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Ist Leben zufällig entstanden?



Inhalt


Eine Schlüsselstelle für die Evolutionslehre stellt der Übergang von der unbelebten zur belebten Natur dar. Die erste Entstehung einfacher zellähnlicher Strukturen wird dabei als zufälliges Resultat von molekularen Wechselwirkungen verstanden. In Modellen versucht man, solche Vorgänge zu rekonstruieren. Bei einer naturwissenschaftlichen Behandlung der Frage der Lebensentstehung ist zu fordern, daß solche Modelle mit physikalisch-chemischen Gesetzmäßigkeiten der experimentellen Forschung verträglich sind. Alle heute bekannten Lebewesen sind in elementarer Weise mit Nukleinsäuren (DNS und RNS) verknüpft. Die Möglichkeit einer spontanen Synthese von Nukleinsäuren als Basis der Speicherung, Verarbeitung und Umsetzung von Erbinformation soll hier anhand experimenteller Forschungsergebnisse diskutiert werden.

Nukleinsäuren bestehen aus drei Bestandteilen:

  • Stickstoffbasen: Adenin, Guanin (Purine), Cytosin, Uracil, Thymidin (Pyrimidine)
  • Zucker: D-Ribose (bei der RNS) bzw. 2-Desoxy-D-Ribose (bei der DNS)
  • Phosphorsäure: sie bildet die Brücke zwischen den einzelnen Nukleosiden (Stickstoffbasen + Zucker) und ermöglicht über die Phosphorsäureester den Aufbau von langen Molekülketten.

Will man die Entstehung von Nukleinsäuren durch zufällige Reaktionen auf einer hypothetischen frühen Erde erklären, so stößt man auf einige allgemeine Schwierigkeiten:

  • Über die Rahmenbedingungen auf einer hypothetischen frühen Erde bestehen große Unsicherheiten. Daher ist es unklar, ob auf der Urerde genügend organisches Ausgangsmaterial gebildet werden konnte.
  • Energiereiche Ausgangsverbindungen für die Synthesen müssen in ausreichender Konzentration und Reinheit zur Verfügung stehen.
  • In den geologischen Formationen finden sich keine Überreste von präbiotischen “Ursuppen”. Diese sollten in den ältesten Schichten anzutreffen sein. Es fehlt aber jede Spur davon.

Da Nukleinsäuren jedoch essentieller Bestandteil aller Lebewesen sind, müssen sie auf irgendeinem Weg entstanden sein. Wir wollen einige der zur Synthese von Nukleinsäuren nötigen Schritte kritisch beleuchten.

Stickstoffbasen

  • Cyanwasserstoff (HCN/Blausäure) erscheint als geeigneter Ausgangsstoff für die Synthese von Stickstoffbasen. Aus fünf Molekülen HCN kann die Stickstoffbase Adenin aufgebaut werden. Die chemische Synthese ergibt allerdings nur eine sehr geringe Ausbeute. Für die anderen Basen sind zusätzliche Ausgangsstoffe und komplexere Reaktionsbedingungen erforderlich, so daß deren Synthese unter unspezifischen präbiotischen Bedingungen entsprechend noch unwahrscheinlicher ist.
  • Für die Synthese müßten gleichzeitig alle äußeren Randbedingungen wie Temperatur, Druck, Konzentration, pH-Wert usw. exakt abgestimmt sein, um überhaupt ein gewünschtes Produkt zu erhalten. Dies ist auf einer frühen Erde äußerst unwahrscheinlich.
  • Die entstandenen Stickstoffbasen müßten von einem großen Anteil von Verunreinigungen (z. T. sehr ähnlichen, aber für die Nukleinsäuren unbrauchbaren Stickstoffverbindungen) abgetrennt werden. Ein natürlicher Prozeß hierfür ist unbekannt.

Zucker

  • Als Ausgangsstoff für Zucker bietet sich Formaldehyd an. Unter geeigneten Bedingungen läßt sich aus wäßriger Formaldehyd-Lösung ein süßer Zuckersirup (Formose) gewinnen. Die Ausbeute an Zucker vom benötigten Ribosetyp (Aldopentose) ist verschwindend klein.
  • Das gasförmige Formaldehyd muß für die Reaktion zunächst erst einmal in geeigneter Form und Konzentration zur Verfügung stehen. Die bekannten Szenarien liefern dafür keine befriedigende Antwort.
  • Ribose muß aus dem entstandenen Zuckersirup als ein Spurenbestandteil isoliert d. h. von einem großen Überschuß anderer Zucker gereinigt werden, was selbst heute einen erheblichen technischen Aufwand erfordert. Präbiotische Modelle hierfür sind unbekannt.
  • Ribose ist eine optisch aktive Verbindung, d. h. es existieren zwei Erscheinungsformen, die sich zueinander verhalten wie die linke und die rechte Hand. Beide entstehen bei der chemischen Synthese zu gleichen Teilen. In den Nukleinsäuren tritt ausschließlich eine Form auf. Für eine Trennung bzw. selektive Synthese existieren keine realistischen “Ursuppen”-Modelle.

Nukleosidbildung

  • Die unter verschiedenen Bedingungen und unter räumlicher Trennung synthetisierten und rein isolierten Zucker und Stickstoffbasen müssen zusammengeführt werden.
  • Die Gegenwart von Wasser verhindert eine Glykosidierung (Reaktion von Zucker und Stickstoffbasen). Die Modelle gehen aber in großer Übereinstimmung von Wasser als bevorzugtem Lösungsmittel aus.
  • Die Bindung kann sowohl am Zucker als auch an der Stickstoffbase an verschiedenen Stellen erfolgen. Aber nur eine ganz spezifische Bindung zwischen Zucker und Stickstoffbase liefert die Voraussetzung für die Ausbildung einer Doppelhelix, wie sie bei Nukleinsäuren auftritt. Hier müßte noch ein Mechanismus für die vollständige Abtrennung der falschen Verbindungen gefunden werden, bisher ist keiner bekannt.

Nukleinsäurebildung

  • Unklar ist bis heute, wie und in welcher Form die Phosphorsäure, die zur Ausbildung der Phosphorsäurediester-Brücke notwendig ist, bereitgestellt werden soll.
  • Die aktivierten Nukleotide (Zucker + Stickstoffbase + Phosphorsäure) müßten in genügender Konzentration und Reinheit zur Verfügung stehen.
  • Die Polykondensation der Nukleotide zu einer linearen Polynukleotidkette unter Ausbildung einer (von vielen möglichen) ganz spezifischen Phosphorsäurediester-Brücke erfordert nach heutigen Kenntnissen einen erheblichen technischen Aufwand, von dem nicht annähernd vorstellbar ist, wie er auf einer hypothetischen frühen Erde ausgesehen haben könnte.

Wären gegen all diese kritischen Argumente auf einer frühen Erde dennoch Nukleinsäuren vorhanden gewesen, so müßte man für sie folgende Forderungen stellen:

  • Schutz vor energiereicher Strahlung, die eine Zerstörung bewirken würde. Nahezu alle Szenarien für eine frühe Erde gehen jedoch im Gegenteil von erhöhten Strahlendosen aus.
  • Ohne Schutzhülle und Reparaturmechanismen sind einzelne Nukleinsäuren vor Wasser zu schützen, sonst erfolgt Hydrolyse.

Die bis hier vorgetragenen Argumente zielen auf die präbiotische Entstehung von Nukleinsäuren ab. Die Nukleinsäuresynthese wird heute als erster Schritt auf einem Weg, der auf natürliche Weise zum Leben führt, angesehen. Dabei handelt es sich um eine überschaubare Folge von Reaktionen die wir zu einem großen Teil recht genau beschreiben können. Dessen ungeachtet ist bis jetzt kein Modell beschrieben worden, das die oben angeführten Argumente berücksichtigt.

Ein ganz entscheidender Aspekt wurde noch gar nicht berührt und soll hier nur kurz angedeutet werden: die Nukleinsäuren als Informationsträger. Woher diese Information stammt, und wie sie in diesen chemischen Strukturen der Nukleinsäuren ursprünglich codiert wurde, ist Gegenstand umfangreicher Diskussionen und Spekulationen, wobei hier der Bereich experimenteller naturwissenschaftlicher Methoden überschritten wird. Nukleinsäuren als Informationsspeicher stellen hohe Anforderungen hinsichtlich Vervielfältigung (Replikation) und entsprechender Reparaturmechanismen, um zu gewährleisten, daß vorhandene Information nicht wieder verloren geht.

Für eine zufällige Entstehung des Lebens sind noch eine Vielzahl anderer komplexer Reaktionsfolgen notwendig. Auch für diese gilt, daß bisher keine realistischen Reaktionswege beschrieben wurden.

Es ist wohl einer der schwächsten Punkte in der von Evolutionstheoretikern angestrebten Kausalkette von Erklärungen zur Entstehung und Entwicklung des Lebens, daß die systematischen experimentellen Forschungsprogramme seit Millers Simmulationsexperiment 1953 dazu geführt haben, daß die Entstehung des Lebens in größerem Dunkel liegt als zu Zeiten Darwins.

Literatur

Junker, R., Scherer, S.: Evolution – ein kritisches Lehrbuch (Neuauflage von “Entstehung und Geschichte der Lebewesen”). Weyel, Gießen, 4., völlig neu bearbeitete Aufl. 1998; Kapitel 8. Weitere detaillierte Literaturangaben finden sich dort.