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Wort-und-Wissen-Info 4/2011


Liebe Freunde von Wort und Wissen!

der geniale Naturforscher und Experimentator Michael Faraday (1791–1867) bot in London Weihnachtsvorlesungen an. Darin präsentierte er naturwissenschaftliche Erkenntnisse in allgemeinverständlicher Form vor allem für jugendliche Zuhörer mit anschaulichen Demonstrationen und Abbildungen. An sechs Terminen sprach er 1860/61 über die „Naturgeschichte einer Kerze“ (Chemical history of a candle). Die erste Vorlesung leitete er mit der Feststellung ein: „Schon bei einer früheren Gelegenheit wählte ich die Naturgeschichte einer Kerze zum Thema meines Vortrags, und stände die Wahl nur in meinem Belieben, so möchte ich dieses Thema wohl jedes Jahr zum Ausgang meiner Vorlesungen nehmen, so viel Interessantes, so mannigfache Wege zur Naturbetrachtung im Allgemeinen bietet dasselbe dar. Alle im Weltall wirkenden Gesetze treten darin zu Tage, und schwerlich möchte sich ein bequemeres Thor zum Eingang in das Studium der Natur finden lassen.“1

Eine Kerze ist dadurch charakterisiert, dass ein poröser Stoff als saugfähiger Docht mit festem Brennmaterial umgeben ist. Wenn wir in der vorweihnachtlichen Zeit eine solche Kerze anzünden, setzen wir damit sehr komplexe Prozesse in Gang, ohne uns dessen bewusst zu sein.2 Durch die Flamme am wachsgetränkten Docht wird festes Wachs unmittelbar darunter geschmolzen und steht für den Transport durch den Docht zur Aufrechterhaltung der Flamme bereit. Das flüssige Wachs befindet sich in einer schalenförmigen Vertiefung, welche in der abbrennenden Kerze beständig aufrechterhalten wird. Der durch die heiße Flamme verursachte andauernde Zustrom kühler Luft sorgt dafür, dass das Wachs am äußeren oberen Rand der Kerze erhaben bleibt.

Der Blick in eine ruhig brennende Kerzenflamme liefert uns Hinweise auf unterscheidbare Bereiche in der Flamme. In der bläulich erscheinenden Zone strahlen kleine energiereiche Moleküle, die von großen Wachsmolekülen abgetrennt wurden, Licht im entsprechenden spektralen Bereich ab. Im darüber liegenden Bereich laufen viele chemische Reaktionen ab, die erst teilweise sicher nachgewiesen werden konnten. Dabei werden auch Rußpartikel gebildet, deren Glühen den größten Teil der Flamme charakterisiert gelb leuchten lässt. Im äußeren Mantelbereich der Flamme ist der Luftsauerstoff für die Verbrennungsprozesse am besten verfügbar, hier entwickelt die Flamme auch die höchsten Temperaturen.

Eine ganze Reihe äußerer Einflüsse ist notwendig, damit Kerzen mit den uns vertrauten Flammen abbrennen. Wenn z.B. der Sauerstoffanteil in der Luft höher ist, verläuft der Vorgang heftiger, ist er niedriger oder der Anteil an Kohlendioxid höher, kann die Kerze erlöschen und gar nicht entzündet werden. Wenn nur eine kleine Gravitationskraft wirksam ist, z.B. unter Bedingungen, die wir als „Schwerelosigkeit“ bezeichnen, bilden sich keine uns bekannten gelb leuchtenden, züngelnden Flammen, sondern bläuliche, kugelförmige Erscheinungen.3 Auf einer Raumstation erzeugen Kerzen eine völlig ungewohnte Atmosphäre.

Michael Faraday, der jungen Menschen anhand der Kerzenflamme für Naturphänomene interessieren und sie in Naturkunde unterrichten wollte, glaubte an Gott. Seine Biographen berichten, dass er über seinen christlichen Glauben wenig öffentlich geredet habe.

Damit eine Kerze in der dunklen und kalten Jahreszeit unsere Zimmer mit ihrer typisch flackernden warmen Flamme erhellen kann, müssen wir sie entzünden, sie brennt nicht von selbst. Das erinnert uns an das Wort des Propheten Jesaja, das für viele zum Advent gehört: Mache dich auf und werde licht! Denn dein Licht kommt (eigentlich: ist gekommen!). Wie für eine Kerzenflamme eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein muss, damit sie richtig brennt, können wir nicht unter beliebigen Umständen unseren Auftrag erfüllen. Und wie in einer Kerze normalerweise all die komplexen Prozesse – die wir immer noch staunend erforschen und wobei wir Neues herausfinden können – ablaufen, dürfen wir entdecken, dass Gott in unserem Leben komplizierte Dinge einfach gelingen lässt.

Für diese Weihnachtszeit wünsche ich Ihnen, dass Sie sich wieder neu von Gott anzünden lassen, auch komplizierte Dinge einfach geschehen lassen können und so in Ihrer Umgebung für eine gute Atmosphäre sorgen, für eine Atmosphäre, in der man zur Ruhe kommen und sich wohl fühlen kann.

Ihr Harald Binder

Anmerkungen
1 Quellenhinweise zum Text (auch in deutscher Übersetzung) findet man bei Wikipedia unter „Naturgeschichte einer Kerze“
2 Infos zur Kerzenflamme und Anleitungen zu eigenständigen Beobachtungen und Experimenten mit Kerzen gibt es im Internet z. B. hier: http://www.seilnacht.com/versuche/kerze.html
3 Bei Wikipedia ist unter „Kerze“ eine entsprechende Aufnahme der NASA publiziert.

 

Ein ungewöhnliches und wichtiges Buch

Michael Brandt, der Autor von „Vergessene Archäologie“, gibt einige Einblicke in das Werk und seine Entstehung

Mitte September erschien das umfangreiche Buch „Vergessene Archäologie“, in dem Michael Brandt über brisante Steinwerkzeuge berichtet, die dazu geeignet sind, evolutionstheoretische Vorstellungen zur Entstehung des Menschen zu Fall zu bringen. Wir haben dem Autor dazu einige Fragen gestellt.

Herr Brandt, wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

Auf das Thema bin ich durch die Lektüre des Buches „Verbotene Archäologie“ der beiden amerikanischen Hinduisten Michael A. Cremo  und Richard L. Thompson gestoßen. Ich hatte zuvor noch nie von diesem Thema gehört, obwohl ich mich bis dahin schon sehr intensiv mit der Paläanthropologie („Lehre vom Altmenschen“) beschäftigt hatte. Das Buch von Cremo und Thompson faszinierte mich. Die Kapitel über Feuersteinwerkzeuge in tertiären Schichten fand ich besonders überzeugend. Zunächst wollte ich „nur“ die im Buch zitierte Literatur auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüfen, aber es wurde weit mehr daraus.

Warum ist dieses auf den ersten Blick trockene Thema für Sie als Christ überhaupt interessant?

Nach dem Neuen Testament stehen Jesus und der erste Mensch Adam heilsgeschichtlich in einem unauflösbaren Zusammenhang. Dieser wäre hinfällig, wenn Adam nicht als historische Person existiert hätte. Nach der Evolutionstheorie hat sich der Mensch dagegen schrittweise aus Tieren entwickelt. In diesem Modell gibt es keinen ersten Menschen. Im konventionellen Evolutionsmodell existiert die Menschheit seit ca. 2 Millionen Jahren, unter Einbeziehung der tertiären Steinwerkzeuge wäre es eine zweistellige Millionenzahl. Wenn auch in den Geschlechterregistern der Genesis (1. Buch Mose) Lücken vorhanden sind, wofür es exegetische Argumente gibt, so kann doch die Menschheitsgeschichte – biblisch gesehen – nicht auf Millionen von Jahren ausgedehnt werden. Die Evolutionstheorie mit ihren langen Zeiträumen ist deshalb für mich mit dem biblisch-christlichen Glauben unvereinbar. Das wiederum motiviert mich, nach Befunden Ausschau zu halten, die das Evolutionskonzept in Frage stellen und tragfähige Argumente für eine alternative, biblische Sicht ermöglichen. Diese Motivation allein ist aber nicht ausreichend, man muss auch Spaß an wissenschaftlicher Arbeit haben.

Hat „Vergessene Archäologie“ auch mit der Frage nach dem Alter der Menschheit zu tun?

In meinem Buch „Wie alt ist die Menschheit?“ habe ich dargelegt, dass es in der konventionellen Menschheitsgeschichte von 2 Millionen Jahren rätselhaft ist, warum die Bevölkerung kaum wuchs, warum es nur so wenige Hinterlassenschaften des Menschen gibt und warum die kulturell-technische Entwicklung in diesem enormen Zeitraum praktisch stagnierte. Diese Probleme verschärfen sich enorm, wenn der Mensch nicht erst im Pleistozän,  sondern schon im Frühtertiär gelebt hat. Den Nachweis führe ich in „Vergessene Archäologie“.

Der an Ihrem Buch Interessierte fragt sich vielleicht: Was kann ich mit diesen vielen Werkzeugen anfangen? Was haben also Laien von diesem Buch?

Das Buch hat zwei Hauptergebnisse. Erstens gibt es eindeutige Hinweise (Feuersteinwerkzeuge) auf die Existenz des Menschen lange vor dem heute postulierten Übergang vom „Affenmenschen“ zum Menschen. Zweitens ist das auf Millionen Jahre datierte Alter der Schichten, aus denen die Werkzeuge stammen, zu bezweifeln. Die Zeiträume des Tertiärs müssen wesentlich kürzer gewesen sein als sie herkömmlich datiert sind.

Mit den tertiären Steinwerkzeugen tauchen Menschen – belegt durch ihre Hinterlassenschaften – völlig unvermittelt auf ohne auch nur ansatzweise diskutierbare tierische Vorfahren. Damit existiert kein wissenschaftlich-naturalistisches Modell mit Belegen über den Ursprung des Menschen. Nach dem biblischen Bericht ist solch ein Abstammungsmodell auch nicht möglich, denn danach stammen wir unmittelbar aus Gottes Schöpferhand und nicht von tierischen Vorfahren ab. Allerdings widerlegen die tertiären Steinwerkzeuge nicht grundsätzlich das Evolutionsmodell, denn man könnte postulieren, dass die frühtertiären Menschen aus noch älteren nicht fossilisierten „Affenmenschen“, diese wiederum aus nicht fossilisierten Großaffen usw. entstanden sind.

Was kann man in Ihrem Buch außer über die alten Werkzeuge noch lernen?

Im Buch wird auch ein Blick hinter die Kulissen des Wissenschaftsbetriebes geworfen und es werden die tieferen Gründe aufgezeigt, die schließlich zur Ablehnung der tertiären Steinwerkzeuge durch die Wissenschaftsgemeinschaft geführt haben. Es wird dargelegt, wie in der Vorgeschichtsforschung gute Daten mit schlechten Argumenten diskreditiert, dann zunehmend nicht mehr diskutiert und schließlich vergessen werden, wenn sie in starkem Gegensatz zur herrschenden Theorie stehen. „Vergessene Archäologie“ leistet damit auch einen – wie ich meine – lehrreichen Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte.

Wie sind Sie vorgegangen, um die alten Berichte über die „viel zu alten“ Werkzeuge zu überprüfen?

Ich hatte vier Informationsquellen: Originalartikel früherer Bearbeiter, in Museen archivierte Funde, Austausch mit Werkzeugsammlern und Besuche von Fundstellen. Die Auswertung aller Informationen war sehr aufwändig und ohne die Mithilfe zahlreicher Unterstützer wäre die Arbeit nicht möglich gewesen. Viele französische Fachartikel wurden von Michaela Künzler übersetzt, beim Besuch europäischer Museen, universitärer Einrichtungen und Fundstellen wurde ich von Dr. Martin Ernst, Guy Gerard und  Dr. Peter van der Veen begleitet und unterstützt. An die Funde zu gelangen war zwar mit einigem Aufwand verbunden, aber dennoch ohne weiteres möglich. Bei dem Thema handelt es sich also durchaus nicht um eine „Verbotene Archäologie“, sondern um eine „Vergessene Archäologie“.

Welche Auswirkungen erhoffen Sie sich von der Veröffentlichung dieses Buches? 

Offen gestanden erwarte ich langfristig keine grundlegenden Auswirkungen. Die Ergebnisse des Buches sind völlig inkompatibel mit heutigen evolutionären Vorstellungen über den Ursprung des Menschen. Als Konsequenz müsste man die Lehrbücher und Ausstellungen in den Museen ändern und die „bewiesene“ Abstammung des Menschen von „Affenmenschen“ fallen lassen. Viele Facharbeiten, die dies zum Thema haben, sind damit in ihren Schlussfolgerungen hinfällig. Diese Konsequenzen wird man natürlich nicht ziehen. Ich hoffe allerdings schon, dass der eine oder andere Fachmann ins Nachdenken kommt. Und dass möglichst viele interessierte Menschen erkennen, dass die etablierten Evolutionsmodelle längst nicht so sicher sind wie allgemein behauptet wird.

Vorstellung des Buches im Internet
www.vergessene-archaeologie.info

Das großformatige Buch (30 x 23) ist durchgehend farbig gestaltet. Trotz fachlicher Tiefe ist der Text gut verständlich; die Lektüre erfordert keine speziellen Vorkenntnisse. Die sehr gute Ausstattung ist für eine aussagekräftige detaillierte Dokumentation notwendig, hat aber natürlich ihren Preis. Dennoch konnte der Verkaufspreis durch Subvention der Produktionskosten relativ günstig gehalten werden. Mit einem Kauf des Buches erhalten Sie nicht nur wertvolle Informationen, sondern unterstützen auch die Arbeit von Wort und Wissen. Lassen Sie das Buch bei sich zuhaue sichtbar liegen, es bietet bei Besuchen bestimmt interessanten Gesprächsstoff.

Vergessene Archäologie
Michael Brandt Vergessene Archäologie 44,90 *

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„Kampf“ um Evolution

Notizen von Reinhard Junker

Indoktrination?

In einer Diskussion im Forum des „Freigeisterhauses (www.freigeisterhaus.de) fiel mir folgende Befürchtung auf: „Wenn Kinder und Jugendliche unablässig gegen die Evolutionstheorie indoktriniert werden, kann dem weltanschaulich Durchgeformten auch ein Mehr an Aufklärung nicht mehr die Augen öffnen. Besonders empfänglich für krause Ideen sind Kinder im Rahmen der Primärsozialisation. Und da die Evangelikalen auch noch mehr Kinder bekommen, als aufgeklärte Menschen, könnte es sein, dass da bald eine Lawine auf uns zurollt“ (gepostet von „Darwin Upheaval“).

Es wäre schön, wenn diese Lawine käme, dann gäbe es auch gute Chance, dass wir unser Nachwuchsproblem lösen können. Und wenn Christen Kindern Dinge beibringen, die der eigenen Weltsicht entgegenstehen, nennt man das kurzerhand „Indoktrination“.

„Der Kampf ist nicht vorbei“

Die Befürchtung von „Darwin Upheaval“ ist übrigens nicht ironisch gemeint, sie wird hin und wieder auch in Pressetexten und Zeitschriften geäußert. So beklagen P. Thagard und S. Findlay in „Science and Education“, das Aufgebenmüssen der religiösen Tradition sei eines der emotionalen Haupthindernisse für die Akzeptanz der Evolutionslehre. Sie stellen in ihrem Artikel zurecht fest, dass klassische christliche Positionen mit Evolution unvereinbar seien.1

Kein Wunder, dass sogar in der Fachzeitschrift „BioEssays“ für die Notwendigkeit eines Kampfes für Evolution plädiert wird. J. Dubochet, Autor des Artikels „Why is it so difficult to accept Darwin’s theory of evolution?“ schreibt dazu: „Ist das Ziel die Mühe wert? Es wird langwierig und schwierig sein, die Öffentlichkeit in ihrer Gesamtheit zu überzeugen, dass Darwins Evolutionstheorie korrekt ist. Ist das wirklich notwendig? Ist es überhaupt nützlich? In einem globalen Kontext betrachtet erfordert diese Frage eine positive Antwort. Es geht wirklich um nichts weniger als um die demokratische, freie, egalitäre Bestrebung, die von der Aufklärung in Gang gesetzt wurde, als Europa vor fast 400 Jahren durch religiöse Konflikte zerrissen wurde. Das Ziel war eine Welt, die auf mitteilbarer Vernunft und Wissen beruhte anstelle von Dogmen, Mystizismus und Emotionen. Der Kampf ist nicht vorbei.“2

Sehr viel höher kann man die Bedeutung der Akzeptanz von Evolution wohl kaum noch hängen.

Verordnete Beschönigung

Nun ist es aber nicht so, dass Evolutionsbiologen gar keine Probleme in ihren Hypothesen sehen würden, auch wenn immer wieder behauptet wird, man habe nie etwas entdeckt, was Evolution in Frage stellen würde.3 In der Fachliteratur werden durchaus offene Fragen angesprochen, die keine Kleinigkeiten betreffen.4 Dass dem so ist, weiß auch Eugenie Scott vom National Center for Science Education (NCSE) in den USA, führende Kritikerin von Kreationismus und Intelligent Design. In einem Interview in Science News plädiert sie unter der Überschrift „Accept it: Talk about evolution needs to evolve“ dafür, bei der Erläuterung neuer Befunde Begriffe zu vermeiden, die den Eindruck erwecken könnten, es gebe irgendwelche wirklichen Schwachpunkte in der Evolutionsbiologie. Es sei beispielsweise nicht hilfreich, wenn Evolutionsbiologen sagen, dass etwas die bisherige Sicht revolutionieren würde. Es sei besser es so auszudrücken, dass dieses neue Fossil oder jene neuen Daten ein neues Licht auf einen bestimmten Teil der Evolution werfen würde. Die Öffentlichkeit würde andere Formulierungen missverstehen, als würde die Zuverlässigkeit unseres Verständnisses von Evolution in Frage gestellt.5

Daran ist richtig, dass einzelne Befunde Evolution als Ganzes kaum in Frage stellen können; dazu müssen schon viele kritische Befunde zusammenkommen. Und selbst dann bleibt: Evolution im Gewand eines Glaubensbekenntnis ist nicht widerlegbar. Dennoch: Wenn Probleme mit den wissenschaftlichen Theorien zur Evolution nicht mehr als solche benannt werden sollen, kann man das getrost als verordnete Beschönigung bezeichnen.

Anmerkungen und Quellen
1 Thagard P & Findlay S (2010) Getting to Darwin: Obstacles to Accepting Evolution by Natural Selection. Sci. Educ. 19, 625-636.
2 BioEssays, doi: 10.1002/bies.201000142
3 Dazu ein neueres Beispiel: „There hasn’t been a single, notable scientific discovery in the last 150 years to challenge the general evolutionary approach“ (Jordan M [2008] Intelligently Discussing Design: Jones and Reisss Teaching about Scientific Origins: Taking Account of Creationism. Evo. Edu. Outreach 1, 536-540.
4 Einige Beispiele finden sich in meinem Artikel über „Evo-Devo“
www.evolutionnews.org/2009/07/eugenie_scott_coaches_scientis023301.html

 

Rezept für die Ursuppe gefunden?

Mit den obigen Worten (ohne Fragezeichen!) formulierte W. M. Merkel am 4. November dieses Jahres in der Tageszeitung „Die Welt“ die Überschrift zu einem Artikel anlässlich der Verleihung des Klung-Wilhelmy-Weberbank-Preises an Dieter Braun. Professor Braun von der LMU in München leitet im Bereich „Functional Nanosystems“ eine Gruppe „Systems Biophysics“.

Die Formulierung bedient eine verbreitete Erwartungshaltung bei der Leserschaft, die aufgrund verbreiteter, populärwissenschaftlicher Darstellungen davon ausgeht, dass zum naturwissenschaftlichen Verständnis der Entstehung von Leben nur noch fehlende Details zusammenzutragen und die grundsätzlichen Zusammenhänge bereits aufgeklärt und verstanden seien.

Dieter Braun hat mit seiner Arbeitsgruppe in den zurückliegenden Jahren Prozesse beschrieben und untersucht, bei denen in kleinräumigen Systemen mit Temperaturgradienten kreis- oder walzenförmige Strömungsmuster ausgelöst werden. Solche Systeme könnten z. B. in mit Wasser gesättigtem porösem Gestein etabliert werden. Teilchen, die in dieser Strömung transportiert werden, würden sich also regelmäßig abwechselnd in kühler und dann wieder in warmer Umgebung befinden. Temperaturwechsel dieser Art werden z. B. bei Reaktionssystemen benötigt, in denen Nukleinsäuremoleküle (DNA oder RNA) kopiert werden. Bei höheren Temperaturen trennen sich die beiden Stränge der Doppelhelix der DNA und unter kühleren Bedingungen werden dann die Einzelstränge durch Ergänzung wieder zu Doppelsträngen komplettiert (sofern alle für die Reaktionen notwendigen Komponenten vorhanden sind). Diese trennen sich dann bei höherer Temperatur erneut auf usw.

Darüber hinaus fanden Braun und seine Kollegen, dass sich in den eben beschriebenen Strömungssystemen in kleinsten Räumen (Gesteinsporen) Makromoleküle anreichern lassen. Diese Befunde wurden im Labor nachgestellt und dann auch theoretisch untersucht.

In den Veröffentlichungen haben Braun und seine Co-Autoren die Laborsysteme beschrieben und erklärt und dann diese Zusammenhänge auf Hydrothermale Quellen am Ozeanboden („schwarze“ und „weiße Raucher“ in der Nähe der Mittelozeanischen Rücken, s. Bild) übertragen. Mit ihren Untersuchungen möchten die Autoren ein Modell plausibel machen, in dem erste Nukleinsäuremoleküle vervielfältigt und auch angereichert werden könnten. In den porösen Mineralablagerungen der Schlote am Ozeangrund, durch die heißes mineralreiches Wasser strömt und die außen von kaltem Ozeanwasser umgeben sind, könnten sich in den Poren die oben genannten Bedingungen einstellen und die im Labor demonstrierten Prozesse abspielen – angetrieben durch den Temperaturunterschied.

Braun hat mit seinen Untersuchungen Phänomene beschrieben und zumindest teilweise erklärt, die möglicherweise zu erheblichen Verbesserungen von biotechnischen Prozessen führen können. Ob jedoch die im Labor demonstrierten Prozesse in hydrothermalen Tiefseequellen stattfinden, ob die Temperaturgradienten sich in geeigneten Bereichen ausbilden und die notwendigen chemischen Ausgangsstoffe vorhanden sind, ist bisher nicht geklärt. Das heißt: Ob die beschriebenen Vorgänge in der Natur ablaufen, ist völlig unklar. Ebenso ist derzeit nicht zu erkennen, ob Brauns Erkenntnisse einen Beitrag zur Lösung des Problems der Lebensentstehung beitragen können.

Populäre Darstellungen wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Massenmedien erfüllen eine wichtige Aufgabe, indem diese weiten Teilen der interessierten Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Um so mehr wäre zu wünschen, dass sorgfältige Formulierungen in Überschriften und Texten verwendet werden, die nicht vornehmlich spektakuläre Erwartungen wecken und mit verführerischen Illusionen zur Lektüre animieren. Auch interessierte Laien sollten die Chance haben die Grenzen gegenwärtigen Wissens zu erfahren und sich offener Fragen bewusst zu werden.

Harald Binder

 

„Zufall, Selbstorganisation und Emergenz“ (Neuerscheinung)

Die Mehrheit der Naturwissenschaftler geht davon aus, dass die Entstehung und Entwicklung des Lebens alleine auf natürliche Vorgänge zurückzuführen ist. Dabei sollen zufällige Prozesse eine wichtige Rolle gespielt haben. In diesem Zusammenhang werden häufig die Begriffe „Emergenz“ und „Selbstorganisation“ verwendet.

 

Der Physiker Joachim Sohns erläutert anhand von Beispielen die Bedeutung dieser Begriffe. Darauf aufbauend geht er der der Frage nach, welche Rolle Selbstorganisation und Emergenz bei der Lebensentstehung und der biologischen Evolution gespielt haben könnten. Die Analyse verschiedener wissenschaftlicher Modelle macht deutlich, dass keine pauschale und endgültige Antwort auf diese Frage möglich ist. Es ist wissenschaftlich derzeit nicht entscheidbar, ob Leben auf natürliche Weise entstehen konnte. Andererseits können Selbstorganisation und Emergenz nicht herangezogen werden, um Lücken in chemischen oder biologischen Modellen zu schließen oder durch unbekannte Mechanismen zu ersetzen.

 

Erika Gitt, W+W-Stipendiatin im Bereich Biblische Archäologie, stellt sich vor

Abb. 1: Zwei neuassyrische Gefäße (Sonderausstellung Berlin, Bild: P. van der Veen)

Ich heiße Erika Gitt, bin 27 Jahre alt und verheiratet. Ich habe in Münster Vorderasiatische Altertumskunde studiert und promoviere dort nun auch. Dabei befasse ich mich mit den Imitaten der neuassyrischen Keramik in der Levante während der Eisenzeit (frühes erstes Jahrtausend v. Chr.). Bevor ich jedoch ein wenig genauer erkläre, womit ich mich im Detail beschäftige, möchte ich Ihnen die Gelegenheit geben, mich persönlich besser kennen zu lernen.

Ich stamme aus der ehemaligen UdSSR und bin im Alter von drei Jahren nach Deutschland gekommen. Aufgewachsen bin ich in einem christlichen Zuhause, vor allem meine Mutter hat mich im christlichen Sinne geprägt. Meinen Eltern war es sehr wichtig, uns Kindern eigenständiges und kritisches Denken beizubringen. Ich habe viele Fragen gestellt und mich immer schon für Geschichte im Allgemeinen interessiert. Deshalb entschied ich mich letztlich auch für das Studium der Archäologie. Christen begegneten mir in diesem Bereich fast gar nicht. Eine ausgeprägt kritische Haltung zur Geschichtsschreibung der Bibel ist gang und gäbe. Das motivierte mich, genauer hinzuschauen und mich selbst mit dem Bereich Biblische Archäologie zu beschäftigen. Besonders hilfreich war für mich dabei Peter van der Veen. Ich erlebte bei ihm ganz direkt, dass es möglich ist, als Christ auch gleichzeitig ein guter und zuverlässiger Wissenschaftler zu sein.

Nun bin ich selbst Doktorandin und kann mich, dank eines Stipendiums von Wort und Wissen, voll und ganz meiner Promotion widmen. Ich möchte dabei die neuassyrische Keramik mit deren Imitaten in der südlichen Levante vergleichen (Beispiel siehe Abb. 1). Dabei hoffe ich Aussagen über ihre Datierung treffen zu können. Die lokal hergestellten Imitate der Luxuskeramik der Siegermacht Assyrien können uns helfen, die einzelnen Schichten der Siedlungen in der Levante zu datieren, was für die Querverbindungen der verschiedenen Kulturen (Mesopotamien, Syrien, Israel und auch Ägypten) und somit auch für die Verfestigung der Standardchronologie in der Archäologie von größter Bedeutung ist. Leider ist man sich bei der zeitlichen Einordnung dieser Ware selbst noch längst nicht einig. Erschwerend kommt hinzu, dass es teilweise nicht einmal einen Konsens darüber gibt, was genau unter dem Begriff „Assyrische Palastware“ zu verstehen ist, obwohl der Begriff in vielen Veröffentlichungen vorkommt. Gegenwärtig versuche ich genau das zu verstehen und eigene Typologien zu entwickeln, auf denen ich dann aufbauen kann. Ich werde bei meinen Untersuchungen auch über den „Tellerrand“ schauen und die Keramik der umliegenden Länder für meine Untersuchungen mit heranziehen.

Für mich als Stipendiatin ist die Doktorarbeit allerdings nicht das einzige, womit ich mich beschäftige. Ich unterstütze auch die Vorbereitungen der Fachtagung Archäologie. Darüber hinaus bin ich Mitglied der ABA (Arbeitsgruppe für Biblische Archäologie bei Wort und Wissen) und des BICANE-Forums, wo wir uns primär mit chronologischen Fragen beschäftigen (dieses internationale Forum ist ebenfalls aus einer Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe ABA mit anderen Wissenschaftlern, primär aus Großbritannien, entstanden). Das letzte BICANE-Kolloquium fand Ende März in Cambridge statt, während die Vorträge jetzt für eine Publikation vorbereitet werden.

Abb. 2: Erika Gitt bei einem Tiefschnitt der diesjährigen Feldstudie in Jerusalem (Bild: J. Schweinsberg)

Abb. 3: Unten im gleichen Tiefschnitt wurden Fundamente aus der Römerzeit freigelegt (Bild: J. Schweinsberg).

Die wohl schönste Aufgabe (zumindest für mich) ist die Assistenz bei der Leitung der Testgrabungen in Ost-Jerusalem. Gerade dies macht mir besonders große Freude. Hier kann ich voll und ganz Archäologin sein. Im August dieses Jahres waren wir in der glücklichen Lage, Testgrabungen nahe des Damaskustors durchzuführen. Mit einer kleinen Mannschaft (eine bunte Mischung aus Fachleuten und Freiwilligen, darunter auch meine beiden Schwestern Christina und Stefanie) konnten wir vier Tiefschnitte anlegen. Wir versuchten dabei einen groben Überblick über die verschiedenen Besiedlungszeiten zu bekommen (s. Abb. 2 und 3). Allerdings haben wir unsere Erkenntnisse nicht nur beim Graben erlangt, viele Funde kamen im Nachhinein, beim Durchsieben der zutage geförderten Erde, zum Vorschein. Unter anderem fanden wir mehreren Münzen (aus der römischen Zeit wie auch aus der Zeit der Osmanischen Herrschaft), viel Keramik (aus ganz verschiedenen Epochen) und Mosaiksteinchen. Besondere Highlights waren unter anderem Fragmente von Tonfiguren (u.a. von Götterfigurinen). Bereits im letzten Jahr war eine wohl mutwillig zerstörte Reiter­figurine gefunden worden, die, wie es scheint, aus der Zeit des Königs Manasse im 7. Jh. v. Chr.  stammt. Diese Funde werden uns helfen, die einzelnen Schichten genauer zu datieren und können so unsere Fragestellung bezüglich der Besiedlung dieser Region zur Zeit der Könige Israels und davor verfeinern und teilweise auch schon beantworten. Wir planen weitere Untersuchungen an dieser Stelle.

Ich liebe es Archäologin zu sein! Es ist ein wundervolles Gefühl, seinen Beitrag zur Klärung bislang noch ungeklärter Dinge leisten zu dürfen. Es ist mir vor allem ein Anliegen, der Biblischen Archäologie durch gute wissenschaftliche Arbeit wieder zu einem positiveren Ruf zu verhelfen.

 

Promotionsstipendien

Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen möchte junge Christen in ihrer Ausbildung als Wissenschaftler fördern. Deshalb vergibt Wort und Wissen auf Antrag Stipendien für die Anfertigung einer Promotion. Dabei sind uns die folgenden Aspekte wichtig:

  • Die Promotion soll thematisch an der wissenschaftlichen Arbeit von Wort und Wissen orientiert sein und diese ggf. ergänzen.
  • Wir erwarten die Mitarbeit in relevanten Fachgruppen von Wort und Wissen und Engagement für die Anliegen der Studiengemeinschaft.
  • Die Stipendienhöhe soll ausreichen, damit sich ein junger Wissenschaftler ausschließlich auf seine Arbeit konzentrieren kann. Die Höhe beträgt in der Regel 1000 Euro, zusätzlich unterstützen wir die Teilnahme an internen und externen Tagungen. Die Förderungsdauer beträgt maximal 3 Jahre.
  • Der Stipendiat soll in die Forschung an einem Institut eingebunden sein. Zusätzlich möchte auch Wort und Wissen durch einen zugeordneten Mitarbeiter die Arbeit und den Stipendiaten begleiten.
  • Anträge können gestellt werden, sobald der Antragsteller an einer wissenschaftlichen Hochschule zur Promotion zugelassen ist. Sie sollten eine Beschreibung und Begründung des geplanten Forschungsprojektes inklusive Zeitplan, Lebenslauf, Zeugniskopien und ein persönliches Gutachten eines Hochschullehrers enthalten.

Anträge sollten gesendet werden bis zum 15. Juli eines Jahres für die Förderung ab Oktober und bis zum 15. Januar eines Jahres für die Förderung ab April an: Studiengemeinschaft Wort und Wissen e.V., Dr. Reinhard Junker, Rosenbergweg 29, 72270 Baiersbronn

 

Der Natur auf der Spur im Frühlingswald …

… ist in der 3. Auflage erschienen. Reinhard Junker und Richard Wiskin stellen in ihrem leicht lesbaren und liebevoll geschriebenen Text den faszinierenden Lebensraum der Frühblüher im Laubwald unter der Perspektive der Schöpfung vor. Das Buch vermittelt Freude an der Schöpfung, gibt praktische Anleitungen zum Selberentdecken und liefert gute Argumente dafür, dass ein Schöpfer die wunderbaren Arten hervorgebracht hat. Das informative Buch ist besonders auch zum Verschenken geeignet an alle, die sich für Natur interessieren, auch und gerade wenn sie bisher nicht an einen Schöpfer gedacht haben.

Der Natur auf der Spur im Frühlingswald
Reinhard Junker, Richard Wiskin Der Natur auf der Spur im Frühlingswald 9,90 *

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Studium Integrale Journal

Themen Heft 2/2011 – Jetzt in Farbe

  • S. Hartwig-Scherer: Ardipithecus – ein Astgänger sägt am Lehrbuchwissen
  • R. Junker: Der Ursprung der Fledermäuse. Teil 2: Echoortung, Systematik, Konvergenzen und „Erklärungen“
  • H. Kutzelnigg: An der Nase herum geführt
  • R. Junker: Von komplex nach einfach?
  • H. Binder: Buckelzirpen – wie entstehen spektakuläre Körperanhänge?
  • H.-B. Braun: Zum Liebesleben der Rädertierchen
  • R. Junker: Die Entstehung neuer Enzyme – ganz einfach?
  • H. Binder: Eintagsfliege hinterlässt fossile Spuren
  • K.-U. Kolrep: Das lebende Rettungsfloß

 

Streiflichter: Läuse bestätigen große Lücke • Ur-Garnele ist „modern“ • Parasitierende Insektenlarve auf Spinne in Baltischem Bernstein • Fossile Riesenkrabbenspinne mit moderner Technik „wiederentdeckt“ • Schnecken(schnelle) Evolution: Die Bedeutung der Polyvalenz • Eroberung freier Räume statt Verdrängungswettbewerb • Orchidee trickst Bestäuber aus – Fall 1: Vortäuschung von Schimmelpilzen • Orchidee trickst Bestäuber aus – Fall 2: Imitation der Alarmstoffe von Blattläusen • Neues vom Birkenspanner • Moderne Optik im Kambrium • Millers Simulationsexperimente erneut unter der Lupe

Rezension: R. Junker: Epigenetic Principles of Evolution (Nelson R. Cabej)