibilität verlieren. Wie immer in naturhistorischen Fragen kann es auch hier nur um Plausibilitäten gehen (vgl. |1.1.3.2 Methodik der historischen Forschung|), doch ist klar, dass bei weitem nicht jeder Befund gleichermaßen zum Ansatz der biblischen Schöpfungslehre passt.

Nachträgliche Veränderungen der ursprünglichen Designs. Weiter oben wurde erwähnt, dass ursprüngliche Designs nach ihrer Erschaffung durch mikroevolutive Prozesse im Grundtyprahmen verändert worden sein könnten. Dies gilt insbesondere, wenn die biblische Schöpfungslehre vorausgesetzt wird, denn nach biblischem Verständnis ist die heutige Schöpfung nicht mit der Ursprungsschöpfung identisch. Während die Schöpfung heute als „unter der Knechtschaft der Vergänglichkeit seufzend“ geschildert wird (Römer 8,19ff.), gab es in der ursprünglichen Schöpfung keinen Tod (vgl. |0.5.1.2 Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament| und |0.5.2.2 Biblische Aussagen zur Existenzweise der Lebewesen|). In biblischer Perspektive kann aus der Struktur der heutigen Schöpfung daher nicht unmittelbar auf Gottes ursprüngliches Schöpfungshandeln geschlossen werden.

Daraus folgt, dass Degenerationen und damit einhergehende Konstruktionsmängel als nachträgliche Veränderungen ursprünglicher Designs möglich und sogar zu erwarten sind. Denn auch im Rahmen des Schöpfungsparadigmas gibt es eine Geschichte der Lebewesen; die Schöpfung ist nicht statisch. Die geschaffenen Lebewesen befinden sich nicht mehr im Originalzustand.

Nun könnte man an dieser Stelle einwenden: Perfektes Design ist das, was geschaffen ist, Konstruktionsmängel dagegen Produkt natürlicher Vorgänge nach der Erschaffung. Daraus könnte eine Immunisierung gegen Kritik resultieren, denn was immer man auch beobachtet – perfektes oder „minderwertiges“ Design –, es würde immer passen; Testbarkeit und Falsifikation wären ausgeschlossen. Doch so einfach ist die Sachlage nicht. Denn im Rahmen des hier vorausgesetzten Grundtypmodells können nur mikroevolutive Prozesse herangezogen werden, um sekundäre Konstruktionsmängel zu erklären (zum Beispiel bei blinden Höhlenfischen). Eine genauere Analyse muss also im Einzelfall zeigen, ob ein „Design-Fehler“ überhaupt als nachträglich eingestuft werden kann. Dass es sich also nicht um eine primäre (schöpfungsbedingte) Funktionslosigkeit handelt, muss im Einzelfall plausibel gemacht werden und darf selbstverständlich willkürlich behauptet werden.

Auch hier gilt: 1. Diese Klärungen sind nur durch Forschung möglich und diese Forschung ist ergebnisoffen. 2. Es können wie immer in historischen Fragen nur Plausibilitäten abgewogen werden.

2.8 Design und Constraints

Gegen die Falsifizierbarkeit des Intelligent-Design-Konzepts durch Aufweis von Konstruktionsmängeln könnte man weiter einwenden, dass man solche Mängel einfach als constraints („strukturelle Zwänge“, die keine andere Konstruktion erlauben, wenn die Funktion gewährleistet werden soll) erklären könnte. Damit könnte man behaupten, ein Schöpfer sein nun mal an gewisse Rahmenbedingungen gebunden; damit seien Mängel kein Beweis für schlechtes Design, sondern lägen sozusagen in der Natur der Sache.

Doch der Hinweis auf constraints darf nicht als ad hoc-Erklärung für Konstruktionsmängel herangezogen werden. Vielmehr muss gezeigt oder wenigstens plausibel gemacht werden, dass gewisse Anforderungen an die Konstruktionen des Lebens die vorliegenden Konstruktionen verständlich bzw. sogar erforderlich machen, wenn sie denn funktionieren sollen. Wenn also ein Verdacht vorliegt, bestimmte Organe seien mangelhaft, kann dies nicht einfach mit dem Verweis auf mögliche constraints erledigt werden, vielmehr sollte (durch Forschung!) herausgefunden werden, worin die constraints bestehen. Sonst wäre der nicht weiter begründete Verweis auf constraints eine Immunisierungsstrategie gegen Kritik.

Es wäre jedoch ein falsches Verständnis von der Schöpfermacht Gottes, wenn man annehmen wollte, er könne sich doch über contraints bzw. funktionelle Erfordernisse hinwegsetzen, was hin und wieder behauptet wird. Das wäre widersinnig. Ob constraints vorliegen, muss durch eingehende Untersuchungen plausibel gemacht werden. Damit wird gleichzeitig auch die Behauptung geprüft, das betreffende Organ sei mangelhaft. Wieder wird deutlich, dass der Design-Ansatz Forschung fördern kann statt sie zu verhindern.

Ein Beispiel aus Junker (2002, 111): Die Überkreuzung von Speise- und Luftröhre bei Säugetieren wird oft als Konstruktionsmangel angeführt. Wegen der Gefahr des Verschluckens sei diese Konstruktion nicht optimal und als stammesgeschichtlich bedingte Fehlkonstruktion anzusehen. Doch davon kann nicht die Rede sein, denn bei Nicht-Überkreuzung würde die Speiseröhre vor dem Herzen liegen, was z. B. bei einer Vergrößerung des Herzens zu einem Abdrücken der Speiseröhre führen würde. Die Überkreuzung hat zudem einige Vorteile: In der Luftröhre hinaufbeförderter Schleim kann in die Speiseröhre abgeleitet werden. Außerdem macht diese Konstruktion Atmung durch den Mund möglich, was bei Anstrengung, beim Heraushusten von Fremdkörpern oder auch bei starkem Schnupfen eine dankenswerte Einrichtung ist. Außerdem ist diese Konstruktion platzsparend.

Als weiteres Beispiel sei der genetische Code angeführt. Freeland & Hurst (2004, 90) machen dazu folgende interessante Bemerkung: „Der Standardcode, der sich vor Urzeiten entwickelte und über Milliarden Jahre erhalten blieb, ist demnach kein Zufall – im Gegenteil: Er wurde darauf optimiert, die Auswirkungen biochemischer Zufälle zu minimieren.“ Wenn es tatsächlich zutreffen würde, dass der Standardcode der beste denkbare Code ist, könnte man auch im Rahmen des Schöpfungsparadigmas argumentieren, dass der Code optimal „ausgedacht“ sein könnte. Gott hätte nicht beliebige Codes verwenden können, wenn der Code optimal sein sollte. Auch hier könnte man eine Bindung an constraints sehen, die sich darin äußert, dass ein optimales Produkt gefertigt werden soll. Es wäre eine sehr seltsame Argumentation, wenn man sagen wollte, dass sich ein allmächtiger Schöpfer über solche Zusammenhänge hinwegsetzen würde. Denn weshalb sollte er das tun?

Bei allen diesen Mutmaßungen dieser Art muss man sich allerdings darüber im Klaren sein, dass Überlegungen über Motivationen des Schöpfers immer problematisch sein müssen.

2.9 Zusammenfassung

Das „Unvollkommenheits-Argument“ kann von drei Seiten her in Frage gestellt werden.

Erstens handelt es sich im Kern um ein theologisches und nicht um ein naturwissenschaftliches Argument, da es nur auf der Basis bestimmter Gottesvorstellungen formuliert werden kann.

Zweitens stellen Argumente gegen Schöpfung nicht notwendigerweise Argumente für Evolution dar.

Und drittens sind Unvollkommenheiten kaum empirisch nachweisbar, sondern sind evolutionstheoretisch begründete Vermutungen, deren Plausibilität mit der evolutionstheoretischen Voraussetzung steht oder fällt. Einzelne Organe dürfen zudem nicht (nur) isoliert betrachtet, sondern müssen im Organismusganzen bewertet werden, wenn eine Einschätzung über mögliche Unvollkommenheiten erfolgen soll. Und schließlich muss geprüft werden, ob die zur Diskussion stehenden Beispiele sich im mikroevolutiven Rahmen innerhalb von Grundtypgrenzen bewegen.

Das Unvollkommenheits-Argument liefert Möglichkeiten, das Intelligent Design-Konzept zu testen. Die Intelligent Design-Hypothese, es gebe keine primären Konstruktionsmängel, regt Forschung an und führt zu neuen Erkenntnissen. Je nach Ergebnis dieser Forschungen kann die Plausibilität von Intelligentem Design gestärkt oder geschwächt werden.

Literaturhinweis: Bei einigen Teilen dieses Textes handelt es sich um eine leicht überarbeitete und gekürzte Fassung des 4. Kapitels von: R. Junker, Ähnlichkeiten, Rudimente, Atavismen. Design-Fehler oder Design-Signale. Holzgerlingen, 2002.

2.10 Literatur

Bardell D (1997) Biological misfits as evidence of evolution. Am. Biol. Teacher 59, 392-394.

Darwin C (1859) The origin of species by means of natural selection or the preservation of favoured races in the struggle for life. Nachdruck der 1. Auflage. Penguin Books, Harmondsworth, Middlesex, England, 1968; mit einer Einführung von J. W. Burrow. Dt.: Darwin C (1967 [1859|) Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl. Stuttgart.

Endo H, Yamagiwa D, Hayashi Y, Koie H, Yamaya Y & Kimura J (1999) Role of the giant panda’s ‘pseudo-thumb’. Nature 397, 309-310.

Freeland SJ & Hurst LD (2004) Der raffinierte Code des Lebens. Spektrum der Wissenschaft, Juli 2004, S. 86-93.

Futuyma D (1998) Evolutionsbiologie. Basel.

Gould SJ (1989) Der Daumen des Panda. Frankfurt.

Junker R (2002) Ähnlichkeiten, Rudimente, Atavismen. Studium Integrale. Holzgerlingen.

Kull U (1994) Turgeszenz, Hydraulik, Information und das Maschinenkonzept in der Biologie. In: Maier W & Zoglauer T (Hg) Technomorphe Organismuskonzepte. Bad-Cannstatt, S. 199-211.

Nelson PA (1996) The role of theology in current evolutionary reasoning. Biol. Philos. 11, 493-517.

ReMine WJ (1993) The Biotic Message. Evolution versus Message Theory. Saint Paul, Minnesota.

Ridley M (1996) Evolution. 2nd ed. Cambridge, Mass.

Weindel K (2000) Konstitution von Nucleinsäuren: Hinweise auf funktionelle Optimierung. Stud. Int. J. 7, 36-39.

Zoglauer T (1991) Optimalität der Natur? Philosophia Naturalis 28, 193-215.

 

Autor: Reinhard Junker, 05.08.2005

© 2005, https://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/e1641.php

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