Buchbesprechung: A. Tollmann & E. Tollmann: Und die Sintflut gab es doch.
Inhalt
- 1. Einführung
- 2. Aussage des Buches
- 3. Der Kreide/Tertiär-Impakt
- 4. An welchen Stellen ist Vorsicht geboten?
- 4.1 Thematische Vielfalt
- 4.2 Vulkanismus-Hypothese
- 4.3 Aussagen zum christlichen Weltbild
- 4.4 Ihre religiösen Anschauungen
- 4.5 Zeitdifferenz zwischen Impakterlebnis und Aufzeichnung
- 5. Alternativen
- 6. Abschließende Wertung
Einführung
Seit knapp eineinhalb Jahrzehnten wird in den Erdwissenschaften und mehreren benachbarten Disziplinen mit großem Einsatz der Frage nachgegangen, wie Impakt-Ereignisse das Geschehen auf der Erde beeinflussen. Seit Jahrhunderten diskutiert, aber in den Folgen letztlich über- oder unterschätzt, war die Bedeutung von Meteoriteneinschlägen für die Evolution der Lebewesen und der Erde von vielen Wissenschaftlern heruntergespielt oder einfach nicht beachtet worden. Zwar wurden größere Meteoriteneinschläge nicht generell geleugnet, es fehlte aber an klar erkennbaren Hinweisen auf ihre Wirksamkeit. Die Entdeckung einer erhöhten Konzentration des in Meteoriten stärker angereicherten Elementes Iridium in mehreren Grenztonlagen zwischen den geologischen Formationen Kreide und Tertiär veranlaßte Alvarez und Mitarb. (1980), den Einschlag (Impakt) eines Asteroiden zu dieser Zeit anzunehmen; das Aussterben zahlreicher Tiergruppen wäre dann als unmittelbare Folge dieser gewaltigen Katastrophe erklärbar.
Aussage des Buches
Das Autorenehepaar ist davon überzeugt, daß die zahlreichen Überlieferungen aus den verschiedensten Kulturen praktisch übereinstimmend von einem bzw. mehreren Impakterlebnissen berichten. Ausgehend von den inzwischen erforschten möglichen Auswirkungen des Kreide/Tertiär-Impaktes wird in den Überlieferungen nach Beschreibungen genau dieser Auswirkungen gefahndet. Auffällig ist, wie viele Traditionen Elemente enthalten, die sich eigentlich nur als Beschreibung eines Impakts deuten lassen. Gerade die anschließenden Überflutungen (die „Sintflut“) bilden einen wichtigen Bestandteil.
Der Kreide/Tertiär-Impakt
Die Kreide/Tertiär-Grenze (K/T-Grenze) markiert den Übergang vom Erdmittelalter (Mesozoikum) zur Erdneuzeit (Känozoikum). Die Untersuchung von damals ausgeflossenen Basalten lieferte ein radiometrisches Modellalter von rund 65 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit sind einige sehr bekannte Tierarten ausgestorben, darunter die Dinosaurier und Ammoniten. Massensterben hat es in der Erdgeschichte wiederholt gegeben. Während an der Kreide/Tertiär-Grenze bis zu 65 % aller damals lebenden Arten ausgestorben sein sollen, waren es an der Perm/Trias-Grenze 90-95 % aller Arten. Bis heute bleibt umstritten, was schließlich die Ursachen der Massensterben waren und über welchen Zeitraum sie sich erstreckten. Im Falle eines Impakts sollte man am besten von einem Auslöser und verschiedensten Ursachen (Verbrennen, Erfrieren, Verhungern etc.) sprechen.
Ein Impakt an der K/T-Grenze gilt heute als sicher: die Iridiumanomalie, weitere charakteristische Isotopenverhältnisse, das Vorkommen von Quarzen mit Schocklamellen, Hochdruck-Modifikationen von Quarz, große Mengen Ruß im Grenzton und das Vorkommen extraterrestrischer Aminosäuren sind neben dem drastischen Faunen- und Florenschnitt selbst klare Hinweise auf einen gewaltigen äußeren Einfluß. In jüngster Zeit hat man auch den zum Impakt gehörenden Krater auf der Yucatan-Halbinsel gefunden. Für keinen anderen Impakt hat man Indizien in dieser Fülle sammeln können, obwohl auf der Erde rund 150 Krater bekannt sind. Und kein anderer Faunenschnitt in der Erdgeschichte läßt sich so sicher mit einem Impakt verknüpfen. Sofern es sich bei Impaktoren um Kometen handelt, die durch den Aufprall größtenteils verdampfen, dürfte der Nachweis ohnehin schwierig sein.
Die Folgen eines Impakts sind heute zumindest im Modell umfassend erforscht; der Aufprall eines Geschosses aus dem All würde eine Explosionsdruckwelle gefolgt von einem Hitzeorkan auslösen, Giftgaswolken, Glutregen und Weltenbrand hätten verheerende Auswirkungen, wochenlange Regenfälle und Meereswellen, die sich beim Auflaufen auf die Küste kilometerhoch türmen, würden ein sintflutartiges Szenario erzeugen, der in die Stratosphäre geschleuderte Staub bewirkt eine Wochen oder Monate währende Dunkelheit, der anfänglichen Hitze folgt eine drastische Abkühlung mit ausgedehnten Schneefällen; schließlich werden vom Impakt Erdbeben nicht vorstellbaren Ausmaßes ausgelöst (S. 10).
Die Autoren liefern eine eindrucksvolle Schilderung der inzwischen durchgespielten Szenarien an der Wende Kreide/Tertiär; anschließend suchen sie in den Mythen der Völker nach Beschreibungen eben dieser Szenarien – und werden fündig. Ob persisch, indisch, asiatisch oder indianisch, die Menschen von den Fidschi-Inseln bis Feuerland scheinen eine Erinnerung an diese Vorgänge zu haben und viele, wie z.B. die Aborigenes in Australien, schildern überraschende Details. Was am deutlichsten hervortritt, sind die Parallelen in den Schriften aus aller Welt, die unbeeinflußt von den Schilderungen in der Bibel beispielsweise von einer Sintflut berichten. Dieses Charakteristikum war von den Vertretern der biblischen Sintflut schon wiederholt herausgearbeitet worden, ohne die gebührende Anerkennung zu finden.
An welchen Stellen ist Vorsicht geboten?
Thematische Vielfalt
Trotz der Länge von über 500 Seiten werden viele Themen nur angerissen und ganz sicher unvollständig abgehandelt. Vor allem am Ende des Buches, wenn es um Atlantis, Stonehenge, Pyramiden, Sphinx uvm. geht, ist man geneigt, den Autoren einen „Allerklärungsanspruch“ zu unterstellen. Zwar behaupten sie, mit ihren Ausführungen nur weitere Forschungsarbeiten anregen zu wollen, doch scheinen sie von ihrer Interpretation – stets im Sinne eines Sintflut-Impakts – überzeugt. Ihre Kritik an anderen Autoren, die ebenfalls eine Lösung für zahlreiche Probleme angeboten haben (Velikovsky, Whitcomb & Morris), ist zwar berechtigt, dennoch müssen sich Tollmann & Tollmann selbst eben dieser Kritik stellen. Es bleibt abzuwarten, welche Themenkomplexe letztlich im Rahmen einer Impaktfolge deutbar erscheinen.
Vulkanismus-Hypothese
Als Alternative zur Impakt-Hypothese wurde einige Jahre lang die Vulkanismus-Hypothese gehandelt. Etwa zu der Zeit, als der Impakt an der Kreide/Tertiär-Grenze erfolgte, ergossen sich enorme Mengen heißer Lava über eine weite Fläche des heutigen Indien. Da man an einem Vulkan auf Hawaii festgestellt hatte, daß die vulkanischen Gase auch Iridium enthalten, lag der Verdacht nahe, die weltweite Iridium-Anomalie könnte auch vulkanisch bedingt sein. In der Dezemberausgabe 1990 von „Spektrum der Wissenschaft“ werden die beiden Hypothesen noch nebeneinander behandelt. Die Forschungsergebnisse aus der zweiten Hälfte der 80er Jahre (u.a. geschockte Quarze, Hochdruckminerale von Quarz) machten die Vulkanismus-Hypothese zunehmend unwahrscheinlich. Im Tollmann-Buch wird sie in wenigen Sätzen verworfen; dennoch bleibt zu erwähnen, daß die Paläontologen große Bedenken anmelden, wollte man das Aussterben vieler Tiergruppen nur dem Impakt zuschreiben (Thies, 1991).
Aussagen zum christlichen Weltbild
Der biblische Sintflutbericht ist sicher das bekannteste Dokument, in dem eine weltweite Flut bezeugt wird. Bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde nur vereinzelt Kritik an der globalen Wirkung der Flut geäußert; im 18. und 19. Jahrhundert verkam das Flutereignis in den Wertungen der meisten Theologen und Naturforscher zunehmend zu einer lokalen, keineswegs einzigartigen Überschwemmung. Im vorliegenden Werk werden die Sintflutberichte vieler Kulturen gewissermaßen rehabilitiert, es darf wieder global gedacht werden. Zwar sehen die Autoren im biblischen Bericht eine orientalisch ausgeschmückte Version, in der ebenso wie in anderen Überlieferungen das Überleben auf einem Schiff nur symbolisch zu verstehen sei (das Arche-Noah-Problem sei die absurdeste aller religiös-wissenschaftlichen Debatten des 19. Jahrhunderts, S. 393), doch die Allgemeinheit der Sintfluttradition beweise die Allgemeinheit der Katastrophe selbst (S. 428).
Neben dem biblischen Sintflutbericht, den die Autoren als veränderte Beschreibung der Katastrophe, aber nicht als Strafgericht betrachten, werden dem Schöpfungsbericht und der Offenbarung des Johannes größere Bedeutung beigemessen. Der Schöpfungsbericht soll die Neubesiedlung nach der großen Katastrophe, die Rückkehr zu normalen Verhältnissen beschreiben. In der Offenbarung wird ganz offensichtlich ein Impaktgeschehen geschildert. Allerdings wird die prophetische Schau nur als eine Aufarbeitung alter Berichte gesehen. Symbolcharakter haben Schlange, Regenbogen und Leviathan.
Den Theologen wird empfohlen, in der Frage der Sintflutdeutung wieder zum Alten Testament zurückzukehren (S. 365). Ansonsten solle man aber die Ungereimtheiten des Alten Testaments abwerfen und sich ganz auf die Lehre Jesu im Neuen Testament beschränken (S. 389). Die Wertung biblischer Texte folgt keiner klaren Linie: Einmal werden sie sehr ernst genommen, dann wieder als von orientalischer Phantasie umrankt angesehen (S. 18), und schließlich gilt als Arbeitsprinzip, bibelähnliche Texte aus der Betrachtung herauszunehmen, denn sie könnten durch missionarische Einflüsse die ursprüngliche Überlieferung verfälscht haben.
Den Ursprung von Religion an sich, des metaphysischen Denkens der Menschen, sehen sie im Urerlebnis der schrecklichen Impaktfolgen. Das unerklärliche Geschehen sei als Strafe der Götter gedeutet worden. In verschiedensten Ausprägungen wurde das Impakterleben verarbeitet, konserviert und Maßnahmen ergriffen, um die Götter zu besänftigen. Offenkundig verlangten die Götter nach Menschenleben, so seien die Menschenopfer zu deuten. Als Fortsetzung der Menschenopfer sehen sie die „Blutkulthandlung“ des christlichen Abendmahles (S. 491) an. Denn wie sollte ein liebender Gott am Opfertod seines Sohnes Gefallen finden (S. 451), überhaupt: was ist das für ein grausamer Gott, der solch unverzeihliche, unüberbietbare Greuel an seinen Geschöpfen zuläßt (S. 431)? Hier fällt auf, daß die Autoren nicht nur historische und prophetische Aussagen der Bibel in ihre Überlegungen einbeziehen, sondern unter Mißachtung der gesamten theologischen Diskussion auch den Kern des Evangeliums in die Impaktwirkungen integrieren wollen.
Ihre religiösen Anschauungen
Will man allen Überlieferungen gerecht werden und ihre Bedeutung entschlüsseln, wird man zwangsläufig eine Weltreise durch nahezu alle religiösen Strömungen antreten. Daß der biblische Beitrag dann nur als einer unter vielen gewertet wird, ist methodisch vertretbar; allerdings erscheinen manche Interpretationen gewagt und erklären sich nur aus mangelnder Vertrautheit mit den zentralen Elementen der biblischen Botschaft. Abgesehen von negativen Äußerungen zum christlichen Weltbild verhalten sich die Autoren eher neutral; an einigen Stellen ist eine leichte Tendenz zu asiatischen Vorstellungen (z.B. das Drachensymbol als Dekoration in einem Wiener Chinarestaurant, S. 466) zu vermuten.
Dennoch ist eine „religiöse“ Position unübersehbar: Die Möglichkeit von Visionen wollen die Autoren nicht grundsätzlich ausschließen (S. 430). An einer Präkognition, einem Vorauswissen zukünftiger Ereignisse, zweifeln die Autoren nicht (S. 433). Die Entwicklungsgeschichte des Lebens sei nicht streng materialistisch-mechanistisch zu verstehen, vor allem dürfe das Prinzip der geistig-seelischen Kraft des Weltgeistes (S. 422) nicht unbeachtet bleiben.
Zeitdifferenz zwischen Impakterlebnis und Aufzeichnung
Das größte Fragezeichen steht hinter der enormen zeitlichen Differenz zwischen dem Erleben und der schriftlichen Dokumentation des Impaktgeschehens. Die Folgen der Kometeneinschläge müssen für die Überlebenden so schockierend gewesen sein, daß sie sich regelrecht ins menschliche Bewußtsein eingebrannt haben. Genau auf diese These setzt das Ehepaar Tollmann, und hier wird es äußerst problematisch. Sollten die Menschen ihre Erlebnisse in zum Teil stark abgewandelter Form tatsächlich 6000-8000 Jahre mündlich tradiert und erst in den letzten Jahrtausenden schriftlich niedergelegt haben, so muß man eine „Evolution des Bewußtseins“ annehmen. Die schrecklichen Erlebnisse wären dann Anlaß für einen Entwicklungsschritt vom unbesorgten Menschsein hin zum gottsuchenden und -fürchtenden Menschen, also das Entstehen von Religion (S.447). Hinsichtlich unserer Zukunft stehen wir übrigens vor der Wahl: Entweder beugen wir den nächsten möglichen Impakten vor (S. 378), was ein gemeinsames Vorgehen der Menschen erfordert, unseren nächsten Entwicklungsschritt, oder die konzentrierten radioaktiven Substanzen in Reaktoren, Endlagern und Aufbereitungsanlagen werden mit dem nächsten Impakt freigesetzt und garantiert das Ende für die Menschheit bedeuten.
Es muß jedoch bedacht werden, daß der langwährende Überlebenskampf nach den fürchterlichen Impaktfolgen, der tägliche Kampf kranker Menschen gegen den Hunger und die widrigen äußeren Bedingungen, vermutlich jegliche Überlieferung unterbunden haben, weil einfach keine Zeit und Gelegenheit waren, um die Nachkommenschaft ausreichend zu unterrichten. Die Konservierung von Wissen und das Festhalten an gewissen Traditionen ist zwar gerade auch bei äußerer Bedrängnis wichtig für den Zusammenhalt einer Menschengruppe, aber in extremen Situationen ist eher der Verlust erworbener Fähigkeiten und Kenntnisse zu erwarten. Eine Verinnerlichung des Impakterlebens, eine dauerhafte Prägung des Bewußtseins, nur so können die zeitlichen Lücken zwischen Impakt und Niederschrift verstanden werden – und genau hier verlassen die Autoren die Ebene wissenschaftlicher Arbeitsweise in Richtung geistig wirksamer Kräfte – welcher Kräfte?!
Alternativen
Die vielen Gemeinsamkeiten in den Berichten können sicherlich als Hinweise auf erlebte Großkatastrophen gedeutet werden. Demnach hätte nur eine geringe Zahl der damals lebenden Menschen in entlegenen Gegenden diese Katastrophen überlebt. In einigen Berichten werden Aussagen über die Richtung gemacht, aus der die Schrecken auf die Menschen zurollten; je nach damaligem Besiedlungsgebiet wären unterschiedliche Richtungsangaben zu erwarten, was sich aus einigen Äußerungen herauslesen läßt. Das weltweite Einsetzen heftiger Schneefälle muß auf der Nord- und Südhalbkugel der Erde zu verschiedenen Jahreszeiten eingetreten sein; genau dies kommt in den Berichten zum Ausdruck. Aber selbst wenn die Überlieferungen eine Verteilung der Menschheit über die gesamte Erde vor den Impakten nahelegen, wäre zu überlegen, ob die Ähnlichkeiten in den Berichten auch andere Deutungen zulassen. Eine denkbare Alternative wäre darin zu sehen, daß die Überlieferungen von einem Ort ausgingen; nur eine kleine Zahl von Menschen hätte die Katastrophe in einer bestimmten Region überlebt. Die Erinnerung daran wäre auch nach der anschließenden Ausbreitung der Menschheit in den verschiedensten Ausschmückungen erhalten geblieben.
Diese Alternative ist nicht mehr als eine Spekulation, sie hebt einzelne Aspekte hervor und stellt andere in den Hintergrund. Doch wäre zu bedenken, daß die Autoren bei ihrer Auswahl der überlieferten Texte ebenfalls selektiv vorgehen: Der Impakt soll nachgewiesen werden, ist aber zugleich das Unterscheidungskriterium für den Wahrheitsgehalt der Berichte. Dabei scheiden sowohl Berichte ohne Impaktmerkmale als auch unterstellte Zusätze, z.B. die Erzählungen von einer Rettungsarche, aus. Würde man die Texte ähnlich selektiv unter einer anderen Hypothese werten, z.B. Wiederausbreitung der Menschheit nach einem Flutereignis, so könnten die Beobachtungsrichtungen und auch Angaben über die Jahreszeit nachträglich hinzugekommen sein und den Hinweisen auf eine Arche würde stattdessen größere Bedeutung zukommen. Außerdem bleibt zu überlegen, ob in den Berichten nicht zeitlich versetzte Erlebnisse zusammengefaßt wurden.
Die zweite Alternative wäre darin zu sehen, daß die zeitliche Stellung der Impaktereignisse mit 9545 Jahren vor heute hinterfragt werden müßte. Wenn die in den Überlieferungen beschriebenen Begebenheiten im wesentlichen auf das gleiche Erlebnis hinweisen und in vielen Fällen zugleich noch so frisch wirken, könnte es angemessen sein, die Ursache in einem weit jüngeren Geschehen zu suchen. Auch wenn diese Überlegung zunächst nicht von naturkundlichen Beobachtungen gestützt werden kann, sind die zahlreichen Berichte von Völkern aus aller Welt allein schon ein wichtiges Indiz für außergewöhnliche geologische Ereignisse. Der von den Autoren eingeschlagene Weg, die Impaktfolge derart weit zurückzudatieren und lange Phasen mündlicher Überlieferung zu postulieren, strapaziert das Vorstellungsvermögen des nüchternen Betrachters und könnte dazu führen, daß den Mythen selbst die Anerkennung als teilweise historische Dokumente verweigert wird – eine Behandlung, die sie zweifellos nicht verdienen.
Abschließende Wertung
Das Buch hinterläßt einen insgesamt positiven Eindruck. Die Aufarbeitung der Forschungsergebnisse zum Kreide/Tertiär-Impakt und weiterer geologischer Aspekte von einem qualifizierten Geologenehepaar sind ausgesprochen lesenswert. Die Zusammenstellung von Impaktmerkmalen aus verschiedenen Überlieferungen und der mögliche Bezug zu tiefgreifenden menschlichen Erfahrungen ist sicherlich berechtigt. Zweifelhaft ist die angewandte Methode: den Wahrheitsgehalt der Überlieferungen an heute erforschten oder vermuteten Impaktfolgen zu messen und die übrigen Passagen nur als schmückendes Beiwerk gelten zu lassen. Kritisch bleibt zu vermerken, daß ein fachlich ansprechendes Buch durch die Wahl des Verlages (Droemer Knaur) die Aufmerksamkeit einer breiten Leserschaft gegen die Analyse durch die Fachleute ausspielt. Dies könnte sich daraus erklären, daß es dem Ehepaar Tollmann neben der rein fachlichen Auseinandersetzung auch um die Vermittlung einer Botschaft geht. Trotzdem: Die angerissenen Probleme müssen in den nächsten Jahren unter neuen Gesichtspunkten diskutiert werden – „Und die Sintflut gab es doch“ liefert wertvolle Ansätze.
Literatur
- Alvarez, L.W.; Alvarez, W.; Asaro, F.; Michel, H.V. (1980): Extraterrestrial cause for the Cretaceous-Tertiary extinction. Science 208, 1095-1108.
- Alvarez, W. & Asaro, F. (1990): Die Kreide-Tertiär-Wende: ein Meteoriteneinschlag? Spektrum der Wissenschaft, Dez., 52-59.
- Courtillot, V.E. (1990): Die Kreide-Tertiär-Wende: verheerender Vulkanismus? Spektrum der Wissenschaft, Dez., 60-69.
- Thies, D. (1991): Das Phänomen des Massenaussterbens in der Erdgeschichte. Die Geowissenschaften 9, 49-56.